Smart-Home-Tagung plädiert für Bedienkomfort
Tagung vom 21. März 2017 im Trafo Baden.
Über 300 Interessierte trafen sich am 21. März 2017 im Trafo Baden, um neuste Smart-Home-Trends kennenzulernen, Möglichkeiten der nachhaltigeren Energietechnik zu vergleichen und offenen Fragen bezüglich Komfort und Kontrolle aufzuspüren. Die Tagung wurde ergänzt durch eine Ausstellung mit Smart-Home- und Elektromobilitätsprodukten. Smart wird es erst, wenn alle Involvierten interdisziplinär zusammenarbeiten, was auch dadurch unterstrichen wurde, dass hinter der Tagung vier Verbände stehen: Electrosuisse, GNI, VSEI und VSRT.
In der ersten Key Note befasste sich Ludwig Hasler mit der Rolle des Menschen in einer Welt, in der die Dinge immer intelligenter und «erwachsener» werden. Seine provokante Frage: «Werden wir zu Haustieren von Algorithmen?» Er skizzierte drei mögliche Reaktionen auf die wachsende Intelligenz der Dinge und der Roboter: die Symbiose zwischen Mensch und Maschine, die Entstehung neuer Jobs (die Roboter bauen sich ja nicht selbst) und die Hoffnung, dass uns die Maschinen endlich die Arbeit abnehmen. Es sind aber nicht die Handwerker, die abgelöst werden, sondern die Jobs mit höherer Ausbildung, denn die Intelligenz kann nun künstlich erzeugt werden. Um eine Coiffeuse kommt man nicht herum, aber Dr. Watson kann die Diagnosen bald genauer stellen als der menschliche Arzt.
Der Kunde soll König sein
An der Tagung stand oft die Kundenperspektive im Mittelpunkt. In seinem Vortrag machte Olivier Steiger, Dozent für Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern, klar, dass die Benutzerschnittstellen für die Akzeptanz einer Technologie entscheidend sind. «Innovativ» alleine genügt nicht, denn Anwender schwenken schnell auf traditionelle Möglichkeiten wie Fernsteuerungen um, sollte sich die smarte Lösung als weniger benutzerfreundlich erweisen. Die konventionelle Konkurrenz ist gross und bewährt.
Mit Beispielen illustrierte Olivier Steiger, dass Gewohntes, wie die Positionierung von Schaltelementen, beibehalten werden soll und dass die Bedienung ohne Handbuch oder Physik-Studium möglich sein sollte. Sonst verspielt man die Akzeptanz. Die Hoheit ist auch wichtig: Wenn der Nutzer keine Kontrolle über die smarte Technologie hat, greift er manchmal zu weniger eleganten Lösungen – wie dem Zukleben von automatisch gesteuerten Lüftungsöffnungen. Das Erreichen energetischer Ziele wird dann durch das Öffnen von Fenstern verunmöglicht.
Dass es praxistaugliche Lösungen gibt, die in Überbauungen realisiert wurden, erläuterte David Bleiker, CEO von Smart Place. Er zeigte den Nutzen auf, u.a. die bessere Vermarktung der Immobilien und eine höhere Bewertung der Gebäude durch Banken, die normale Elektroinstallationen gering bewerten.
Energie selbst gemacht
Nebst Komfortfragen wurden auch Energiethemen behandelt, die durch die sinkenden Preise bei Solaranlagen an Relevanz gewinnen. Bettina Furrer, die Leiterin des Instituts für Nachhaltige Entwicklung der ZHAW, ging auf Smart Home als Energieeffizienz-Massnahme der Energiestrategie 2015 ein. Diverse Gebiete treffen hier aufeinander – ICT, die Elektroinstallations- und die Gesundheitsbranche. Diese sind nun gefordert, eine gemeinsame Sprache zu finden. Forscher kämpfen hier mit ungenügenden Messdatensammlungen in sehr heterogenen Formaten.
Christian Frei, Leiter Beratung und Engineering bei Electrosuisse, erläuterte, wie sich der Eigenverbrauch in einem Einfamilienhaus erhöhen lässt, indem der Wasserboiler oder die Wärmepumpe am Tag statt in der Nacht eingeschaltet wird. Der Import von Energie wurde in seinem konkreten Beispiel um rund 80 % reduziert. Das Heizöl entfiel komplett nach der Umstellung auf eine Wärmepumpe.
Emotionen zeigen und nutzen
Ein Improvisationstheater lockerte den Rahmen auf und setzte das Gehörte auf humorvolle Weise um. Dann stellte Roland Hänggi, IBM, in der zweiten Key Note des Tages die kognitive Seite des Smart Home vor. Das künftige Heim soll selbst erkennen, wer sich in welchem Raum befindet, und soll das Licht automatisch den persönlichen Präferenzen entsprechend einstellen. Dies hat auch den Vorteil, dass das Licht nur da leuchtet, wo es benötigt wird. Wenn niemand zuhause ist, kann alles automatisch abgestellt werden. Aber auch die emotionale Seite soll ausgewertet werden können: Eine Stimmenanalyse zeigt, ob der zu Hause Angekommene gestresst ist, und kann entsprechend reagieren.
Abgerundet wurde die Tagung durch Sicherheitsüberlegungen (Datenschutz, Antivirensoftware, Firewalls usw.) und durch Erläuterungen zum Mehrwert einer Vernetzung von Haushaltsgeräten. Bei gewissen Produkten ist auch nach Jahren eine Nachrüstung der Netzwerkfähigkeit möglich. Diese ermöglicht dem Servicetechniker eine Ferndiagnose: Er erkennt schon im Büro oder unterwegs auf dem Tablet, dass man einfach vergessen hatte, den Wasserhahn bei der Waschmaschine zu öffnen, und spart sich die Reise.
Auf die Rolle des Lichts ging der abschliessende Vortrag von Jara Arfi ein. Eingebettet wurde dies in den wachsenden globalen Smart-Home-Markt sowie in die durch Apps steuerbaren Anwendungsbereiche Energie/Klima, Sicherheit, Entertainment und Wohlfühlen.
Electrosuisse ITG-Kommentar
«Ich bin von der Tagung begeistert. Smart Home hat nun den Tipping Point auch bei der Breitenanwendung erreicht. Die Teilnehmenden können sich mit Trends und Produkten vertraut machen, um bei ihren Kunden Vertrauen wecken zu können. Die Voraussetzung für einen breiten Einsatz ist Zuverlässigkeit, Funktionalität – was meist Komfort bedeutet – und Sicherheit. Zudem entstehen neue Ökosysteme, bei denen Stromerzeugung und Stromverbrauch aufeinander abgestimmt werden.»
Dr. Thomas Wettstein ist CEO von Avectris AG, Baden, und Präsident der Informationstechnischen Gesellschaft von Electrosuisse.
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