Fachartikel Eigenverbrauch , Energiemarkt

Solarer Eigenverbrauch

Finanzielle Auswirkungen von PV-Anlagen und PV/Batterie-Systemen auf Schweizer EVUs

17.12.2016

Im Zuge der Energiestrategie 2050 wird ein starker Ausbau der Photovoltaik (PV) in der Schweiz diskutiert. Sinkende Kosten der PV-Anlagen sowie Anreizmechanismen wie die Kostendeckende Einspeisevergütung und die Einmalvergütung führen bereits heute zu einem gesteigerten PV-Ausbau, der sich weiter fortsetzen wird. Eine Studie untersucht die Auswirkungen des Eigenverbrauchs von Privathaushalten mit PV-Anlagen bzw. PV/Batterie-Systemen auf die zukünftige Ertragssituation von Energieversorgern und Netzbetreibern in der Schweiz.

Ohne eine hohe Einspeisevergütung ist der Eigenverbrauch von PV-Strom für Konsumenten der übliche Weg, um ihre Investition zu amortisieren. Dadurch beziehen sie weniger Strom aus dem Netz, was die Einnahmen der Energieversorger und Netzbetreiber schmälert. Um diese Verluste zu decken, können die EVUs und (vor allem) Netzbetreiber ihre Tarife erhöhen, was aber wiederum den Anreiz für Eigenverbrauch erhöht. Diese Rückkopplung stellt bei massivem Ausbau der Photovoltaik ein Risiko für das heutige Geschäftsmodell von EVUs dar und wurde im US-amerikanischen Kontext bereits als Todesspirale (Utility Death Spiral) bezeichnet. [1]

Eine Schweizer Studie untersucht die Auswirkungen des Eigenverbrauchs auf den Ertrag von EVUs und Netzbetreibern. Dabei werden nur Anlagen berücksichtigt, die durch die Einmalvergütung (EIV) gefördert werden und eine Nennleistung zwischen 2 und 10 kW aufweisen. Die Studie ist eine Zusammenarbeit des ETH-Spin-offs Adaptricity und des Power Systems Laboratory der ETH Zürich.

Im untersuchten Leistungsbereich befindet sich der grösste Teil der privaten Anlagenbetreiber. Anlagen mit einer Nennleistung zwischen 10 und 30 kW können entweder die EIV oder die KEV wählen. In diesem Leistungsbereich findet man aber vor allem gewerbliche PV-Installationen, die in dieser Studie nicht berücksichtigt werden.

Struktur und Prinzipien des Modells

Das grundsätzliche Ziel des Simulationsmodells ist die Berechnung der Entwicklung der Stromrechnungen aller Konsumenten über mehrere Jahre. Dies geschieht anhand einer detaillierten Zeitreihen-Simulation einer Gruppe von Einzelkunden jeweils über ein Jahr. Eine iterative Anpassung der Tarife und des Zubaus von PV-Anlagen bzw. PV/Batterie-Systemen ermöglicht die Beschreibung der entstehenden Dynamik über einen längeren Zeitraum. In jedem simulierten Jahr werden in der Simulation die folgenden Aufgaben ausgeführt: die Berechnung der Stromrechnungen der Konsumenten, die Berechnung der Investitionsentscheidungen der Konsumenten und die Dimensionierung der jeweiligen PV-Anlagen oder PV/Batterie-Systeme.

Kostenberechnung

Die Stromtarife für Privathaushalte werden mit den drei üblichen Komponenten modelliert: dem Energiepreis, den Netzentgelten sowie den Steuern und Abgaben. Diese drei Kostenblöcke sind wiederum die Summe aus einem Grundpreis und dem Produkt der vom Netz netto bezogenen Energie mit dem passenden Tarif pro kWh. Dabei werden die Netzentgelte jedes Jahr angepasst, um Gewinne oder Verluste vom Vorjahr zu kompensieren. Leistungstarife werden nicht betrachtet. Überschüssige Energie des Endkunden wird mit einem Rückspeisetarif vergütet. Die Batterie wird nur benutzt, um den Eigenverbrauch zu maximieren, und nicht, um weitere Dienstleistungen wie z.B. Regelenergie zu erbringen. Mit dieser Methode werden alle Kosten für jeden 15-Minuten-Zeitschritt berechnet.

Investitionen in PV-Anlagen und PV-Batteriesysteme

Die Modellierung der Investitionsentscheidungen basiert auf dem Bass-Diffusionsmodell zur Beschreibung der Verbreitung von neuen Technologien. Am Ende jeden Jahres wird so die Anzahl Konsumenten, die sich für eine Investition in PV-Anlagen oder PV/Batterie-Systeme interessieren, bestimmt. Laut diesem Modell gibt es zwei verschiedene Arten von Konsumenten: die Innovatoren und die Imitatoren. In dieser Simulation sind die Koeffizienten des Modells so eingestellt, dass es vor allem Imitatoren gibt.

Anlagen-Dimensionierung

Jedem Konsumenten wird eine gewünschte maximale Amortisationszeit zugewiesen, nach der der Konsument erwartet, dass der durch die Investition erhaltene Profit die Investitionskosten überholt. In dieser Simulation bestimmt ein Dimensionierungsalgorithmus die optimale Investition, d.h. die optimale Nennleistung der PV-Anlage und die optimale Energiekapazität der Batterie für jeden interessierten Konsumenten. Dieser Algorithmus beruht auf der Lösung eines Optimierungsproblems, d.h. eine Kostenfunktion wird unter spezifischen Bedingungen minimiert. Die Kostenfunktion besteht aus den Investitionskosten über die erwartete Rückzahlungszeit minus die erhaltenen Profite sowie einem Element, das den Alterungsprozess der Batterie modelliert. Ebenso wird vermieden, dass die Batterie gleichzeitig Energie lädt und entlädt. Die Optimierung benutzt die gesamte Information über ein Jahr, um das Ladungs- und Entladungsprofil der Batterie und die entsprechenden Kosten zu berechnen.

Es werden vier Arten von Nebenbedingungen verwendet, die gewährleisten, dass:

  • die Batterie korrekt ge- und entladen wird,
  • die Nennleistung der PV-Anlage und die Energiekapazität der Batterie nicht zu gross sind (weil die Dachfläche begrenzt ist, und eine Batterie ein gewisses Volumen erfordert),
  • der Eigenverbrauch korrekt gesteuert wird,
  • die Amortisationszeit der Investition kürzer als die vom Konsumenten gewünschte maximale Amortisationszeit ist.

Fallstudie

Das Modell wurde in einer Studie benutzt, um die Entwicklung der Stromrechnungen von 500 Privatkunden zu simulieren. Die Lastprofile wurden mit DPG.sim, der Simulationsumgebung von Adaptricity, erzeugt. Für alle Konsumenten gibt es dank DPG.sim die Möglichkeit, die Verteilung der maximalen Leistung und der jährlich konsumierten Energie zu bestimmen. Ein einzelnes, reales PV-Profil wurde normalisiert und dann mit der optimalen Nennleistung multipliziert, um die individuellen PV-Profile zu erzeugen.

Die Preise für PV-Leistung und Batterie-Energiekapazität werden gemäss dem Swanson’schen Gesetz [2] eingestellt: Die Kosten sinken exponentiell, so dass sie sich in zehn Jahren halbieren. Die initialen Kosten sind 3000 CHF/kW für PV-Nennleistung und 500 CHF/kWh für Batterie-Energiekapazität. Zusätzlich zu diesen Kosten wird für die Installation der Anlage ein fixer Preis von 3000 CHF angenommen. Die einzigen Instandhaltungskosten, die berücksichtigt wurden, entsprechen dem Ersatz des Wechselrichters nach 15 Jahren. Um die maximale Lade- und Entladeleistung der Batterie zu berechnen, wird die Kapazität der Batterie durch die vorgesehene Ladedauer von 2 Stunden geteilt. Die maximale Nennleistung der PV-Anlage wird als 10 kW angenommen, die maximale Batteriekapazität als 10 kWh. Da die EIV für Anlagen mit einer Nennleistung kleiner als 2  kW nicht erforderlich ist, werden die Investitionen in solche Anlagen nicht betrachtet.

Für die Tarifdaten wird ein reales Tarifblatt eines schweizerischen EVUs benutzt. Die KEV wird nicht berücksichtigt, aber die EIV für angebaute und freistehende Anlagen wird eingerechnet. Der Grundbeitrag von 1400 CHF wird über den Zeitraum der mehrjährigen Simulation konstant angenommen, aber der Leistungsbeitrag wurde exponentiell gesenkt von 500 CHF/kW im ersten Jahr auf 0 CHF/kW im neunten Jahr. Die Koeffizienten für das Bass-Modell wurden aus [3] entnommen. Der initiale Anteil an Konsumenten, die mit PV-Anlagen ausgerüstet wurden, ist 2 % aller Konsumenten, d.h. 10 Konsumenten im verwendeten Modellsystem. Für das langfristige PV-Marktpotenzial wurden zwei verschiedene Werte angenommen: 50 % für die Szenarien «moderat» und 100 % für die Szenarien «ambitioniert».

In der Schweiz ist es möglich, durch die Installation einer PV-Anlage eine Steuervergünstigung zu erhalten, da die Investitionskosten vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können. Da die Modellierung dieses Sachverhalts zu weit führen würde, wurde die folgende Vereinfachung benutzt: Die fixen (grös­senunabhängigen) Kosten für die PV-Anlage, der fixe Anteil der EIV und die Steuervergünstigung kompensieren sich näherungsweise gegenseitig und werden daher vernachlässigt.

Die erwarteten Rückzahlungszeiten werden vereinfacht als 20 Jahre für alle Konsumenten angenommen. In der Realität hängt die erwartete Rückzahlungszeit nicht nur von finanziellen Aspekten, sondern auch von anderen Parametern wie z.B. der persönlichen Einstellung zu erneuerbaren Energien ab, was aber nur sehr schwierig modelliert werden kann.

Ergebnisse

Vier Szenarien wurden modelliert: In den Szenarien «NurPV» hatten die Konsumenten nur die Möglichkeit, in PV-Anlagen zu investieren, während die Konsumenten in den Szenarien «PVBatterie» in PV/Batterie-Systeme investieren konnten. Der Charakter «moderat» und «ambitioniert» der Szenarien hängt vom Marktpotenzial ab. Bild  1 zeigt die Entwicklung der Summe der Stromrechnungen von 500 Konsumenten über 20 Jahre. Jede einzelne Stromrechnung wurde in vier Teile geteilt: den Preis für die Energie, die Netzentgelte, die Steuer und Abgabe und die Vergütung für die Überschuss-Energie. In Bild  2 sind die PV-Penetration (Summe der durch PV-Anlagen produzierten Energie geteilt durch den gesamten Strombedarf) und der gesamte Autarkiegrad (der Strombedarf, der durch Eigenproduktion gedeckt wird, geteilt durch den gesamten Strombedarf) dargestellt. Der Autarkiegrad wird für jeden Konsumenten separat berechnet und die Ergebnisse werden addiert.

Bei den Szenarien «ambitioniert» steigen die PV-Penetration und der Autarkiegrad zuerst langsam in den ersten Jahren, dann beschleunigt sich die Steigerung, bevor eine Sättigung erreicht wird (wenn alle Konsumenten investiert haben). Die resultierende S-Form dieser Kurven ist typisch für die Bassdiffusion, wenn die Konsumenten vor allem Imitatoren sind. Bei den Szenarien «moderat» beobachtet man nur die erste Phase des S-Profils: eine beschleunigende Steigerung. Das Einkommen der verschiedenen Akteure sinkt entsprechend. Um die Einnahme der Netzbetreiber stabil zu halten, wird der Netztarif erhöht. Die PV-Penetration erreicht bei den Szenarien «ambitioniert» bis 160 %, weil es sich in den späteren Jahren lohnt, in überdimensionierte PV-Anlagen zu investieren.

Die Senkung der Stromrechnungen und die Erhöhung der PV-Penetration beschleunigen sich aus zwei Hauptgründen: Erstens sind die meisten Konsumenten «Imitatoren», d.h. je mehr Kunden mit PV-Anlagen ausgerüstet sind, desto mehr Konsumenten werden versuchen zu investieren. Zweitens sinken jedes Jahr die Preise für PV-Leistung und Batteriekapazität, wodurch die optimalen Dimensionen der Anlagen steigen. Jedes Jahr werden deswegen immer mehr Anlagen gekauft, die auch immer grösser sind.

Im Vergleich zu den Konsumenten von den Szenarien mit Batterien haben die Konsumenten von den Szenarien «NurPV» einen tieferen Autarkiegrad. Dafür machen sie ihre Investition einträglich vor allem mit der Vergütung für Überschussenergie. Am Ende der Simulationen sinkt das Einkommen der EVUs weniger stark, wenn die Konsumenten in Batterien investieren. Verglichen mit initialen Einkommen ist sie von – 8,0 % im Szenario «nurPV-moderat», –29,3 % im Szenario «nurPV-ambitioniert», –17,6 % im Szenario «PVBatterie-moderat» und –52,1 % im Szenario «PVBatterie-ambitioniert». Die gesamte Senkung der Stromrechnungen (wenn man die Einspeisung mitzählt), das heisst Netzentgelte+Energiepreis+Steuer und Abgabe – Profit dank der Einspeisung, ist von –4,5 % im Szenario «nurPV-moderat», –15,6 % im Szenario «nurPV-ambitioniert», –9,8 % im Szenario «PVBatterie-moderat» und –27,4 % im Szenario «PVBatterie-ambitioniert». Die PV-Penetration erreicht bei den Szenarien «ambitioniert» bis 160 %.

Am Ende der Simulationen sanken die Stromrechnungen (Netzentgelte +  Energiepreis + Steuer und Abgaben) verglichen mit den initialen Stromrechnungen von –2,9 % im Szenario «nurPV-moderat», –6,5 % im Szenario «nurPV-ambitioniert», –6,3 % im Szenario «PVBatterie-moderat» und –21,7 % im Szenario «PVBatterie-ambitioniert».

Schlussfolgerungen

In diesem Artikel wurde eine generelle Methode beschrieben, mit der der Einfluss vom Eigenverbrauch von Privatkunden auf die Ertragssituation der Netzbetreiber und Energieversorger untersucht werden kann. Die Hauptlimitationen der Studie sind die Tatsache, dass die Lastprofile und PV-Profile der Konsumenten über die Jahre nicht verändert werden, dass die Batterie-Profile mit der Information über das gesamte Jahr erzeugt werden und die Verteilung der erwarteten Rückzahlungszeit für die Konsumenten. Die Wahl der Parameter des Bass-Diffusionsmodells spielt auch eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Kosten.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Situation in den nächsten Jahren immer schneller verändern könnte, weil die Preise von PV-Anlagen und Batterien deutlich sinken werden. Der PV-Eigenverbrauch ohne Batterieunterstützung impliziert keine grosse Senkung der Ertragssituation der Energieversorger und der Netzbetreiber, weil die Konsumenten, die nur in PV-Anlagen investieren, ihre Stromrechnung um ungefähr 30 % reduzieren können. Dank der Vergütung für die Überschuss-Energie erhalten sie den übrigen Profit, um die Investition rentabel zu machen. Mit Batterien ist der Autarkiegrad deutlich höher (bis 60 %). PV/Batterie-Systeme haben deswegen einen grösseren negativen Einfluss auf das Einkommen von Netzbetreibern und Energieversorgern als reine PV-Anlagen.

Es ist zu erwarten, dass die PV- und Batterie-Penetration in den nächsten Dekaden klar steigen wird. Dies kann basierend auf den vorliegenden Simulationen auf zwei Gründe zurückgeführt werden: erstens werden immer mehr Konsumenten wegen des Imitationseffekts in PV-Anlagen investieren und zweitens wird es sich lohnen, in immer grössere Anlagen zu investieren, da die Preise für PV-Leistung und Batteriekapazität deutlich sinken werden.

 

Referenzen

[1] Rocky Mountain Institute, «The Economics of Load Defection – How grid-connected solar-plus-battery systems will compete with traditional electric service, why it matters and possible paths forward», 2015.
[2] R. M. Swanson, «A vision for crystalline silicon photovoltaics». Prog. Photovolt: Res. Appl., 14: 443–453. doi:10.1002/pip.709, 2006.
[3] M. Guidolin, C. Mortarino, «The Diffusion of ­Photovoltaic Energy Across Countries: Modeling Choices and Forecasts for National Growth ­Patterns», 2007.

 

Autor
Antoine Gaillard

arbeitet als Elektroingenieur ETH bei Adaptricity.

  • Adaptricity
    8092 Zürich
Autor
Dr. Stephan Koch

ist CEO des ETH-Spin-Offs ­Adaptricity.

  • Adaptricity
    8092 Zürich

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