Sicherer, flexibler und effizienter
Revision Wasserkraftwerk Hopflauenen
Das Kraftwerk Hopflauenen wird während zweier Jahre gründlich revidiert. Dabei werden nicht nur zwei Peltonturbinen erneuert, sondern sie werden auch mit neuen Einläufen ausgestattet. Ein neuer elektronischer Turbinenregler ermöglicht es, mit den beiden Trift-Maschinen künftig Primärregelleistung anzubieten.
Das Kraftwerk Hopflauenen wurde in den 1960er-Jahren gebaut und bestand zuerst aus zwei Maschinen, der Trift- und der Leimboden-Maschine. 1974 kam eine zweite Trift-Maschine hinzu. Die Substanz des Kraftwerks entspricht in weiten Teilen dem Originalzustand. Von 2000 bis 2002 wurden die leittechnischen Anlagen erneuert und komplett automatisiert. 2013 wurde zunächst die Leimboden-Maschine einer Revision unterzogen. Nun läuft seit April 2022 das Projekt Retrofit Hopflauenen, das heisst, eine erweiterte Generalrevision der zwei Trift-Maschinen mit je 45 MW mechanischer Leistung.
Die Ziele der Revision:
- Höhere Sicherheit für das Personal
- Geringere Anlagerisiken
- Hohe Verfügbarkeit des Kraftwerks, zuverlässige Stromproduktion
- Höhere Erträge dank Wirkungsgradsteigerung
- Anlage für die Primärreglung nutzen, also zur Stabilisierung des Stromnetzes.
Das Projekt soll so wirtschaftlich und so nachhaltig wie möglich sein. Komponenten, die noch eine Restlebensdauer haben, sollen so lange wie möglich weiterbetrieben werden. Zudem sind bei den Investitionen Kosten und Nutzen aufeinander abgestimmt. In einem Vorprojekt ab April 2021 stellten die Fachleute der KWO dies sicher, indem sie einzelne Komponenten des Kraftwerks analysierten und deren Restlebensdauer bestimmten. Zudem wurden Massnahmen evaluiert, um ihre Lebensdauer zu verlängern.
Turbinen vollständig erneuern
Die beiden Trift-Maschinen im Kraftwerk Hopflauenen sind horizontale Peltonturbinen mit je zwei Laufrädern. Die Laufräder der älteren Trift-Maschine sind über fünfzig Jahre alt und müssen ersetzt werden, da das Material Ermüdungserscheinungen zeigt. Bereits jetzt sind sie in der Instandhaltung aufwendiger, weil beide Räder in kürzeren Intervallen auf Risse überprüft werden müssen. Zudem hat sich bei einer genauen Analyse gezeigt, dass die Geometrie der Laufräder nicht optimal ist. Mit Modellversuchen wurde die beste Geometrie evaluiert. Der Wirkungsgrad der Maschine kann dadurch über den ganzen Leistungsbereich deutlich verbessert werden.
Im Retrofit werden nun die Turbinen der Maschinen komplett erneuert: Die beiden Einläufe werden neu konstruiert und gefertigt und der mechanische Turbinenregler wird ersetzt. Die Fertigung der Einläufe erfolgt grösstenteils in der KWO-Werkstatt.
Energiekrise lässt Preise und Lieferfristen steigen
Damit das Timing am Schluss stimmt und die KWO beide Laufräder im Winter 2023/2024 ersetzen kann, hat sie die Laufradrohlinge schon in Auftrag gegeben. Ein Rohling wiegt 66 t. Da ihre Herstellung energieintensiv ist, haben sich die höheren Energiepreise auf die Beschaffung der Laufräder ausgewirkt. Einerseits waren die Angebote jeweils nur eine Woche gültig, andererseits schossen auch die Kosten aufgrund der Energieknappheit in die Höhe. In anderthalb Jahren hat sich der Preis der Rohlinge verdoppelt
Neue Technik für die Stromnetzstabilisierung
Der Nadelservo, der im Einlauftorpedo mit den Düsennadeln die Turbinendrehzahl bestimmt, bis die Maschine mit dem Netz synchronisiert ist, ist ein doppelwirkender ölhydraulischer Zylinder, der zusätzlich mit Federn ausgestattet ist. Die Federn linearisieren die Kräfte, die zum Öffnen und Schliessen der Nadeln benötigt werden. Für die beiden Ablenker wird ein kombinierter Öl-Wasser-Zylinder genutzt, der durch den Wasserdruck aus der Druckleitung jederzeit schliessen kann. Die Düsennadeln werden für eine längere Lebensdauer mit Wolframkarbid beschichtet.
Der neue Nadelservo wird mit höherem Druck (180 bar) betrieben. Dadurch sind die Einlauftorpedos deutlich kleiner, was die Strömungsverluste in den Turbinen reduziert. Das neue Aggregat wurde von den KWO-Hydromechanikern konstruiert.
Zudem wird der alte mechanische Turbinenregler durch einen neuen elektronischen Turbinenregler ersetzt, um mit den beiden Trift-Maschinen künftig Primärregelleistung anbieten sowie an einem Inselnetzbetrieb teilnehmen zu können. Ersteres dient der Stabilisierung des Stromnetzes mittels Regelung der Netzfrequenz, Letzteres dient dem Wiederaufbau des Stromnetzes, falls es zu grösseren Ausfällen kommt. Der neue Turbinenregler wurde mit einer CP-8050 aus der Sicam A8000er-Serie von Siemens realisiert. Das Programm ist eine Eigenentwicklung der KWO und wird bereits erfolgreich eingesetzt.
Elektrotechnik wirtschaftlich revidieren
Für die beiden Generatoren der Trift-Maschinen sind unterschiedliche Arbeiten geplant. Der Generator der älteren Maschine 2 wurde bereits 2013 revidiert: Der Stator wurde getrennt und eine Neuverkeilung wurde durchgeführt. Auch die Wickelköpfe wurden damals revidiert, der Stator wurde mit CO2 gereinigt. Maschine 2 wird deshalb jetzt nur gereinigt. Bei Maschine 1 hingegen werden 2023 alle Arbeiten durchgeführt, die bei Maschine 2 bereits vor neun Jahren gemacht wurden. Ausserdem werden die Erregermaschinen im Werk revidiert. Das neue Erregersystem (Thyne 400) kommt von Andritz Hydro AG und wird durch die KWO vor Ort in Betrieb gesetzt.
In der 13,5-kV-Maschinenschaltanlage werden die alten Druckluftschalter mit neuen Vakuumleistungsschaltern vom Typ 3AH3817-7 von Siemens ersetzt. Zusätzlich werden neue Trenner installiert und der Berührungsschutz erhöht, um die Personensicherheit zu verbessern.
Die beiden Trafos des Kraftwerks, die die Spannung von 13 kV auf 150 kV transformieren, sind noch betriebstüchtig. Das haben die Diagnosemessung und die Isolierölanalyse ergeben. Zu den bestehenden, älteren Ölkühlern wird neu ein Ölabscheider mit Öldetektion eingebaut. Dies ermöglicht es, bei einem Schaden rechtzeitig zu reagieren und zu verhindern, dass Öl über das Kühlwasser in die Umwelt gelangt. Der Ölabscheider, eine grosse Wanne, wurde von der Baugruppe der KWO vor Ort gebaut. In ihm wird das Kühlwasser gesammelt und das Öl kann vom Wasser getrennt werden, bevor das saubere Wasser ins Ausgleichsbecken abgegeben wird. Mittels Öldetektor lässt sich allfälliges Öl auf der Wasseroberfläche schnell feststellen und es können entsprechende Massnahmen getroffen werden.
Bisher war das Kraftwerk Hopflauenen mit einer 48-V- und einer 220-V- Batterie ausgerüstet. Um das Handling der Ersatzzeile in Zukunft zu vereinfachen, setzt die KWO neu je zwei Mal 220-V-Batterien mit 470 Ah ein. Damit die ganze für alle sicherheitsrelevanten Aggregate und Steuerungen (Leistungsschalter, Notschlussventile usw.) benötigte Gleichspannungsverteilung nicht neu aufgebaut werden muss, werden die beiden 220-V-Gleichspannungen zusätzlich auf 48 V konvertiert, sodass im Kraftwerk auch ein redundant gespeistes 48-V-Gleichspannungsnetz zur Verfügung steht. Die Steuerschränke der Maschinen werden wie bisher mit 48 V und 220 V versorgt.
Neue Leittechnik für mehr Cyber-Sicherheit
Die bestehende Leit- und Schutztechnik ist über 20 Jahre alt und hat damit das Ende der Lebensdauer erreicht. Sie entspricht zudem nicht mehr den aktuellen Cybersicherheits-Standards. Deshalb wird die Leittechnik komplett ersetzt. Eingesetzt wird die CP-8050 und die CP-8031 von Siemens aus der Sicam-A8000er-Serie. Die CP-8050 und die CP-8031 sind zwar bezüglich Engineering und Aufbau identisch, unterscheiden sich aber in ihren Funktionsmöglichkeiten. So erlaubt es die CP-8031 zum Beispiel, nur eine Buslinie anzubinden. Deshalb wird die CP-8031 überall dort eingesetzt, wo eine einfache, kostengünstige Steuerung ausreicht. Die CP-8050 wird für komplexere Aufgaben eingesetzt oder auch, weil es die Anzahl der Hardwaresignale fordert. Diese Steuerungen sind ideal, um die Kraftwerke gegen Cyberangriffe zu schützen. Hierfür werden auch die integrierte Firewall und die rollenbasierte Zugriffssteuerung der Automatisierungseinheiten genutzt. Alle Steuerungen der A8000er-Serie kommunizieren mit einem zentralen Radiusserver. Die entsprechenden Fachpersonen können sich dadurch mit ihrem persönlichen Login auf der Steuerung anmelden und sich identifizieren.
Für den elektrischen Schutz werden Geräte der Siprotec-5-Familie eingesetzt, bei denen die User-Authentifizierung auch über den Radiusserver erfolgt. Beim Sammelschienenschutz der Maschinenschaltanlage wird zum ersten Mal der Prozessbus des IEC-61850-Protokolls eingesetzt. Die Stromwerte der einzelnen Felder werden dabei nicht mehr analog eingelesen, sondern über das Netzwerk als Sampled Values an den Sammelschienenschutz gesendet. Als Merging Unit dienen dabei die Generator- und Trafoschutzgeräte.
Auch die restliche Sekundärtechnik des Kraftwerks wird ersetzt. Erwähnenswert ist hier die neue Vibrationsüberwachung mit integriertem Monitoring. Das Monitoringsystem bringt einen grossen Mehrwert für die Instandhaltung und ermöglicht es, jederzeit hochwertige Zustandsanalysen zu erstellen und Interventionen zielgerichtet und bedarfsorientiert durchzuführen.
Kraftwerk Hopflauenen
Das Kraftwerk Hopflauenen ist eines von 13 Wasserkraftwerken der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO). Es befindet sich im Gadmental, etwa 5 km östlich von Innertkirchen Richtung Sustenpass. Da die KWO im Gadmental derzeit keine Stauseen betreibt, lässt sich das anfallende Wasser nicht speichern. Entsprechend ist das Kraftwerk Hopflauenen hauptsächlich ein Laufwasserkraftwerk. Zwei Drittel der Energieproduktion fallen in die kurze Spanne von Juni bis August, wenn gleichzeitig viel Energie aus neuen erneuerbaren Quellen vorhanden ist. Zusätzlich zum Laufwasser aus dem Gadmental kann Wasser aus dem Räterichsbodensee, der im Aaretal liegt, an die Trift turbiniert, bei der Wasserfassung Trift in einer unterirdischen Reservoirkammer gespeichert, durch Zulaufstollen und Druckschacht geführt und anschliessend im Kraftwerk Hopflauenen abgearbeitet werden. Von der anderen Talseite führt eine Zuleitung aus dem Ausgleichsbecken Leimboden Wasser einer separaten Turbine zu. Das Unterwasser aller Maschinen wird in das Ausgleichsbecken in Hopflauenen zurückgegeben. Die jährliche Energieproduktion des Kraftwerks beträgt durchschnittlich rund 250 GWh.
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