Reflexionen an Photovoltaikanlagen
Ursachen und Lösungen
Störende Reflexionen an PV-Anlagen sind glücklicherweise so selten, dass sie zu Recht kaum Beachtung finden. Tritt jedoch eine starke Blendung auf, ist guter Rat teuer. Seit einiger Zeit gibt es blendarme oder gar blendfreie PV-Module. In diesem Artikel wird aufgezeigt, wann diese Module eingesetzt werden sollen und was von ihnen zu erwarten ist.
Nur sehr wenige PV-Anlagen verursachen störende Reflexionen. Insbesondere bei nach Süden ausgerichteten Anlagen sind Blendungen praktisch ausgeschlossen, da allfällige Reflexionsstrahlen meistens in den Himmel reflektiert werden. Heute sind PV-Module jedoch so günstig, dass sie bei Neubauten oder Dachsanierungen auch bei Norddächern oft als Ersatz für die Dachziegel eingesetzt werden. Der Energieertrag solcher Anlagen ist überraschend hoch, und selbst PV-Anlagen an Nordfassaden erwirtschaften ein Mehrfaches ihrer grauen Energie während ihrer Lebensdauer. In ungünstigen Fällen können aber gerade Anlagen auf Norddächern störende Reflexionen verursachen.
Damit PV-Anlagen baubewilligungsfrei sind, müssen sie nach dem Stand der Technik reflexionsarm gebaut werden. So will es das Raumplanungsgesetz (RPG). Damit Solarzellen respektive PV-Module einen möglichst hohen Energieertrag erzeugen, werden selbst günstige asiatische Standardprodukte mit reflexionsarmen Oberflächen versehen. Üblicherweise reflektieren PV-Module deshalb nur ca. 2 bis 3% des Sonnenlichts und erfüllen damit das RPG ohne zusätzliche Massnahmen.[1] Dem Gesetz ist damit zwar Genüge getan, alle Probleme bezüglich der Reflexion sind aber noch nicht gelöst.
Reflexion und Blendung
In diesem Artikel wird die Blendung als eine störende Reflexion definiert. Anders als oft vermutet, ist der Reflexionskoeffizient einer Oberfläche, also der Anteil der einfallenden Sonnenstrahlung, der reflektiert wird, praktisch unabhängig vom Blendverhalten der Oberfläche. Jede Oberfläche reflektiert, aber blenden können nur diejenigen Oberflächen, die das Licht stark gerichtet reflektieren. Eine weisse Wand beispielsweise reflektiert weit mehr als die Hälfte des einfallenden Lichts, blendet aber in der Regel nicht.
Während die Intensität einer potenziellen Reflexion meistens durch den Reflexionskoeffizienten in Prozent beschrieben wird, ist die relevante Grösse für die Blendung die Leuchtdichte in Candela pro Quadratmeter (cd/m2). Die Leuchtdichte gibt an, wie hell eine Oberfläche aus einer bestimmten Richtung betrachtet ist. Sie wird typischerweise auf einer logarithmischen Skala dargestellt, da sie im natürlichen Umfeld von rund 10–6 (Sehschwelle, absolute Dunkelheit) bis hin zu 109 (direkter Blick in die Sonne) variiert (Bild 1). Eine Reduktion der Leuchtdichte um Faktor 2 ist deshalb zur Verhinderung einer Blendung auch kaum relevant. Nützliche Massnahmen müssen die Leuchtdichte eher im Bereich von Faktor 10 bis 100 reduzieren.
Grenzwerte für eine Blendung gibt es nicht. Dies ist unter anderem deshalb der Fall, weil die Blendung eine stark situativ geprägte Komponente hat und unterschiedliche Situationen unterschiedliche Grenzwerte erfordern würden. Gäbe es einen Grenzwert, so müsste er wohl in der Region 50’000 cd/m2 bis 100’000 cd/m2 angesetzt werden. Daneben wären aber viele Faktoren zu beachten, wie die Dauer der Blendung, die Richtung der Blendung oder die Grösse der blendenden Fläche.
Bündelaufweitung
Der Schlüssel zur Reduktion einer Blendung ist die Bündelaufweitung. Die Menge des reflektierten Lichts muss nicht reduziert werden, jedoch soll der reflektierte Lichtstrahl aufgeweitet werden. Bild 2 zeigt schematisch, wie stark der Reflexionsstrahl an verschiedenen Oberflächen gestreut wird und wie hell die Oberfläche im direkten Sonnenlicht typischerweise ist.
Heute gibt es insbesondere zwei Oberflächenbehandlungen von PV- Modulen, die den Reflexionsstrahl stark aufweiten und damit eine Blendung stark reduzieren oder verhindern: Das chemische Ätzen (Satinieren) sowie das Beschichten der Gläser. Letzteres wird als Produkt oft unter dem Namen «deflect» vertrieben. Weitere Methoden zur Bündelaufweitung wie stark strukturiertes Glas (Prismaglas oder Gussglas) oder sandgestrahlte Gläser haben sich aus ästhetischen sowie qualitativen Gründen bisher nicht etabliert.
Leuchtdichten verschiedener PV-Module
Im PV-Labor der Berner Fachhochschule wurden diverse PV-Module hinsichtlich ihres Blendverhaltens bei direkter Sonneneinstrahlung untersucht. Erste Messungen in Bild 3 zeigen dabei ein klares Resultat: Während Standard-Solarglas sowie nicht texturiertes Floatglas eine Helligkeit deutlich oberhalb der eingangs hypothetisch genannten Grenze von 100’000 cd/m2 aufweisen, liegt die Helligkeit eines weissen Blatt Papiers etwa um Faktor 5 und diejenige eines satinierten PV-Moduls sogar um mehr als Faktor 10 darunter. Ähnliche Resultate zeigt auch das Institut für Solartechnik SPF der Ostschweizer Fachhochschule.[2]
Die Leuchtdichte ist dabei jeweils winkelabhängig und nimmt mit flacherem Lichteinfallswinkel zu. Winkel oberhalb ca. 80° aus der Senkrechten sind jedoch aus zwei Gründen nicht relevant: Erstens kommen Blend- und Sonnenstrahl aus praktisch derselben Richtung, womit die Betrachterin sowieso geblendet wird, und zweitens dauern diese Blendungen aufgrund der Sonnenbahn meist nur kurze Zeit an.
Risikofaktoren für Blendungen
Bei den allermeisten PV-Anlagen treten keine störenden Reflexionen auf. Es müssen bestimmte Faktoren zusammentreffen, damit eine relevante Blendung überhaupt möglich ist. Diese sind im Wesentlichen:
- Die PV-Module müssen aus einem nicht zu flachen Winkel über eine grosse Fläche gut einsehbar sein.
- Die PV-Anlagen müssen nach Norden oder zumindest nach Westen oder Osten ausgerichtet sein. Südanlagen blenden praktisch nie.
- Kritischer sind PV-Anlagen auf Gebäuden an Hanglagen von Süd- oder Westhängen. Auch da gilt: Sind die PV-Module nur aus einem flachen Winkel einsehbar, ist die Situation eher unkritisch.
- Ebenfalls notwendig für eine relevante Blendung ist eine gewisse Nähe des Betrachters zur Anlage bzw. eine bestimmte Grösse der Anlage. Nimmt die PV-Anlage weniger als ca. 5 bis 10° des Blickwinkels des Betrachters ein, ist eine Blendung eher zu kurz, um relevant zu sein. Deshalb sind Dachfenster trotz der um einen Faktor 10 bis 20 stärkeren Blendung als PV-Module meist unkritisch.
Vielen relevanten Blendfällen geht zudem ein angespanntes Nachbarschaftsverhältnis voraus. Die Toleranzgrenze von Bewohnern an bevorzugten Wohnlagen ist dabei oft unterdurchschnittlich tief.
Massnahmen
Oft werden von Gutachtern zur Reduktion der Störung gut gemeinte Ratschläge wie die Änderung des Modulneigungswinkels oder das Pflanzen eines Baumes gemacht. Gerade bei Flachdachanlagen ist es prüfenswert, ob beispielsweise eine Südaufständerung weniger kritisch bezüglich Blendwirkungen ist als eine Ost-West-Aufständerung. Bei Schrägdächern helfen diese Ratschläge jedoch kaum weiter.
Was nach aktuellem Kenntnisstand jedoch in allen Fällen zuverlässig hilft, ist der Einsatz von PV-Modulen, die die Reflexionen stark streuen. Das nötige Mass der Lichtstreuung kann dabei noch nicht zweifelsfrei genannt werden. Entsprechende anerkannte Richt- oder gar Grenzwerte gibt es nicht. Die oben erwähnten Methoden der Satinierung oder Beschichtung der PV-Module scheinen jedoch sehr vielversprechend zu sein. Bei steilem Lichteinfall sind beide Methoden etwa gleichwertig. Bei einem flachen Lichteinfallswinkel nimmt die Reflexion an den gemessenen Deflect-Modulen jedoch zu und überschreitet den kritischen Bereich.
Nachteile blendfreier Module
Sogenannte blendfreie Module, also Module, die das reflektierte Licht so sehr streuen, dass eine Blendung praktisch ausgeschlossen werden kann, findet man erst seit Kurzem auf dem Markt. Über deren Langzeitverhalten, insbesondere die Veränderung der optischen Eigenschaften mit der Zeit, ist erst wenig bekannt. Es gibt Unsicherheiten bezüglich der Veränderung der Reflexionseigenschaften nach starker Verschmutzung oder nach einer Reinigung nach einigen Betriebsjahren.
Eine generelle Forderung nach blendfreien PV-Modulen wäre deshalb nicht nur ein unverhältnismässiger Eingriff in die gestalterische Freiheit der Architektinnen und Bauherrschaften, sondern würde bis auf eine geringe Anzahl Hersteller auch die meisten Modulhersteller vom Markt ausschliessen.
Pilotprojekt: Sanierung einer blendenden PV-Anlage
Ein Einfamilienhaus im Kanton Zürich verfügt über ein 45° steiles Norddach, das vom Nachbarsgrundstück gut sichtbar ist. Im Jahr 2016 wurden das Süd- und das Norddach erneuert und mit einer flächendeckenden MegaSlate-Indachanlage ausgerüstet. Während vom Süddach keine störenden Reflexionen ausgehen, beschweren sich die nördlichen Anwohner seit dem Bau der PV-Anlage jeweils am Nachmittag in den Sommermonaten über eine starke Blendwirkung vom Norddach. Dieser Befund wird von einem Reflexionsgutachten der Basler & Hofmann AG gestützt und mit bis zu 2,5 h Blendzeit je Beobachtungspunkt quantifiziert.
Die Installation eines Sichtschutzes etwa in Form von Bäumen wurde geprüft, jedoch aufgrund der negativen Auswirkungen sowohl auf die Anwohner wie auch auf die PV-Anlage und das Grundstück des Anlagenbesitzers wieder verworfen. Im Rahmen einer Testinstallation wurden im Frühsommer 2021 vier PV-Module mit satinierten Modulen der Firma 3S Solar Plus ersetzt (Bild 4 Mitte). Aufgrund der positiven Wahrnehmung der Nachbarschaft sowie den vielversprechenden Messergebnissen wurde wenige Wochen später die gesamte Nordseite des Daches mit satinierten PV-Modulen ersetzt (Bild 4 rechts).
Subjektiv betrachtet ist die Blendwirkung damit vollständig verschwunden. Die Messungen zeigen, dass die Leuchtdichte der Dachfläche um fast Faktor 1000 reduziert wurde (Bild 5). Angaben zum Energieertrag der neuen PV-Anlage stehen noch aus, doch die Leistungswerte der neuen Module lassen dank der inzwischen etwas leistungsfähigeren Solarzellen einen Energieertrag erwarten, der sogar höher ist als der der alten Anlage.
Fazit
Mit heute am Markt verfügbaren PV-Modulen können Blendungen von PV-Anlagen zuverlässig verhindert werden. Verglichen mit Standard-Modulen liegen für blendfreie Module jedoch noch kaum Betriebserfahrungen vor, und nur wenige Hersteller bieten solche Module an. Für sehr gut einsehbare Norddächer kann heute die Verwendung solcher PV-Module geprüft werden. Es wäre jedoch nicht verhältnismässig und würde der Verbreitung der Photovoltaik in der Schweiz einen empfindlichen Rückschlag versetzen, wenn die Verwendung blendfreier PV-Module zu einer Standardanforderung werden würde. Denn Blendung ist nur bei den wenigsten PV-Anlagen ein Problem und sollte deshalb nicht überbewertet werden.
Referenzen
[1] D. Stickelberger et al., Leitfaden zum Melde- und Bewilligungsverfahren für Solaranlagen, Swissolar, Februar 2021.
[2] F. Ruesch et al., «Methode zur Quantifizierung der Blendung durch Solaranlagen – Vergleich mit anderen Materialien der Gebäudehülle», SPF, 26. OTTI Symposium Thermische Solarenergie, 2016.
[3] Ch. Bucher, Photovoltaikanlagen, Faktor Verlag, Zürich, 2021 (erscheint voraussichtlich im November 2021).
Kommentare
Bruno Weber,
Blendende PV-Anlagen führen zu Streit und Aggressivität, da kein Erbauer einer solchen Anlage freiwillig eine Änderung vornehmen will. Für die belasteten Nachbarn entsteht plötzlich eine unzumutbare Situation durch diese neue Anlage und es braucht Gutachten, Anwalt- und Gerichtbeizug um etwas korrigieren zu können! Nur um Verhältnisse zu schaffen, wie sie vorher waren. Dies obwohl von keinem Grundstück aus Emissionen auf ein Nachbargrundstück abgeben werden dürfen! Deshalb ist es zwingend, dass nur "blendfreie" Solarpanels verwendet werden dürfen. Es stimmt nicht, dass diese Blendung selten vorkommen.
Hans-Heinrich Hille,
Auch ich bin der Meinung, dass diese Blendungen zuverlässig verhindert werden sollten. Bei uns sind es gleich 3 Dächer, die uns zu verschiedenen Zeiten blenden.
Wenn man nicht mehr aus denFenstern heraussehen kann, ohne schmerzhaft geblendet zu werden, hilft auch die Angabe, dass dies selten vorkommt, in keiner Weise.
Lutz Brigitte,
Weder Architekt, Bauherrschaft noch die Gemeinde gehen auf unser Blendungsproblem (9:00-ca.12:00 Uhr wie Scheinwerferlicht in unserem Wohnzimmer/Tischbereich) ein. Ohne Sonnenbrille oder Verdunkelung ist für unsere Augen kein schädigungsfreies Bewegen oder Balkon geniessen in unserem Stockwerkeigentum in 7165 Breil (Sonnenterasse in der Surselva) möglich!