Fachartikel Erneuerbare Energien , Gebäudeautomation , Installationstechnik

Solar­opti­miertes Laden in Mehr­parteien-Gebäuden

Energie-Management

09.08.2024

Sonnen­energie und Elektro­autos ergänzen sich ideal, wenn der Strom zu Hause oder am Arbeits­platz während dem Tag direkt in die Fahr­zeug­batterie fliesst. Mithilfe einer solar­opti­mierten Lade­steuerung und einer ver­ursacher­gerechten Abrech­nung kann eine Win-win-Situation zwischen Anlagen- und Auto­besitzer entstehen.

Die Synergie scheint klar: Solarstrom wird tagsüber produziert, gleichzeitig stehen die Fahrzeuge von Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt über 23 Stunden am Tag. Mehr als genug Zeit also, um die Reichweite für die alltägliche Mobilität mit nachhaltigem Strom von einer angrenzenden Dachfläche zu decken. Zudem liegt es im Interesse aller PV-Anlagenbesitzer, möglichst viel der erzeugten Energie direkt zu verkaufen und nicht ins Netz einzuspeisen.

Für eine gewinn­bringende Umsetzung müssen zwei Heraus­forde­rungen gelöst werden: Eine möglichst PV-optimierte Steuerung unter Einbezug des ganzen Gebäudes oder Quartiers sowie eine verbrauchsgerechte, faire Abrechnung. Wie diese beiden Heraus­forde­rungen technologisch gelöst werden können, wird hier erläutert.

Hardware und Datenerhebung

Grundvoraus­setzung für eine sinnvolle Verteilung des Stroms sind intelligente Geräte mit einer Echtzeit-Daten­anbindung ans Internet, damit die nötigen Messwerte für die Steuerung und Abrechnung jederzeit zur Verfügung stehen. Eine mögliche Lösung dafür ist Pico, eine E-Lade­sta­tion, die von Smart-Me entwickelt wurde.

Sie ist kompatibel mit allen E-Fahrzeugen und bietet neben den Standard­funktionen einer Wallbox einige weitere Vorteile, insbesondere für grössere Installationen mit vielen Ladegeräten. Mithilfe eines Rück­platten­prinzips ist eine preis­effiziente, skalierbare und zukunfts­sichere Installation sowohl in Bestands- und Neubauten möglich, eine Montage an Flachbandkabeln ist kein Problem. Steht keine geeignete Wand zur Verfügung, können Stand­fuss­modelle für die Ladepunkte verwendet werden.

Das grosse Display der Station kann individuelle Bilder oder Animationen anzeigen und führt die Nutzer durch den intuitiven Freischalt-Vorgang. Das Display informiert den Lade­stations­nutzer über die aktuelle Situation und vermeidet Unklarheiten während des Ladevorgangs. Gängige Fehler wie zum Beispiel das nicht korrekte Anschliessen des Ladekabels werden angezeigt und damit vermieden.

Beim Laden zeigt die Station nützliche Informationen wie die aktuelle Ladeleistung oder die bisher geflossene Energie sowie Sonder­ereig­nisse wie beispielsweise eine Sperrung durch den Netzbetreiber an (Lastabwurf). Die Freischaltung durch berechtigte Nutzer funktioniert entweder klassisch per App, RFID-Karte oder kann als Bonus bei einer immer grösser werdenden Anzahl von E-Fahrzeugen via der Auto-ID gelöst werden. Dabei können die Nutzer beim erstmaligen Freischalten die über Pico ausgelesene Fahrzeug-ID bei sich im App abspeichern und müssen bei den folgenden Ladungen nur noch das Kabel anschliessen. Das System prüft dann automatisch, ob die hinterlegte ID und der damit verbundene Nutzer für das Laden berechtigt ist und schaltet den Ladevorgang automatisch frei. Bereits vorher hat der Anlageverwalter in seinem Webportal festgelegt, welche Benutzer an den Stationen berechtigt sind, wie viel die Ladevorgänge kosten und wie abgerechnet werden soll.

Die Picos kommunizieren mittels WLAN oder integrierte Mobil­funk­anbindung in der eigenen Last­mana­gement-Gruppe und gleichzeitig mit der Smart-Me-Cloud. Damit können sie von der dort ange­siedelten Steuer­intelligenz immer erreicht werden und auf sich verändernde Situationen reagieren.

Der zweite Teil der relevanten Daten für die intelligente Steuerung kommt vom Gebäude selbst und kann mit den ebenfalls von Smart-Me hergestellten intelligenten Stromzählern erhoben werden. Diese werden an für die Steuerung wichtigen Punkten – wie zum Beispiel einer Zwischen­verteilung oder dem Hausanschluss auf Gebäude- oder Quartierstufe – installiert und liefern ab dann ebenfalls wichtige Live-Daten für die Steuerung.

Intelligente Steuerung der verfüg­baren Energie

Mit diesen beiden Elementen sind alle nötigen Datenpunkte im Gebäude bekannt, damit die Energie sicher und intelligent verteilt werden kann. Da es sich bei allen System­kompo­nenten (Lade­sta­tionen, Stromzähler) um für die Schweiz angepasste Standard­produkte handelt, kann dies mit geringem Instal­lations­aufwand und ohne zusätzliche Schnitt­stellen realisiert werden.

Die Steuerintelligenz ist dabei in der Cloud angesiedelt und wird mit dem neuen Multilevel-Last­manage­ment (MLM) gesteuert. Diese Software­funktion kann den Strom auf bis zu sechs hierarchischen Ebenen dynamisch überwachen. Der Stations­verwalter kann dabei auf einer webbasierten Oberfläche die elektrische Installation seines Objekts nachbauen und dann gemäss seinen individuellen Anforderungen anpassen.

Dafür definiert er zuerst die diversen Pico-Last­manage­ment-Gruppen und legt für sie eine maximal zulässige Strommenge des Verteilerkabels fest (z.B. 63 A). Dies sind üblicherweise Pico-Lade­stationen, die sich nahe beieinander befinden und zusammen an einem separat abgesicherten Anschluss bzw. einem Flach­band­kabel hängen. Die Geräte in dieser Gruppe kommuni­zieren lokal untereinander und stellen in einer ersten Instanz auch ohne Internet­verbindung sicher, dass diese vorgegebene Obergrenze nie überschritten wird. Wollen viele Autos gleichzeitig laden, reduzieren die Lade­sta­tionen zuerst schrittweise die verfügbare Menge pro Auto, schalten danach zwecks einer noch besseren Verteilung in einen 1-phasigen Betrieb (Phasenausgleich) und verschieben gegebenen­falls Ladungen auf später.

In einem nächsten Schritt kann eine oder mehrere Pico-Gruppen den verschie­denen Referenz­punkten des Gebäudes zugeordnet werden. Auch auf diesen Ebenen verhindert das MLM mit oberster Priorität zuerst die Überlastung der Leitungen und Sicherungen. Steigt zum Beispiel der Energie­verbrauch im Gebäude (weil sich z.B. die Wärmepumpe einschaltet), reduziert das MLM automatisch die zur Verfügung stehende Energie bei angehängten Pico-Gruppen. Diese verteilen die zugeteilte Menge dann wieder anhand des oben beschriebenen Mechanismus möglichst effizient innerhalb der Gruppe.

Ein besonderer Mehrwert wird erzeugt, indem der Anlagen­verwalter pro Ladegruppe einen individuellen Tagesfahrplan für die Solar­opti­mierung konfigurieren kann. Zu jeder Stunde kann der maximale Netz­strom­bezug pro Ladegruppe definiert werden. Steht über­schüs­siger Solarstrom zur Verfügung, wird dieser der Ladegruppe zusätzlich zugeteilt und erhöht somit den Eigen­verbrauch substanziell.

In einem Mehr­familien­haus kann so zum Beispiel eingestellt werden, dass tagsüber nur wenig Netzstrom abgegeben wird, um den Mindest­bedarf zu decken. Der maximale Strombezug des gesamten Gebäudes kann auch eingeschränkt werden, um teure Spitzen zum Beispiel über den Mittag zu vermeiden. Das MLM prüft dann automatisch, ob die nötige PV-Energie zur Verfügung steht und lädt die Fahrzeuge entsprechend der aktuellen Produktion. Verschwindet die Sonne am Abend über dem Horizont, kann der Netzbezug entsprechend erhöht und die Batterien weiter geladen werden. Obwohl der lokale Strom optimal genutzt wird, müssen die Bewohner keine Reich­weiten­angst haben.

Das MLM ist zudem so ausgelegt, dass es auch in Ausnahme­situati­onen die Sicherungen im Gebäude immer zuverlässig schützt. So können für den Fall einer Störung der Internet­ver­bindung vorher Rückfall-Szenarien definiert werden, welche dann automatisch aktiviert werden. Da die Pico-Gruppen auch offline und lokal miteinander kommuni­zieren, wird eine Überlastung jederzeit verhindert. Zudem kann auch eine Sperrung durch den Energie­versorger berücksichtigt werden, auf Wunsch ebenfalls direkt über einen Befehl in der Cloud oder alternativ direkt mit Steuer­signalen verdrahtet auf eine oder mehrere Pico-Lade­sta­tionen in der Installation.

Die Zukunftssicherheit für grosse Anlagen wird gewähr­leistet, indem das MLM bis 50 Referenz­punkte und 1000 integrierte Geräte pro Instal­lation unterstützt.

Verbrauchsgerechte Abrechnung

Ist die intelligente Verteilung der verfüg­baren Energie sicher­gestellt, muss sie auch noch fair zwischen den verschie­denen Parteien abgerechnet werden können. Dazu muss das System pro Lade­sta­tion wissen, wie hoch der Verbrauch von Solar- und Netzstrom war. Branchen­üblich ist für diese Berechnung die Zuteilung der verschiedenen Stromsorten anhand von Verbrauchsdaten im Viertel­stunden-Intervall. Die dafür nötige Daten­qualität liefern die Pico-Lade­sta­tionen, da sie einerseits nach MID (Abrech­nungs­relevanz) und andererseits nach Schweizer Lastgang (Viertelstunden-Daten) zertifiziert sind. Ohne zusätzliche Mess­infrastruktur sind die rechtlich nötigen Daten bereits im System vorhanden.

Die Berechnungs­logik befindet sich – wie beim MLM – in Form eines Billing-Tools wieder in der Cloud. Dort kann der Anlage­verwalter seine Tarifstruktur (Hoch-, Nieder- und Solartarif) und die Preise dafür festlegen. Am Ende der Abrechnungs­periode zum Monats- oder Quartalsende erzeugt das Billing-Tool automatisch eine Rechnung pro Partei und weist die Kosten anhand der individuellen Verbräuche aus. Wer mehr Strom vom Dach bezogen hat, erhält entsprechend auch mehr günstigeren, nachhaltigen Solarstrom abgerechnet.

Dem System ist stets bekannt, welcher E-Auto-Fahrer wie viel Solar- und wie viel Netzstrom bezogen hat. Ist das Gebäude in einem Zusammen­schluss zum Eigen­verbrauch (ZEV) organisiert, kann die mehr­tarifige Abrech­nung auch auf das gesamte Gebäude angewendet werden, und der Verbrauch an den Lade­sta­tionen kann automatisch einer Wohneinheit zugeteilt werden. In jedem Fall ist die Abrechnung damit verbraucher­gerecht und damit für alle Parteien fair.

Fazit

Mit der Smart-Me-Technologie ist es möglich, auch in komplexen Anwendungs­fällen mit vielen Lade­sta­tionen im gleichen Gebäude oder am gleichen Trafo eine zukunfts­sichere und skalierbare, aber gleichzeitig flexible und solaroptimierte Ladeinfrastruktur zu bauen. Das System ist so konzipiert, dass die Grund­inves­tition bei den ersten Fahrzeugen nicht zu hoch ausfällt, aber gleichzeitig schon so ausgelegt, dass es mit dem weiteren Ausbau der Elektro­mobilität Schritt halten kann. Insbesondere die in der Cloud gelöste Steuerung kann vom Anlage­verwalter jederzeit und mit wenigen Klicks im Webportal angepasst werden. Damit kann bereits heute mit der Erschliessung der für die Energiewende wichtigen Anwen­dungs­fälle wie grösseren Geschäfts­liegen­schaften, Überbauungen oder Quartieren begonnen werden.

Autor
Fabian Trinkler

ist Mitglied der Geschäftsleitung von smart-me.

  • smart-me AG, 6343 Rotkreuz

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