Fachartikel Eigenverbrauch , Energieeffizienz , Gebäudeautomation

Solare Gebäude

Zukunftssichere Konzepte zur Energieversorgung

03.08.2017

Gemäss dem deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird im Gebäudebereich in Deutschland 35 % der Endenergie verbraucht. Mit dessen Reduzierung könnte ein signifikanter Beitrag zur Emissionsminderung bei Treibhausgasen und damit zur Einhaltung der an der Klimakonferenz in Paris 2015 vereinbarten 2-K-Grenze geleistet werden. Die Versorgung von Gebäuden mit erneuerbarer Energie ist dabei zentral.

In den letzten Jahren wurden im Gebäudebereich signifikante Fortschritte gemacht. So wurde in Deutschland gemäss dem statistischen Bundesamt im Zeitraum von 1990 bis 2015 eine Reduzierung des jährlichen Endenergiebedarfs von 240 kWh/m2 auf 170 kWh/m2 erreicht. Allerdings kompensiert der seit Jahren ansteigende Komfortanspruch der Bürger diese Energieeinsparungen. So stieg die Wohnfläche je Einwohner im gleichen Zeitraum von 35 m2 auf 46 m2.

Um die Energiewende zu schaffen und die Klima­schutz­ziele zu erreichen, ist die effiziente Energieversorgung von Gebäuden unabdingbar. Zur Versorgung werden Konzepte benötigt, die eine wesentliche Reduzierung der Treibhausgase beinhalten. Dies betrifft nicht nur die Versorgung der Gebäude mit Strom, sondern vor allem mit Wärme. Einerseits ist die Effizienz der Gebäude zu verbessern, mit Massnahmen in der Gebäudehülle wie Erhöhung der Dichtigkeit, Einbau von Fenstern mit Dreifachverglasung, Anbringen einer Dämmung oder einer Kombination aus mehreren dieser Massnahmen.

Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt neben der Gebäude­hülle ist die Gebäudetechnik, also die Frage, wie das Gebäude mit Energie versorgt wird. Auch hier sind zwar Massnahmen zur Steigerung der Effizienz nötig, aber bei Weitem nicht ausreichend. Ein neuer, sparsamer Gaskessel mit Brennwerttechnik reduziert die Treibhausgas­emissionen im Vergleich zu einem 30 Jahre alten Ölkessel. Jedoch werden nach wie vor fossile Energieträger verbrannt und dadurch klimaschädliche Stoffe freigesetzt.

Es müssen also Techniken eingesetzt werden, die voll­ständig auf erneuer­baren Energieträgern basieren und somit keine Treibhausgase emittieren. Techniken, die Biomasse als Energieträger nutzen, sind vielversprechend. Im Hinblick jedoch nicht nur auf die klimaneutrale Nutzung der Energieträger, sondern auch auf die nachhaltige Erzeugung der Energie bietet die Solar­energie zusätzliche Vorteile zur Energieversorgung von Gebäuden. Beispielsweise entstehen bei der Nutzung von Solarenergie keine unerwünschten Nebenprodukte wie Stickoxide oder Feinstaub.

Solarenergie-Konzepte

Im Bereich der Wohngebäude gibt es derzeit einige Lösungen zur solaren Energieversorgung. Eine Vielzahl dieser Lösungen nutzt bereits Sonnenenergie, entweder thermisch über Sonnenkollektoren oder elektrisch über Photovoltaikmodule. Ergänzt wird dies durch eine weitere Energiequelle wie beispielsweise Biomasse in Form von Holz oder Holzpellets oder fossile Energieträger wie Gas oder Öl.

Das Konzept des sogenannten Solaraktivhauses ist ein Konzept zur Wärmeversorgung von Gebäuden, das diesen solaren Ansatz konsequent in die Praxis umsetzt: Ein solches Haus deckt seinen Wärmeverbrauch typischerweise zu 60% bis 70%, jedoch mindestens zu 50% mit thermischer Solar­energie. Damit wird mehr als die Hälfte des Energiebedarfs zur Beheizung des Gebäudes und zur Trinkwassererwärmung über eine thermische Solaranlage gedeckt. Es wird also nicht die konventionelle Heizung durch Solarthermie unterstützt, sondern eine Solarheizung wird von einer konventionellen Heizung unterstützt.

Dazu ist eine vergleichsweise grosse Kollektorfläche auf dem Süddach in Verbindung mit einem grossen Warmwasserspeicher nötig. Weiterhin sind ein sehr guter Dämmstandard, ein Niedertemperaturheizsystem, die Nutzung passiver solarer Gewinne beispielsweise durch grosse Fensterflächen in der Südfassade sowie die Minimierung von Lüftungs-Wärmeverlusten wichtig (Bild 1).

In einem vom deutschen Ministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben wurde ein umfangreiches Monitoring von neun über ganz Deutschland verteilten Solaraktivhäusern durchgeführt. Das Forschungsprojekt zeigte, dass die sowohl als Einfamilienhäuser wie auch als Mehrfamilienhäuser realisierten Solaraktivhäuser einerseits zuverlässig funktionieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele leisten. Andererseits wurde jedoch auch klar, dass der Nutzer sowie die mehr oder weniger konsequente Ausnutzung der winterlichen Einstrahlung die Effizienz des Gesamtsystems massgeblich beeinflussen können. Weiter kann der grosse, im Gebäude aufgestellte Warmwasserspeicher, wenn dieser nur unzureichend wärmegedämmt ist, im Sommer zu überhöhten Raumtemperaturen führen. Grundsätzlich bieten solche Häuser jedoch einen hohen Wohnkomfort und spielen aufgrund von hochwertigen und nachhaltigen Baustoffen im Bereich gesundes Wohnen eine wichtige Rolle.

Innerhalb des Forschungsprojekts wurden ebenfalls detaillierte Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Diese zeigen bei den aktuellen Fördermöglichkeiten in Deutschland einen nur geringen Mehrpreis eines Solaraktivhauses im Vergleich zu einem konventionell beheizten Gebäude. Der Mehrpreis beläuft sich auf etwa 2 bis 3 € je Quadratmeter Nutzfläche und Jahr. Allerdings liegt dieser Berechnung der zurzeit vergleichsweise günstige Preis für den fossilen Energieträger Erdgas zugrunde, dessen Entwicklung über die Lebenszeit eines Gebäudes nicht kalkulierbar ist.

Wird das Konzept des Solaraktivhauses konsequent weitergedacht, wird das Gebäude zum Solaraktivhausplus (Bild 2). Mit zusätzlicher Anlagentechnik wie einer Photovoltaikanlage und Wärmepumpe wird nicht nur der Wärme-, sondern auch der Stromverbrauch in einem Gebäude zu mehr als der Hälfte von der Sonne gedeckt. Allerdings muss das Zusammenspiel aller Komponenten von einer intelligenten Regelung genau abgestimmt werden. Beispielsweise muss verhindert werden, dass die Wärmepumpe zu Zeiten betrieben wird, während deren die Photovoltaikanlage keinen Strom liefert, damit kein Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen werden muss. Auch sollte der Solar­thermie ein Betriebsvorrecht eingeräumt werden, da diese keine weitere externe Energie (ausser der für die Umwälzpumpen) zur Wärmeerzeugung benötigt. Werden alle Technologien im Solar­aktivhausplus intelligent aufeinander abgestimmt und effizient betrieben, ergeben sich signifikante Einsparungen von Treibhausgasen.

Eine weitere innovative Wärme­versorgung von Mehrfamilienhäusern ist das sogenannte 1-zu-10-Konzept. Dieses Konzept basiert auf einer Kombination aus Solarthermie und Geothermie in Verbindung mit Wärme­speicherung. Dieses Wärme­versorgungs­konzept stellt beim Einsatz einer Kilowatt­stunde elektrischer Energie zehn Kilowatt­stunden Wärme für Raumheizung und Trinkwassererwärmung bereit. Durch diese extrem hohe Systemjahresarbeitszahl von 10 ergeben sich sehr grosse End- und Primärenergieeinsparungen.

Das 1-zu-10-Wärmeversorgungskonzept (Bild 3) sieht vor, dass zirka 50% des jährlichen Wärmebedarfs für Raumheizung und Trinkwarmwasser direkt solar­thermisch erzeugt werden. Weitere 40% werden durch oberflächennahe Geothermie bereitgestellt, wofür ergänzende 10% elektrische Energie zum Antrieb einer Kompressions­wärmepumpe benötigt werden. Durch die Technologienwahl ist das 1-zu-10-Wärme­versorgungs­konzept lokal vollständig emissionsfrei und wartungsarm. Zudem wird für den Betrieb keine weitere Infrastruktur wie Gas- oder Wärmenetze, sondern nur ein Strom­anschluss benötigt. Insbesondere deshalb eignet sich das 1-zu-10-Konzept auch sehr gut für ein Wärme­contracting.

Die hohe Effizienz des Gesamtsystems lässt sich durch eine intelligente Kombination und Regelung der verwendeten Technologien sowie den Einsatz effizienter Schlüsselkomponenten erreichen. Für die thermische Solaranlage kommen hocheffiziente Vakuum-Röhren- oder Vakuum-Flachkollektoren zum Einsatz. Diese werden unter einem steilen Anstellwinkel von zirka 60° installiert. Die zentrale Komponente des 1-zu-10-Systems ist ein idealerweise vakuum-wärmegedämmter Warmwasserspeicher. Aufgrund seiner bis zu 10-fach geringeren Wärmeverluste im Vergleich zu herkömmlich gedämmten Warmwasserspeichern kann dieser Speicher auch aussen aufgestellt werden.

Als Wärmequelle für die Wärmepumpe werden schlanke, spiralförmige Erdwärmekörbe, sogenannte Helix-Sonden, verwendet. Im Gegensatz zu Bohrungen für klassische Erdwärmesonden ist die Installation von Helix-Sonden relativ kostengünstig und lässt kaum hydrogeologische Probleme erwarten. Im Sommer kann das Helix-Sondenfeld durch Umkehrung der Durchströmungs­richtung durch überschüssige Solarwärme aus dem Warmwasserspeicher regeneriert werden. Damit wird das Erdreich einerseits nicht ausgekühlt und es steht immer die notwendige Wärme für die Wärmepumpe zur Verfügung. Andererseits hat dies den positiven Zusatzeffekt, dass die Stagnationszeiten der solarthermischen Anlage reduziert werden.

Ebenfalls grosse Auswirkungen auf die Effizienz des 1-zu-10-Systems haben die Wahl des Heizungstyps und die Auslegung des Wärmeverteilsystems. Für eine möglichst effiziente Nutzung der regenerativen Energiequellen sollten Flächenheizungen realisiert werden, die mit einer maximalen Vorlauftemperatur von zirka 35 °C betrieben werden. Die Trinkwassererwärmung erfolgt dezentral mit Wohnungsübergabestationen. Damit kann die Legionellenproblematik umgangen und die Vorlauftemperatur im Gebäude niedrig gehalten werden. Zudem entfällt die Zirkulationsleitung, die für einen grossen Teil der thermischen Verluste verantwortlich ist.

Solare Wärme für Quartiere

Eine weitere Variante der solaren Wärmeversorgung von Gebäuden ist die solare Fernwärme, bei der ein ganzes Quartier über ein Fernwärmenetz mit Wärme versorgt wird. Dieses Fernwärmenetz wird mit der Energie von einer grossen thermischen Solaranlage und in der Regel von ein oder zwei weiteren Wärmeerzeugern gespeist. Zur Erhöhung des solaren Anteils an der Wärmeversorgung des Quartiers wird ein grosser, saisonaler Wärmespeicher integriert.

In Crailsheim ist die deutschlandweit grösste solare Nahwärmeanlage mit saisonaler Wärmespeicherung in Betrieb. Die Hauptkomponenten der Anlage sind Flachkollektoren mit einer Gesamtfläche von 7410 m2, ein Erdsondenfeld als saisonaler Wärmespeicher mit einem erschlossenen Erdreichvolumen von rund 39000 m3, zwei Warmwasser-Pufferspeicher mit 100 m3 und 480 m3 Wasservolumen sowie eine Wärmepumpe mit einer elektrischen Anschlussleistung von 80 kW. Die Zusatzheizung erfolgt durch Fernwärme, die von einem benachbarten Heizkraftwerk zur Verfügung gestellt wird. Es werden derzeit zirka 350 Wohneinheiten des angeschlossenen Wohngebietes sowie eine Schule und eine Sporthalle mit Wärme für die Raumheizung und Trinkwasser­erwärmung versorgt. Um Stagnation der Sonnenkollektoren zu vermeiden, existiert die Möglichkeit, solar erzeugte Wärme in das benachbarte Fernwärmenetz zu übertragen.

Obwohl der Wärmeverbrauch des Wohngebiets durch weitere Bebauung nahezu doppelt so hoch liegt wie geplant, beläuft sich der solare Anteil an der Wärmeversorgung des Wohngebiets auf über 27%. Derzeit wird an einer Erweiterung der Anlage geplant, um einen solaren Deckungsanteil von 50% zu erreichen.

Es gibt also diverse Möglichkeiten, eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung von Gebäuden zu realisieren und damit einer der wichtig­s­ten Bausteine der Energiewende zu werden. Die vielversprechendsten Konzepte basieren alle auf thermischer Solarenergie in Verbindung mit weiteren erneuerbaren Technologien wie Photovoltaik und Biomasse. Damit sind auch im Gebäudebereich signifikante Beiträge zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen realisierbar.

Autor
Dominik Bestenlehner

ist Arbeitsgruppenleiter Solare Nahwärme und Gebäude am Forschungs- und Testzentrum (TZS) für Solaranlagen am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart.

  • Universität Stuttgart, DE-70550 Stuttgart

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