Fachartikel Unternehmensorganisation

Recht und Finanzen nach der Pandemie

Auswirkungen von Corona

16.07.2020

Am 31. Januar 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ausbreitung von Covid-19 als internationale Gesundheitsnotlage bezeichnet. Die finanziellen Folgen der direkten und indirekten Auswirkungen dieser Pandemie werden sich im Geschäftsjahr 2020 beziehungsweise in der Jahresrechnung 2020 niederschlagen.

Für Unternehmen aus dem Energiesektor ist grundsätzlich nicht mit Corona-spezifischen Auswirkungen auf die Rechnungslegung zu rechnen. Jedoch werden die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen in den Jahresrechnungen Spuren hinterlassen. Nachfolgend wird auf ausgewählte Themen und Bilanzpositionen eingegangen, bei welchen ein erhöhtes Augenmerk angezeigt sein kann. Es handelt sich dabei um Ausführungen allgemeiner Art. Diese beziehen sich in erster Linie auf Jahresrechnungen, welche gemäss den Richtlinien des Obligationenrechts erstellt werden. Der sachgerechte Umgang mit den zu beurteilenden Sachverhalten hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Erstellung der Jahresrechnung dürften noch in einem höheren Masse als bisher Er­mes­sens­entscheide getroffen werden. Zudem werden die rechtlichen Aspekte der Arbeitstätigkeit im Homeoffice sowie die Frage der höheren Gewalt bei Verträgen thematisiert.

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Aufgrund der aktuellen Situation muss davon ausgegangen werden, dass einige Kunden mit Liquiditätsproblemen und Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen haben. Daher ist es unerlässlich, dass die Unternehmen der Debitorenbewirtschaftung erhöhte Aufmerksamkeit schenken, um das Risiko der Nichterfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu minimieren. Dabei ist es sinnvoll, einerseits den bestehenden Mahnprozess zu überprüfen und die Mahnzyklen allenfalls anzupassen. Anderseits kann es sinnvoll sein, die Wertberichtigungspraxis für die Abschlusserstellung anzupassen. Die in der Praxis verbreitete Methode der pauschalen Wertberichtigung berücksichtigt unter Umständen das gestiegene Debitorenausfallrisiko nicht ausreichend. Daher empfiehlt sich die Prüfung der Einzelwertberichtigung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Zusätzlich kann in Erwägung gezogen werden, nach Möglichkeit die Pauschalwertberichtigung auf den nicht bereits einzelwertberichtigten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen anzuheben.

Darlehen/Vorschüsse

Im Grundsatz die gleiche Problematik wie bei den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen kann sich bei gewährten Darlehen/Vorschüssen ergeben. Aufgrund von möglichen Liquiditätsengpässen und/oder ungenügender Ertragslage durch die Folgen der Corona-Pandemie kann es angezeigt sein, die Werthaltigkeit von gewährten Darlehen und Vorschüssen kritisch zu überprüfen. Nötigenfalls sind diese Positionen im Wert zu berichtigen.

Sachanlagen und immaterielle Anlagen

Die Sachanlagen und immateriellen Anlagen werden gemäss Handelsrecht höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bilanziert (Art. 960a OR). Jährlich werden diese um die nötigen Abschreibungen und Wertberichtigungen reduziert. Liegen konkrete Anzeichen für eine Überbewertung von Aktiven vor, so sind die Werte zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen (Art. 960 Abs. 3 OR). Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie steigt das Risiko, dass solche Anzeichen vorliegen (zum Beispiel unter der Erwartung liegende Erträge aus einer Sachanlage, Ausfall Mieterträge, Wegfall/Einbruch Absatzmärkte etc). Es ist mit einer Vergleichsrechnung zu prüfen, ob tatsächlich eine Werteinbusse vorliegt. Dabei wird der Buchwert mit dem sogenannten erzielbaren Wert (höherer Wert von Nutzwert und Netto-Marktwert) verglichen.

Eine zusätzliche Wertberichtigung ist vorzunehmen, falls der erzielbare Wert eines Anlageguts nachhaltig und dauerhaft tiefer ist als die Anschaffungs-/Herstellungskosten vermindert um die planmässigen Abschreibungen. Da die Erstellung der entsprechenden Vergleichsrechnung aufwendig sein kann, empfiehlt es sich, das Risiko einer allfälligen Überbewertung frühzeitig zu klären und die notwendigen Berechnungen zu erstellen.

Beteiligungen

Beteiligungen unterliegen typischerweise nicht einem nutzungs- oder altersbedingten Wertverlust. Deshalb werden keine planmässigen Abschreibungen auf den Anschaffungswerten vorgenommen, sondern Wertberichtigungen für allfällige Wertverluste (Art. 960 Abs. 3 OR). Dies geschieht wie bei den Sachanlagen durch den Vergleich des Buchwertes der Beteiligung mit dem erzielbaren Wert. Sinkt der erzielbare Wert einer Beteiligung nachhaltig unter den bisherigen Buchwert wird eine Wertberichtigung erforderlich. Falls Beteiligungsgesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie ein negatives Ergebnis ausweisen sollten, bedeutet dies nicht, dass zwingend eine Wertanpassung des betroffenen Beteiligungsbuchwertes vorgenommen werden muss. Jedoch muss sich die bilanzierende Gesellschaft in dieser Situation die Frage stellen, ob es sich dabei um ein einmaliges Ergebnis oder um eine nachhaltige Tendenz handelt.

Verbindlichkeiten

Auf die Bilanzierung von Verbindlichkeiten dürfte sich die Corona-Pandemie nur in den wenigsten Fällen auswirken, da sich der Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit nicht verändert. Falls allfällige Vorgaben für die Kreditgewährung (Covenants) als Folge der Corona-Pandemie nicht eingehalten werden können und die Nichteinhaltung den Gläubiger zur vorzeitigen Auflösung eines Darlehensvertrages berechtigt, wirkt sich dies grundsätzlich nicht auf den Bestand der Verbindlichkeit aus. Jedoch können sich Auswirkungen auf den Ausweis der Restlaufzeiten und im Worst Case auf die Einschätzung der Unternehmensfortführung ergeben.

Gesellschaften mit Überbrückungskredit

Restriktionen sind bei Gesellschaften, welche einen durch die Eidgenossenschaft verbürgten Überbrückungskredit (Covid-19-Kredit) erhalten haben, zu beachten. Diese dürfen während der Dauer der Solidarbürgschaft unter anderem keine Dividenden ausschütten oder Kapitaleinlagen zurückerstatten (Art. 6 Abs. 3 Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung). Dabei werden nebst den liquiditätswirksamen Zahlungen an Aktionäre auch die den Aktio­nären aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses zugewiesenen Gewinnbestandteile als Ausschüttungen bezeichnet, auch wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt ausbezahlt werden. Ebenso ist bei diesen Gesellschaften auch eine Dividendenausschüttung durch Buchung auf dem Aktionärs-Kontokorrent nicht möglich.

Homeoffice – Datenschutz und Geschäftsgeheimnis

Von heute auf morgen haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Büro nach Hause verlagert. In der Praxis zeigt sich, dass viele Unternehmen nicht systematisch auf Homeoffice ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbereitet waren. Auch wenn die In­­frastruktur vieler Unternehmen heute ein flexibles Arbeiten von verschiedenen Standorten auch unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit erlaubt, wurde vielfach vergessen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Weisungen bezüglich der Arbeit im Homeoffice mitzugeben. Insbesondere muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass man im Homeoffice oft auf engem Raum mit anderen Familienmitgliedern oder Mitbewohnern ist. Ihnen gegenüber ist das Geschäftsgeheimnis zu wahren. Entsprechend sollte der Arbeitgeber eine Weisung herausgeben, welche die heiklen Aspekte der Homeoffice-Arbeit adressiert, wie beispielsweise:

  • Clean Desk und kein Herumliegenlassen von Geschäftsdokumenten
  • keine Pausengespräche über Firmen- und Kundenthemen
  • fachgerechte Archivierung oder Entsorgung von Geschäftsunterlagen
  • Vertraulichkeit von geschäftlichen Telefonaten etc.

Eine entsprechende Checkliste kann hier bezogen werden.

Anspruch auf Entschädigung wegen Homeoffice?

Aufgrund der vermehrten Arbeitstätigkeit im Homeoffice kam die Frage auf, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmerinnen und -nehmern für die Benutzung der Infrastruktur eine Entschädigung bezahlen muss. Diese Frage gewann in letzter Zeit medial an Aufmerksamkeit. Das Bundesgericht hat diesbezüglich entschieden, dass wenn dem Arbeitnehmer in den Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht und der Arbeitnehmer lediglich im Home­office arbeitet, der Arbeitgeber eine Entschädigung für die Benutzung der privaten Räumlichkeiten zu Geschäftszwecken zu entrichten habe. In der jetzigen Coronakrise liegt jedoch eine andere Ausgangslage vor. Viele Arbeitnehmerinnen und -nehmer haben im Homeoffice gearbeitet, obwohl ihnen ein Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung stand. Die Weisung, im Homeoffice zu arbeiten, beruhte auf einer Empfehlung des Bundesrats zum Schutz der Gesundheit. Das Home­office wurde also im Interesse und zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeordnet. Folglich ist in aller Regel keine Entschädigung für das coronabedingte Homeoffice geschuldet, wenn grundsätzlich ein Arbeitsplatz in den Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers zur Verfügung steht.

Corona als höhere Gewalt?

In der Wirtschaft sorgt Covid-19 für erhebliche Herausforderungen, da die erforderlichen Quarantänemassnahmen Produktionsabläufe verlangsamen oder gänzlich unterbrechen. Epidemien oder sonstige Ausbrüche von Krankheiten und Seuchen können einen Fall «höherer Gewalt» darstellen, wie ihn sogenannte Force-Ma­jeure-Klauseln in vielen Verträgen vorsehen. Zu Epidemien oder Pandemien gibt es aber nur wenig Rechtsprechung und der Inhalt von «höherer Gewalt» ist sehr unterschiedlich definiert. Zudem enthalten solche Klauseln oft Anzeigepflichten.

Betroffen sein können sowohl produzierende Unternehmen als auch Wiederverkäufer – indem sie entweder Produktionsausfälle erleiden oder bei Ausfällen eines Zulieferers. Aus rechtlicher Sicht sollten Unternehmen deshalb:

  • ihre in diesem Hinblick wichtigen Verträge auf Force-Majeure-Klauseln überprüfen;
  • wissen, bei welchen Vertragspartnern sie Anzeigepflichten haben;
  • die Klausel für «höhere Gewalt» in ihren Standards und AGB überprüfen.

Autor
Rolf Hafner

ist dipl. Wirtschaftsprüfer bei BDO.

  • BDO AG, 6002 Luzern
Autor
Klaus Krohmann

ist Leiter der Rechtsberatung bei BDO Zürich.

  • BDO AG, 8031 Zürich

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