Fachartikel Mobilität

Rettungseinsätze bei Elektroautos

Wie Wissen Gefahren reduziert

27.01.2018

In gewissen Medien werden Elektrofahrzeuge manchmal als besonders gefährlich präsentiert. Dabei ist der richtige Umgang mit Elektroautos im Notfall entscheidend für die Sicherheit, sowohl der Insassen als auch der Feuerwehrleute. Nebst der spezifischen Ausbildung können auch Rettungskarten eine wichtige Rolle spielen.

Ab und zu werden reisserische Beiträge zu Unfällen mit Elektroautos veröffentlicht, die Ängste schüren. Beispielsweise weil sie von Rettungskräften berichten, die vom brennenden Fahrzeug Abstand nehmen, weil sie da «sowieso nichts machen können». Betrachtet man die Gefahren von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben – Erdgas-, Flüssiggas-, Wasserstoff- und Hybrid-Antriebe – aber aus der Sicht von ausgebildeten Rettungskräften, stellt man fest, dass die Risiken durchaus kontrollierbar sind. Verfügt man über das nötige Wissen, die richtige Ausrüstung und geht korrekt vor, stellen Elektrofahrzeuge für Rettungskräfte keine ausserordentliche Gefahr dar.

Auch für die Insassen sind Fahrzeuge mit alternativen Antrieben nicht wirklich gefährlich, denn sie sind zugelassen und müssen entsprechenden Sicherheitsstandards genügen. Im Alltag hängen die Gefahren selten mit der Antriebstechnologie zusammen, sondern sind oft durch den Fahrstil begründet. Berufsfeuerwehrmann Michael Derungs von Schutz & Rettung Zürich betont, dass die Gefahren bei Hochgeschwindigkeitsfahrten sehr hoch sind, weil die hohen Energien Deformationen verursachen, die nicht einmal in Crashtests simuliert werden können – Deforma­tionen, die manchmal sogar das Funktionieren der eingebauten Schutzmechanismen verunmöglichen. Da spielt die Antriebstechnologie eine untergeordnete Rolle.

Schwierigkeiten kann es gemäss Michael Derungs bei im Ausland registrierten Fahrzeugen geben, die nachträglich umgebaut wurden, denn dort kommen manchmal weniger strenge Vorführpflichten zum Zug. Beim Durchreiseverkehr trifft man auf umgebaute Fahrzeuge, bei denen gewisse Sicherheitsvorkehrungen nicht eingebaut wurden, was das Risiko für die Insassen erhöht.

Verhalten im Brandfall                  

Fahrer sollten im Brandfall gewisse grundsätzliche Regeln beachten, ohne dabei Antriebsarten unterscheiden zu müssen. Erste Regel: Wenn möglich, sollten Fahrer unter der Sonnenblende auf der Fahrerseite eine modellspezifische Rettungskarte (Rettungsdatenblatt) unterbringen. Solche Rettungskarten können für viele neuere Fahrzeugmodelle von tcs.ch oder von den Webseiten der Hersteller heruntergeladen werden. Sie zeigen den Rettungskräften auf, wo es Karosserieversteifungen hat, die für Rettungsscheren eine Herausforderung darstellen könnten, und wo sich die Batterien, Airbags und weitere kritische Komponenten befinden. Beispielsweise sollten Kabel und Hochvolt-Komponenten durch Rettungskräfte nicht versehentlich durch­trennt werden. Rettungskarten ermöglichen auf diese Weise eine effiziente und sichere Rettungsarbeit.

Zweite Regel: Wenn man mit einem Fahrzeug, das zu brennen beginnt, gefahrlos aus einem Tunnel oder einer Garage herausfahren kann, ohne sich und andere zu gefährden, hilft dies den Rettungskräften, denn Löschung und Bergung gestalten sich einfacher.

Dritte Regel: Für die Rettungskräfte ist es nützlich, wenn bereits bei einer Unfallmeldung mitgeteilt wird, dass das Auto einen alternativen Antrieb hat, am besten mit Angabe des Fahrzeugmodells. Sie können sich dann entsprechend auf die Rettungsarbeit vorbereiten.

Eine unbekannte Gefahr

Bei verunfallten Elektroautos lauert eine Gefahr, die weniger bekannt ist: der lautlose Antrieb. Verunfallt ein Auto mit Verbrennungsmotor, wird der Motor oft abgewürgt und stellt kein Problem mehr dar. Sollte er noch laufen, hört man dies und dreht den Zündschlüssel. Bei Elektroautos kann nach einem kleineren Unfall der Antrieb aber noch aktiv sein, auch im Brandfall. Die automatische Notausschaltung des Antriebsstromkreises wird erst bei starken Kollisionen aktiviert. Beim Bergen einer verletzten Person kann es vorkommen, dass aus Versehen das «Strompedal» betätigt wird. Da kein Kuppeln nötig ist und der Elektromotor sein volles Drehmoment bereits ab Stillstand entwickelt, können so gefährliche Situationen entstehen. Selbst die üblichen Aluminiumkeile nützen da nichts, denn für das Elektroauto stellen sie kein wesentliches Hindernis dar. Deshalb müssen Elektroautos immobilisiert werden: mit der Handbremse (wenn man sie findet, denn die Zeiten des Griffs in der Mitte neigen sich dem Ende zu) und durch Drücken des Ein/Aus-Knopfes oder Ziehen des Zündschlüssels. Wie dies beim individuellen Modell geschieht, ist in der erwähnten Rettungskarte beschrieben. Kommt man aber nicht ins Fahrzeug hinein, muss es gekeilt werden: mit grossen Keilen oder massiven Holzbalken bei jedem Rad. Ausserdem sollte der Einsatzbereich gesichert werden für den Fall, dass sich das Auto trotzdem löst.

Rauch und Stromschlag

Obwohl auch beim Brand von konventionellen Autos giftige Gase entstehen, sind sie bei Elektroautos gefährlicher, da sich zusammen mit dem Löschwasser Flusssäure bilden kann. Flusssäuredämpfe können zu Verätzungen der Lunge führen. Rettungskräfte brauchen deshalb Schutzmasken.

Eigentlich ist bei Unfällen mit Elek­troautos die Stromschlaggefahr gering, denn die Autos sind auf Sicherheit konzipiert. Beim Wechselstrom vom Stromnetz genügt es, die Phase zu berühren, um einen gefährlichen Stromfluss zu ermöglichen, denn der Strom fliesst durch einen Menschen in den Boden. Bei Gleichstrom in Fahrzeugen muss man hingegen den Stromkreis der Batterie schliessen, indem man gleichzeitig den Plus- und den Minuspol berührt. Dies ist sehr unwahrscheinlich.

Rettungskräfte dürfen nach einem gelöschten Vollbrand nicht ohne entsprechende Schutzhandschuhe ins Auto greifen, denn es besteht Stromschlaggefahr, weil die Isolationen verbrannt sein können. Bei Fahrzeugen in Wasser wird das Wasser auf Spannungsfreiheit geprüft.

Als Löschmedium kommt praktisch immer Wasser zum Einsatz, unabhängig davon, ob nun ein konventionelles oder elektrisches Auto gelöscht wird.

Nach dem Löschen

Wichtig ist bei Elektroautos die Nachbetreuung. Wenn eine Batterie beschädigt wurde, besteht immer die Gefahr eines internen Kurzschlusses. Über den Kurzschluss kann die gespeicherte Energie abfliessen und eine punktuelle Erwärmung mit kontinuierlich steigender Temperatur verursachen, die einen Brand erzeugen kann (thermal run­away). Die Temperaturveränderungen bei Fahrzeugbatterien werden deshalb nach einem Unfall über eine längere Zeit mit einer Wärmebildkamera beobachtet und protokolliert. Erst wenn man sicher ist, dass die Batterie in einem thermisch stabilen Zustand ist, kann das Fahrzeug abgegeben werden.

Auch Abschleppunternehmer sind entsprechend geschult, denn bei Bewegungen der Batterie können sich weitere Kurzschlüsse bilden, die bei einer nicht entladenen Batterie zu Bränden führen können. Fahrzeuge mit instabilen Batterien werden durch die Rettungskräfte an einen sicheren Aufbewahrungsort transportiert. Bezüglich Nachbearbeitung solcher Fahrzeuge wird aber laut Derungs noch Forschung betrieben, an der auch Schutz & Rettung beteiligt ist.

Im Vergleich mit Hybridautos haben reine Elektroautos den Vorteil, dass es keinen Brennstofftank hat, der zusätzliche Herausforderungen im Brandfall erzeugen könnte.

Ist Hochvolt Hochspannung?

Oft begegnet man bei Elektroautos dem Begriff «Hochvolt». Dieser Begriff ist in der Fahrzeugindustrie entstanden, um zwischen dem 12-V-System und dem für den Antrieb benötigten 400-V-System (auch höhere Spannungen sind hier möglich) unterscheiden zu können. Hochvolt ist dabei kein Syno­nym für Hochspannung, denn die Hochvolt-Akkus bewegen sich im Bereich einiger Hundert Volt Gleichspannung, also noch im Bereich der eigentlichen Niederspannung, denn Gleichspannungen bis 1,5  kV werden als Niederspannung bezeichnet. Höhere elektrische Spannungen werden als Hochspannung bezeichnet, wobei man im Energiesektor noch zwischen Mittelspannung, Hochspannung und Höchstspannung unterscheidet.

 

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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