Sekundäre Regelleistung mit Wärmepumpen
Eine Machbarkeitsstudie
Kleine Wärmepumpen werden bereits im Regelleistungsmarkt eingesetzt. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun anhand eines Fallbeispiels auf, dass grosse Wärmepumpen, welche die Wärme für ein Fernwärmenetz bereitstellen, die technischen Bedingungen erfüllen, um dem Systemdienstleistungsmarkt beizutreten und damit auch einen Ertrag zu erwirtschaften.
Die zunehmende Fluktuation zwischen erzeugter und verbrauchter Leistung im Stromnetz durch das Wegfallen von herkömmlichen Kraftwerken (Bandenergie), zwang die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid, das Netz dynamischer an den Markt anzupassen. Die Regelleistung (RL) ist der Überbegriff für die Systemdienstleistungen, mit denen Swissgrid das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erzeugung mit drei zeitabhängigen Regelleistungsarten sicherstellt (Primär-, Sekundär- und Tertiär-Regelleistung). Diese Flexibilität wird mit dem Zu- oder Abschalten sowie Steuern von Lasten und Erzeugungseinheiten erreicht. Da Swissgrid auf diese Einstellbarkeit angewiesen ist, wird diese zur Verfügung gestellte Flexibilität mit einer wöchentlichen Vorhaltungsentschädigung belohnt, die auf dem RL-Markt ermittelt und von Swissgrid veröffentlicht wird. Die Flexibilität muss im Fall der Sekundärregelleistung (SRL) eine Woche zuvor vom jeweiligen Marktteilnehmer eingegeben werden. Der tatsächliche Energieabruf wird bei der Sekundärregelleistung zusätzlich mit einem vorteilhaften Strompreis vergütet.[1] Swissgrid versucht, durch eine Markterweiterung auf kleinere Anlagen die RL-Beschaffungskosten zu optimieren und die Marktkonzentration somit zu reduzieren. Daher wurden auch kleine Verbraucher wie Wärmepumpen (WP), Abwasserreinigungsanlagen oder Kehrichtverbrennungsanlagen zum RL-Markt zugelassen.[2, 3]
Die vorliegende Machbarkeitsstudie untersucht anhand eines Projekts der Energieverbund Neuhausen am Rheinfall AG (EVNH), ob Wärmepumpen, die Wärme für ein Fernwärmenetz bereitstellen, die technischen Bedingungen für einen Markteintritt erfüllen und einen Ertrag erwirtschaften können. Die Machbarkeitsstudie wurde von zwei Absolventen der ZHAW im Rahmen ihrer Bachelorarbeit im Frühlingssemester 2018 durchgeführt.
Die EVNH arbeitet aktuell an einem nachhaltigen Projekt
Die EVNH, eine Tochtergesellschaft der Elektrizitätswerke des Kantons Schaffhausen AG (EKS), baut ein Fernwärme- und Fernkältenetz (FWN) in der Gemeinde Neuhausen am Rheinfall (siehe www.evnh.ch). Das FWN des SIG-Areals wird an das neue FWN angeschlossen und das Wärmenetz Herbstäcker wird in dieses neue FWN integriert. Anstelle der fossilen Wärmeerzeugung mit Gaskesseln wird neu mit vier WP dem Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage Röti die Wärme entzogen und auf nutzbares Temperaturniveau gebracht. Die Gaskessel werden nur noch für die Spitzenlast im Winter zugeschaltet. Die vier WP werden je 1,5 MW thermische Leistung liefern. Für das Lastspitzenmanagement werden zusätzlich zwei Wärmespeicher und ein Gaskessel installiert.
Die vorliegende Machbarkeitsstudie untersuchte die technische und wirtschaftliche Eignung dreier der insgesamt vier WP für das SRL-Angebot.
Die Wärmepumpen und das thermische Konzept
Der Betrieb von WP hängt jeweils von der Aussentemperatur und der Abwassertemperatur ab, welche wiederum von den Wetterbedingungen abhängig ist. Diese starke Wetterabhängigkeit wurde in der vorliegenden Machbarkeitsstudie in fünf Temperatur-Betriebsfällen zusammengefasst, um die Unterschiede in der Flexibilität der WP zu erheben. Für jeden der fünf Betriebsfälle wurden die nominale thermische Leistung und der COP (Coefficient of Performance) der WP sowie die maximale thermische Flexibilität mit der Software des Verdichterherstellers berechnet.
Die fehlende oder überschüssige thermische Energie während eines RL-Abrufs würde mit einem der zwei Speicher kompensiert. Dies bedeutet, dass, wenn die WP runterfährt, der zur Verfügung gestellte Massenstrom im Fernwärmenetz niedriger ist als der für den Verbrauch benötigte Massenstrom. Um keinen Komfortmangel zu verursachen, liefert der Speicher den übrigen Massenstrom. Wenn die WP hochfährt, funktioniert das System umgekehrt.
Nach einer bestimmten Anzahl Regelleistungs-Abrufe muss eine Pause stattfinden, um den Füllstand im Speicher wiederherstellen zu können. Oder anders gesehen: Jeder Zyklus besteht aus einer Abrufzeit plus deren jeweiligen Kompensationszeit. Dadurch kann auch die maximale Anzahl Zyklen pro Tag bestimmt werden. Folglich ist in beiden Fällen der Kompensationsmodi die Anlage während der Kompensationszeit nicht für die RL verfügbar.
In der Machbarkeitsstudie wurde darauf die maximale Anzahl täglicher Abrufe anhand der Speicherverfügbarkeit berechnet. Da eine durchschnittliche SRL-Abrufdauer von vier Minuten angenommen wurde, die Abrufe selten länger dauern und der Speicher umfänglich ist, erwiesen sich die maximalen Abrufe pro Tag als beinahe unbeschränkt.
Das Modell
Um ein Modell der WP und des Speichers erstellen zu können und damit das optimale RL-Angebot zu bestimmen, sind für das Projekt relevante Partner der EVNH vom Projektteam kontaktiert worden, um die neue Funktionsweise der WP und Speicher technisch zu evaluieren.
Zu jedem Betriebspunkt gehört auch eine elektrische Leistung, die vom Motor des Verdichters verbraucht wird. Dessen Flexibilität eignet sich für das Angebot an sekundäre RL.
Aus der Simulation konnten die Betriebspunkte und somit das mögliche RL-Angebot der WP berechnet werden. Zudem konnte die Energie ermittelt werden, welche mit dem WP-Speicher kompensiert werden muss und die benötigte Zeit, um diesen Speicher wieder auszugleichen. Bild 3 zeigt die Betriebsfälle.
Die Vorhaltungsleistungen liegen je nach Betriebsfall zwischen 580 kW und 120 kW für das positive SRL-Angebot und zwischen 400 kW und 130 kW für das negative SRL-Angebot. Der Betriebsfall 2 °C bis 8 °C weist eine maximale Flexibilität von 770 kW auf, während alle anderen Betriebsfälle ebenfalls eine Flexibilität von 700 kW oder mehr aufweisen. Eine Ausnahme stellt der Fall > 8 °C auf, welcher die niedrigste Flexibilität von 260 kW aufweist, weil im Sommer nur eine WP in Betrieb ist.
Die täglichen Zeitfenster, in denen die WP abgerufen werden kann, sind durch den normalen Betrieb des FWN begrenzt. Sie wurden für jeden Betriebsfall in der Simulation berücksichtigt.
Aus Gesprächen mit dem WP-Hersteller konnten zusätzliche Informationen zur Lebensdauer-Beeinträchtigung und der Leistungs-Anpassungsgeschwindigkeit der WP gewonnen werden. Für technische Fragen bezüglich der WP-Steuerung und der FWN-Regelung wurde die Gebäudeautomatisationsfirma kontaktiert, welche die Regelungsmechanismen installierte. Da diese Regelungsmechanismen bereits automatisch durchgeführt werden, müssten keine zusätzlichen Regelungen geplant werden.
Die Vorhaltungsleistungen, die verfügbaren Zeitfenster, die Menge der abgerufenen Energie und die Abrufdauer sowie die Kompensationszeit, -energie und -leistungen des Speichers fliessen mit ihren jeweiligen Preisen in die folgenden wirtschaftlichen Einflussfaktoren mit ein: Die Leistungsentschädigung belohnt die elektrische Flexibilität der Anlage, während die Netznutzungsgebühren für die höchste Lastspitze während eines Monats an den Verteilnetzbetreiber bezahlt werden müssen. Die Energieentschädigung wird für einen positiven SRL-Abruf ausbezahlt und für einen negativen SRL-Abruf an den Regelpool bezahlt. Schliesslich werden die bei der Speicherkompensation entstandenen Energiekosten beim Hochfahren an den Verteilnetzbetreiber EKS durch die Stromrechnung bezahlt und beim Runterfahren gespart.
Die Marktvoraussetzungen
Der Wärmespeicher für die Kompensation und die Steuerungsmechanismen für die WP sind bereits installiert und können somit für das RL-Angebot genutzt werden. Da die WP keine genügend flexible Leistung für einen direkten Eintritt in den SRL-Markt anbieten kann [1], muss sie in einen Regelpool integriert werden, in welchem verschiedene Anlagen zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen sind. Mit ausgewählten Regelpool-Anbietern konnten wichtige Informationen über die Entschädigungen und Anforderungen an die Anbindung besprochen werden. Da die meisten Informationen von der Firma Alpiq stammen, ist dieser Pool am exaktesten wirtschaftlich analysiert worden. Des Weiteren werden ausfallbedingte Bussen der Swissgrid durch die Bereitstellung von Backup-Anlagen durch Alpiq vermieden. Zudem ergeben sich weitere Vorteile durch die automatische Berücksichtigung aktueller Wetterprognosen und den einfachen Eintritt und die Anbindung in ihren Regelpool. Die kommerziellen Abschätzungen gelten als Richtwerte und werden durch Alpiq im Detail von Fall zu Fall berechnet.
Die wirtschaftlichen Grundlagen
Für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit des Projekts wurde die Discounted Cash-Flow-Methode verwendet.
Als Inflationsfaktor für den Strom- und Leistungspreis wurde 1% angenommen. Die Vorhaltungsentschädigung wurde nicht durch den Inflationsfaktor angepasst, da dies die sinkende Tendenz des RL-Marktes widerspiegelt. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung des SRL- und Strommarkts in der Schweiz und in Europa war es schwierig, eine zuverlässige Marktprognose abzugeben. Deshalb wurden statistische Analysen durchgeführt und frühere Daten verwendet.
Die Vorhaltungsentschädigung, welche die Flexibilität der Anlage belohnt, bringt für den jährlichen Cash-Flow den grössten Ertrag.
Die Analyse der Daten hat gezeigt, dass die monatlichen Leistungsspitzenkosten die grössten variablen Kosten darstellen. Daher wurde versucht, diese Kosten in verschiedenen Varianten zu minimieren, wovon drei in den Ergebnissen erläutert werden.
Als zusätzliche Kosten mussten somit vor allem die Energiekosten für die Kompensation des Speichers und die jährlichen Unterhaltskosten untersucht werden. Die Energiekosten gleichen sich mit der Energieentschädigung in allen Varianten aus. Optional wurde eine Variante erstellt, die einen zusätzlichen Speicher beinhaltete, der eigens für das RL-Angebot installiert wurde. Da die Steuerungsmechanismen des Fernwärmenetzes zusätzlich für ein RL-Angebot benutzt werden können, sind die Investitionskosten sehr gering. Einen grossen Beitrag für niedrige Investitionskosten haben die bereits geplanten Frequenzumrichter geleistet, welche jede der WP einzeln steuern und auch für die Leistungsanpassung an die RL benötigt werden. Als Investitionskosten für die Modellierung und Anbindung der WP in den Regelpool werden etwa 10 000 CHF angenommen.
Die Ergebnisse
Die folgenden Varianten wurden aus Sicht der Minimierung der Leistungsspitzenkosten und anderer Einflüsse optimiert und wurden als die relevantesten Varianten angesehen. Eine repräsentative Variante stellt ein «rentabler-Grenzfall» dar, bei dem Aufwand und Risiko minimiert wurden. Diese Variante zeigte, dass der Eintritt in den RL-Markt auch bei tiefem Aufwand und Risiko einen positiven Kapitalwert von 18'603 CHF über zehn Jahre erwirtschaften kann. Eine zweite Variante zeigte, dass der Ertrag noch weiter gesteigert werden kann, wenn sowohl positive als auch negative RL angeboten werden. Der Kapitalwert nach zehn Jahren beträgt in diesem Fall 48'659 CHF. Die Variante mit dem zusätzlichen Speicher weist nach zehn Jahren einen positiven Kapitalwert von 26'327 CHF auf. Durch die grossen Investitionskosten des Speichers von 210'000 CHF, die jährlichen Bodenmietkosten von 2700 CHF und die Tatsache, dass die Unsicherheiten im RL-Markt keine zuverlässige Prognose zulassen, wird diese zweite Variante im ersten Jahr nicht empfohlen. Falls eine genauere Prognose für den RL-Markt abgegeben werden kann, könnte diese Variante allerdings interessant werden, da durch ihre grössere Verfügbarkeit ein höherer jährlicher Cash-Flow generiert wird. Der interne Zinsfuss ist in allen Varianten höher als 7%, was bedeutet, dass alle Varianten rentabel sind.
Rückblick und Empfehlung
Aufgrund der Stabilisierung des Stromnetzes, des Ertrags durch das RL-Angebot und der tiefen Risiken wird ein Eintritt in den RL-Markt empfohlen. Es wird vorgeschlagen, dass – wie im zweiten Fall beschrieben – positive und negative SRL angeboten werden. Zudem ergab sich dieser zweite Fall aus der Sensitivitätsanalyse weniger empfindlich auf mögliche Marktanpassungen als der «rentable-Grenzfall».
Es sind Regelpoole empfohlen, welche die Poolteilnehmer mit einem marktabhängigen System entschädigen, sämtliche technischen Konditionen und Anforderungen erfüllen und somit ähnliche oder gleiche Rahmenbedingungen vorliegen wie in dieser Machbarkeitsstudie. Zudem ist ein Regelpool vorteilhaft, der über prädiktive Algorithmen verfügt und technische Aspekte der WP berücksichtigt. So können die RL-Angebotsabgabe vereinfacht und der Personal-Aufwand reduziert werden.
Referenzen
[1] «Grundlagen Systemdienstleistungsprodukte, V. 10», Swissgrid, 2018.
[2] B. Vogel, «Industrieanlagen stabilisieren das Stromnetz», Bulletin SEV/VSE 9/2017, S. 20–23.
[3] «Systemdienstleisungen», Swissgrid, 2016.
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