Meinung VSE

Souveränität behalten

Eine Meinung zum Stromabkommen

07.12.2020

Ganz gleich, ob wir die Schweiz als Stromdrehscheibe oder als grossen Interkonnektor im Herzen Europas bezeichnen: Ein Stromabkommen mit der EU ist (auch) für unser Land äusserst wichtig – ist aber seit Jahren blockiert. Den gleichberechtigten Zugang zum europäischen Strombinnenmarkt gibt es nämlich nicht als Einzelbestellung, sondern nur als Menükomponente beim Abschluss eines Rahmenabkommens mit der EU.

Die EU optimiert gegenwärtig den Stromhandel und die grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten. Von diesen Optimierungen ist die Schweiz ausgeschlossen. Dabei ist der Ausschluss in dem Teilbereich, wo grenzüberschreitende Stromflüsse optimiert und koordiniert werden, besonders heikel: Ungeplante Stromflüsse – Loop Flows – haben stark zugenommen und werden weiter massiv zunehmen, wenn die EU ihre Regelung umsetzt und 70 % der grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel innerhalb der EU reserviert sein müssen. Falls das nicht gelingt, müsste sie teure Massnahmen ergreifen oder die Exportkapazitäten in die Schweiz reduzieren. Europa optimiert also seine Netzkapazitäten und -kosten sowie seinen Handel zulasten der Schweiz und auf Kosten unserer Netzsicherheit und Systemstabilität. Notabene: ohne Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten seitens Swissgrid und Elcom in den entsprechenden europäischen Gremien. «Souveränitätsverlust!», warnen die Gegner des Rahmenabkommens.

Tatsache ist: Ohne Stromabkommen entgleitet uns die Hoheit, die Souveränität über unser Höchstspannungsnetz zunehmend. Diejenigen, welche ein Stromabkommen aktuell verhindern, sehen eines nämlich nicht: Die EU entwickelt sich weiter, und ein Festhalten am Status quo ist unrealistisch. Es wird so oder so neue gemeinsame Regeln brauchen. Ohne solche geraten wir ins Abseits, und wir setzen die bestehende hohe Netz- und Systemstabilität leichtfertig aufs Spiel. Ein fehlendes Stromabkommen bringt Souveränitätsverlust. Mit einem Abkommen können wir dafür sorgen, dass wir die Kontrolle und die Hoheit über unser Höchstspannungsnetz nicht verlieren.

Autor
Michael Frank

ist Direktor des VSE

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