Seien wir doch einmal ehrlich
Eine Meinung zur Netztarifierung
Strom ist in unserer Gesellschaft ein essenzielles Gut – so wie Wasser. Strom muss 365 Tage im Jahr, 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Und dies völlig unabhängig von Nachfrage und Handelspreisen. Hinzu kommen auf Produzentenseite kapitalintensive und sehr lange Investitionshorizonte, kombiniert mit geringer kurzfristiger Steuerbarkeit der Produktionsmengen. Auf Verbraucherseite herrscht faktischer Konsumzwang und damit eine äusserst geringe Preiselastizität. Daher lässt sich der Stromproduktion keine Marktlogik überstülpen, denn die klassische Marktsteuerung der Angebots- und Nachfragemengen über den Preis versagt. Die ideologisch und nicht ökonomisch getriebene Liberalisierung im europäischen Strommarkt hat denn auch zur Absurdität geführt, dass die Handelspreise von den Gestehungskosten abgekoppelt und dafür an Gaspreis, CO2-Preise etc. gebunden wurden. Das ist systemfremd, denn ein Marktpreis spiegelt immer die realen Produktionskosten – ansonsten würden Anbieter ja nicht mehr (oder weniger) produzieren. Was beim Strom ja evidenterweise gar nicht möglich ist.
Die Folge: Ganz Europa retarifiert nach der Liberalisierungswelle die Strompreise. Und zwar auf Umwegen. Man nennt es dann «Kostendeckende Einspeisevergütung», «Marktprämie» oder über Jahrzehnte «garantierte Abnahmepreise». Der Grund ist einfach: Sonst würde weder investiert, noch die Versorgungssicherheit garantiert. Und ups! Plötzlich entdeckt man, dass der «Markt» zur Versorgungssicherheit und aus netztechnischen Gründen eine administrierte (geplante) Menge an Strom braucht. Dazu «designt» man jetzt Kapazitätsmärkte. Hauptsache man kann so tun, als spielte man Markt, obwohl man faktisch zurückkehrt in das über Jahrzehnte bewährte äusserst simple und effiziente Tarifsystem. Geben wir das doch endlich einmal zu. Dann können wir uns über ein sinnvolles Tarifsystem unterhalten – aktuell, ob wir die Durchschnittspreis- oder die Gestehungskostenmethode anwenden (wobei ich Zweiteres deutlich besser finde). Nur so schaffen wir Investitions- und damit die notwendige Versorgungssicherheit. Und noch was: Hören wir doch endlich damit auf, den Ausgleich zwischen einem systemfremden Handelspreis und realen Gestehungskosten als «Subvention» zu bezeichnen. Das hälfe nämlich, unsere mentalen «Strommarkt-Modelle» in den richtigen (Regulierungs-)Rahmen zu setzen.
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