Fachartikel Energieeffizienz , Gebäudeautomation

Smart Metering mit IoT-Funktechnologien

Digitalisierung

26.07.2017

Schweizer Energieversorgungsunternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, welche Einsatzmöglichkeiten ihnen das Internet der Dinge (IoT) in Zukunft bietet. Eine Zertifikatsarbeit im Rahmen des CAS «EVU-Manager» an der Universität St. Gallen beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit IoT-Funktechnologien auch im Bereich des Smart Metering sinnvoll genutzt werden können.

Das IoT-Umfeld in der Schweiz ist dynamisch und wird insbesondere durch IT-Unternehmen und Mobilfunkbetreiber vorangetrieben. Durch den Eintritt der Swisscom im Jahr 2016 und deren Angebot, das IoT-Netzwerk auch für Smart Meter einzusetzen, ist beispielsweise die Nachfrage in diesem Bereich deutlich angestiegen. Energieversorgungsunternehmen wollen diese neuen IoT-Plattformen für das Fernablesen von Smart Meter – kommunikative statische Strom-, Gas-, Wärme- und Wasserzähler – sowie für neue Geschäftsfelder nutzen.

Klassische Smart-Metering-Lösungen werden folglich zunehmend hinterfragt. Die in der Schweiz am meisten eingesetzten Fernablesesysteme verwenden das über Kupferkabel drahtgebundene Power-Line-System (PLC). Künftig sollen drahtgebundene durch drahtlose Systeme ersetzt werden, welche einen viel kleineren Installations- und Instandhaltungsaufwand zur Folge haben. Im ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 des Bundes ist der Rollout von Smart Metern beschlossen und muss umgesetzt werden.

Unterschiedliche IoT-Funktechnologien

Im aktuellen globalen Umfeld sind drei wichtige IoT-Funktechnologien im Einsatz, welche die Marktführerschaft anstreben:

  • Die Lora-Allianz wurde von verschiedenen Industrieunternehmen aus den USA gegründet mit dem Ziel, das Low Power Wide Area Network (LPWAN) zu standardisieren und die Bereiche Smart Cities und industrielle Applikationen weiter zu entwickeln.[1] Dies soll dem proprietären Lora-Protokoll helfen, sich als einheitlicher globaler Standard zu etablieren. Das Lora-Funkprotokoll wird im nicht-lizenzierten Bereich betrieben.
  • Mit dem LPWAN der Firma Sigfox wird die Funkfrequenz von 868 MHz verwendet. Dies ist praktisch dieselbe Frequenz, welche für den europäischen Standard Wireless M-Bus verwendet wird.[2] Die Sigfox-Technologie entspricht keinem internationalen Standard; die Schweiz ist aktuell noch nicht flächendeckend erschlossen.
  • Das Narrow Band IoT (NB-IoT) ist ebenso eine LPWAN-Technologie, welche in etablierten Märkten bereits im Einsatz ist.[3] Das NB-IoT ist ein offizieller globaler Standard, der von der 3GPP-Organisation (3rd Generation Partnership Project) entwickelt wurde. Diese neue NB-IoT-Funktechnologie wurde speziell für IoT entwickelt und wird von verschiedenen globalen Mobilfunk-Betreibern unterstützt.

Die zu übertragenden Datenmengen mit der Lora- und der Sigfox-Funktechnik sind relativ klein und eignen sich daher kaum zur Übertragung der Daten von Stromzählern; hierfür hat das NB-IoT bessere Voraussetzungen. Die Swisscom, welche bereits ein Lora-Netzwerk installiert hat, wird in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle einnehmen. Es ist zu er-warten, dass im Jahr 2018 das NB-IoT durch die Swisscom eingeführt wird. Derzeit ist jedoch nicht absehbar, welche IoT-Funktechnologien sich letztlich durchsetzen werden.

Die Zukunft in der Gasversorgung

Auch für Gasversorger, die bis dato ihre Zähler meist nur manuell ablesen, eignen sich die neuen IoT-Funktechnologien. Bei der Fernauslesung von Gaszählern, bei denen nur kleine Datenmengen zu übertragen sind, werden gute Resultate im Bereich der Gebäudedurchdringung erzielt. Für diese Anwendung bietet die Lora-Funktechnik zur Ablesung über ein Netzwerk eine Alternative. Zu bedenken ist jedoch, dass der Schritt von der manuellen Ablesung direkt auf ein Netzwerk gross ist. Hierfür erscheint es sinnvoller, zuerst mit einem Walk-by- oder Drive-by-System zu starten. Die aktuell eingesetzten Balgen-Gaszähler können nachträglich mit einem Funkmodul versehen werden. Besser wäre jedoch, auch hier schon statische Gaszähler mit einem integrierten Funkmodul einzusetzen.

Ausblick in der Wasserversorgung

Viele Wasserversorger lesen Wasserzähler nur einmal pro Jahr manuell ab oder erhalten die Verbrauchsstände postalisch vom Konsumenten übermittelt. Seit der Einführung von statischen Wasserzählern ist jedoch ein Umdenken im Gang: Walk-by- oder Drive-by-Systeme auf der Basis von Wireless M-Bus sind vermehrt im Einsatz. Somit können – neben dem aktuellen Zählerstand – Daten zur Wasser- und Umgebungstemperatur, maximale Durchflüsse sowie Lastprofile (bis zu 460 Tage) erfasst werden. Anstelle der Wireless-M-Bus-Kommunikation könnten ebenso IoT-Funktechnologien verwendet werden. Für diese gibt es bis dato keine Walk-by- oder Drive-by-Lösungen, sondern nur Applikationen über Netzwerke.

Hier wäre es denkbar, dass die Lora-Funktechnik zur Anwendung kommt – der Wasserversorger kann selbst ein Netzwerk aufbauen oder den Service der Swisscom nutzen. Aktuell werden jedoch moderne statische Zähler meist nur mit Wireless M-Bus angeboten. Wasserzähler mit Lora-Funkmodulen sind nur für bestehende mechanische Zähler verfügbar. Ob es sinnvoll ist, alte, lediglich den Stand erfassende Zähler mit einem Lora-Funkmodul auszurüsten, ist zumindest zu hinterfragen.

Wasserversorger werden Daten künftig nicht nur zur Verbrauchsabrechnung, sondern auch zur Optimierung ihres Netzes und zur Reduktion von Wasserverlusten verwenden. Interessante Möglichkeiten wie beispielsweise die Überwachung der Hydranten sind ebenfalls naheliegend. Derzeit gibt es hierfür nur proprietäre Leckortungssysteme von verschiedenen Liefe-ranten. Für diese Anwendung könnten IoT-Funktechnologien sinnvoll genutzt werden, um mit einem Netzwerk beispielsweise Trübungen oder chemische Verschmutzungen des Wassers zu erfassen.

Zukunftspotenzial in der Fernwärme

Da praktisch alle Fernwärmeversorgungen über ein kabelgebundenes M-Bus-Netzwerk verfügen, ist der Einsatz bei beste-henden Installationen mit den IoT-Funktechnologien nicht sehr zweckmässig. Falls neue Fernwärmegebiete erschlossen wer-den, stehen Lora- oder auch Wireless-M-Bus-Netzwerke als praktikable Alternativen zur Verfügung. Längerfristig könnten derartige Funknetzwerke die aktuell eingesetzten kabelgebundenen M-Bus-Lösungen ergänzen beziehungsweise ersetzen. Zusätzliche Dienstleistungen bieten sich durch die Erfassung von Leckagen. So hätte die Gebäudeversicherung beispielsweise die Option, Versicherungsprämien anzupassen, da bei Alarmfunktionen mögliche Wasserschäden vermieden oder verringert werden könnten.

Alternative zu PLC-Systemen im Strombereich

Für Stromversorger können die IoT-Funktechnologien eine ernsthafte Alternative zu den aktuell im Markt angebotenen PLC-Fernablesesystemen sein. IoT wird zwangsläufig nur mit Funk arbeiten, da kabelgebundene Lösungen nicht praktikabel anwendbar sind. Falls ein Stromversorger seine Smart Meter mit einer IoT-Funktechnologie auslesen will, stellt sich die Frage nach Datenmengen (beispielsweise 15-Minuten-Werte auch für Haushaltskunden), deren zeitnaher Übermittlung sowie des Lasten-Managements von Boilern und Photovoltaikanlagen. Zudem müssen Uploads von neuer Firmware auf die Smart Meter bewerkstelligt werden können. Es scheint, dass von den aktuell verfügbaren IoT-Funktechnologien nur das NB-IoT diesen hohen Anforderungen gerecht wird.

Spartenübergreifender Trend

Für Querverbundunternehmen gilt es herauszufinden, ob mit den IoT-Funktechnologien alle Sparten abgedeckt werden können. Es ist technisch machbar, dass Gas-, Wärme- und Wasserzähler mit den neuen Funktechnologien abgelesen werden können. Falls ein Querverbundunternehmen Stromzähler mit einer IoT-Funktechnologie auslesen will, stellt sich insbesondere die Frage nach Datenmengen und Übertragungsgeschwindigkeiten. Mit den aktuell verfügbaren IoT-Funktechnologien ist nur das NB-IoT für die gesamten Anforderungen geeignet. Für unabhängige neue Geschäftsfelder – wie beispielsweise das Parkplatz- und Abfall-Management oder Ladestationen für E-Mobility – kann Lora jedoch ebenfalls eine sinnvolle Alternative sein.

Neue Einsatzmöglichkeiten

Auf die Energieversorgungsunternehmen warten somit Chancen, IoT-Technologien sinnvoll einzusetzen: Neben der Fernablesung von Smart Metern können sie auf weitere Geschäftsfelder ausgedehnt werden. Städte und Gemeindeverwaltungen können mit Hilfe von IoT-Sensoren die Steuerung der Strassenbeleuchtung optimieren. Ebenso sind Anwendungen für die Entsorgung schon weit verbreitet – so lassen sich zum Beispiel durch Füllstandsanzeigen gezielte Entleerungsrouten planen. Im Bereich des Parkplatz-Managements sind Anwendungen ebenfalls bereits erfolgreich durchgeführt worden.

Der aktuelle und zukünftige Einsatz von Applikationen scheint sehr grosses Potenzial zu haben. Hier gilt es jedoch auch, Datensicherheitsaspekte zu betrachten. Aktuelle Smart-Metering-Lösungen verwenden meist eine sehr aufwendige Verschlüsselungstechnik. Die dynamische Entwicklung im IoT-Bereich macht es schwierig abzuschätzen, welche Funkstandards sich am Ende durchsetzen werden. Eine fokussierte Beurteilung der verschiedenen Potenziale ist wichtig. Zudem ist zu beachten, dass je nach Versorgungssparte eine unterschiedlich passende Funkkommunikation einzusetzen ist. Für Energieversorgungsunternehmen, welche nur für ein Medium verantwortlich sind, können IoT-Funkkommunikationen sowie Wireless-M-Bus-Lösungen einwandfrei eingesetzt werden.

Referenzen

[1] www.lora-alliance.org
[2] www.sigfox.com
[3] www.3gpp.org

Dieser Artikel basiert auf einer Zertifikatsarbeit an der Universität St.Gallen, welche im Rahmen des CAS Management von Energieversorgungsunternehmen («EVU-Manager») eingereicht worden ist. Er fasst ausgewählte Aspekte der Arbeit zusammen. Dr. Christian Opitz von der Universität St.Gallen (christian.opitz@unisg.ch) fungierte als Referent dieser Arbeit.

 

Autor
Peter Bruggmann

ist Geschäftsführer von Kamstrup Schweiz A/S.

  • Kamstrup Schweiz A/S,
    8152 Glattbrugg

CAS «EVU-Manager» der Universität St.Gallen ab September

Die neunte Auflage des Zertifikatskurses (CAS) «EVU-Manager» startet im September. Der Lehrgang steht für eine praxisorientierte, auf die Bedürfnisse der Energiewirtschaft massgeschneiderte Management-Ausbildung mit Zertifikat der Universität St.Gallen. Er richtet sich an Führungskräfte von Versorgungs-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen sowie von Energiebehörden und -institutionen. Weiterführende Informationen sind unter www.evu-manager.ch oder beim Leiter des Programms, Dr. Christian Opitz, erhältlich.

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