PV-Wechselrichter stabilisieren das Netz
Alternative zu Netzausbau bei hoher PV-Einspeisung
Die spannungsabhängige Wirkleistungsregelung ist ein wichtiges Instrument für eine rasche und effiziente Integration vieler dezentraler PV-Anlagen ins Stromnetz. Im Projekt Goda wurde sie in der Praxis erfolgreich umgesetzt. Messungen im Labor haben ein stabiles Verhalten der Wechselrichter bestätigt.
Wenn zahlreiche dezentrale Produktionsanlagen gleichzeitig ins Stromnetz einspeisen, erhöht sich die Spannung. Überschreitet sie die definierten Grenzen, ist das Funktionieren von elektrischen Geräten nicht mehr garantiert. Schlimmstenfalls können die Geräte sogar Schaden nehmen. Der Verteilnetzbetreiber (VNB) ist deshalb verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, damit die Spannung zu jeder Zeit innerhalb der normierten Grenzen bleibt.
Um die Spannungserhöhung, die durch eine starke Einspeisung von PV-Anlagen verursacht wird, zu begrenzen, greifen VNB heute meist zu traditionellen Netzverstärkungsmassnahmen. Bei einer starken Verbreitung der PV-Anlagen ist dies eine sehr teure Lösung; zudem werden die Fristen zur Umsetzung von Netzverstärkungen dem schnellen Zubau der Photovoltaik immer weniger gerecht.
Die spannungsabhängige Wirkleistungsregelung, auch P(U) genannt, ist eine in der Schweiz noch kaum angewandte Alternative, die eine äusserst rasche und effiziente Integration von vielen PV-Anlagen ins Stromnetz ermöglicht. Mit der P(U)-Regelung reduziert die PV-Anlage ihre Produktionsleistung (P), sobald die Spannung (U) einen definierten Grenzwert überschreitet. Die PV-Anlage reduziert die Produktion eigenständig und behebt somit das von ihr verursachte Spannungsproblem selbst. Die P(U)-Regelung wird in den PV-Wechselrichtern aktiviert und parametriert, sie funktioniert dezentral, ist nicht auf Kommunikationssysteme angewiesen und ist somit eine kostengünstige und sichere Lösung.
Im Projekt Goda (Grid Optimization with Decentralized Actors) hat Groupe E die P(U)-Regelung bei fünf PV-Anlagen am gleichen Niederspannungsstrang getestet. Die Funktionsweise der PV-Anlagen wurde überprüft und die Produktionsverluste mit Hilfe von künstlicher Intelligenz berechnet. Im Labor für PV-Systeme der Berner Fachhochschule wurden Messungen zur Bestimmung der Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Stabilität der Regelung an Wechselrichtern durchgeführt.
Feldversuch
Im Niederspannungsnetz «Neyruz-Daille» hat die Groupe E in den letzten Jahren bereits mehrere Smart-Grid-Projekte durchgeführt und dokumentiert. In diesem Netzgebiet wurde auch der Feldversuch für das Goda-Projekt durchgeführt. An den Niederspannungssträngen verursachen jeweils mehrere kleine PV-Anlagen in der Summe eine Spannungserhöhung, welche in den kommenden Jahren, wenn zusätzliche PV-Anlagen angeschlossen werden, den oberen Schwellenwert nach SN EN 50160:2022 zu überschreiten droht.
Bild 1 zeigt die Situation im Trafokreis an einem sonnigen Sommernachmittag im Jahr 2021 ohne aktivierte spannungsabhängige Wirkleistungsregelung. Bei fünf PV-Anlagen auf dem gleichen Niederspannungsstrang wurde die P(U)-Funktion aktiviert, um diese Spannungserhöhung dezentral und mit einem Beitrag von mehreren PV-Anlagen zu reduzieren. Zwischen März und September 2022 wurden in zwei Etappen unterschiedliche Schwellen für die P(U)-Regelung eingestellt (103,5–105,5% / 105–107%). In der Analyse wurden die Daten der Smart Meter ausgewertet. Es konnte gezeigt werden, dass die Wechselrichter bei hoher Netzspannung die Produktionsleistung senkten und die Spannung im Stromnetz wie gewünscht reduzierten (Bild 2).
Vergütung der abgeregelten Energie
Der Einsatz der P(U)-Regelung als netzstützende Massnahme hat den Nachteil, dass die Reduktion der Wirkleistung für die PV-Anlagenbetreiber einen Produktionsverlust verursacht. Wenn die netzstützende Massnahme dem VNB bei der Einhaltung der Spannungsgrenzwerte hilft, ist es angezeigt, dass dieser dem Produzenten den Produktionsausfall vergütet. Der Ausfall kann aber nicht gemessen, sondern muss geschätzt werden.
Für die Berechnung der Produktionsverluste hat Groupe E im Rahmen des Goda-Projektes verschiedene Algorithmen entwickelt und getestet, die auf maschinellem Lernen basieren. Die besten Resultate wurden mit Methoden der linearen Regression und mit Ensemblemethoden erzielt.
Die Algorithmen lernten das Produktionsverhalten der PV-Anlage mit der Produktionsmessung von den Smart Metern und das Verhältnis der Produktion im Vergleich zur Produktion von umliegenden, nicht abgeregelten PV-Anlagen. Nach der Lernphase konnten die Algorithmen die Produktionsverluste mit einem Fehler von nur etwa 1% berechnen. Den Kunden, die ihre PV-Anlage für das Goda-Projekt zur Verfügung gestellt haben, wurde die abgeregelte Energiemenge zum Einspeisetarif vergütet.
Der Einsatz der P(U)-Regelung als netzstützende Massnahme wird bei diesem Vergütungsansatz vom Netz finanziert. Für die Kunden entstehen also weder Vor- noch Nachteile, wenn ihre Anlagen bei der Netzstützung mithelfen.
Regelverhalten von Wechselrichtern
Mit Messungen im Labor für Photovoltaiksysteme der BFH wurde das P(U)-Verhalten von einigen Wechselrichtern als Ergänzung zum Feldtest detailliert analysiert. Das Augenmerk lag auf der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Regelung sowie dem Unterschied zwischen den einzelnen Geräten. Die Messungen sollten zudem zeigen, welchen Einfluss die Einstellungen an den Geräten auf die Stabilität der P(U)-Regelung haben. Dafür wurden die Wechselrichter im Labor an einen PV-Simulator und einen Niederspannungssimulator angeschlossen. Die Simulatoren können z.B. die DC-Leistung variieren und gleichzeitig die AC-Spannung konstant halten – oder umgekehrt. Dies ermöglicht wiederholbare Messungen zum Vergleich der Wechselrichter. Die Geräte wurden sowohl einzeln als auch als Gruppe am selben Verknüpfungspunkt parallel ausgemessen.
Die Laboranalysen haben bestätigt, dass mit den Standardeinstellungen für P(U) in den Wechselrichtern eine zuverlässige Wirkleistungsregelung erreicht werden kann. Die Wechselrichter zeigen grundsätzlich in allen durchgeführten Messszenarien das erwartete Verhalten der Wirkleistungsreduktion beim Überschreiten einer vorgegebenen Spannungsschwelle, womit sie die Netzspannung selbst stabilisieren. Exemplarisch zeigt dies Bild 3 gut – jedes Gerät folgt der Netzspannung und reduziert ab einem gewissen Spannungsniveau seine Wirkleistung, wobei die grossen Unterschiede im Verhalten unübersehbar sind.
Einige Wechselrichter reagieren sehr rasch, während andere ihre Leistung erst mit einer grösseren Verzögerung drosseln. Das Reglerdesign, unterschiedliche Standardparameter und vor allem die Toleranzen der Spannungsmessung haben vermutlich einen grossen Einfluss auf das Regelverhalten. Die Labormessungen zeigen grosse Abweichungen der Leistungsregelung gegenüber dem Erwartungswert.
Es wird beobachtet, dass die Wirkleistung im ungünstigsten Fall real kaum abgeregelt wird, obwohl theoretisch keine Einspeisung mehr stattfinden sollte. Eine Plustoleranz in der Spannungsmessung der Wechselrichter zeigt sich somit direkt in der sich final einstellenden Netzspannung. Dies sollte bei der Definition der Grenzwerte berücksichtigt werden – nötigenfalls ist eine Sicherheitsmarge vorzusehen.
Vereinzelt lassen sich Unstetigkeiten und Kurzzeitschwankungen in der Einspeiseleistung beobachten. Diese zeigen sich häufig nach einer Phase der Abregelung beim Wechsel in den uneingeschränkten Einspeisebetrieb. Zumeist fällt die Leistung kurz (ca. 3 s) und teilweise einige Male hintereinander zusammen. Je Gerät unterscheiden sich die Reaktionen im Effekt stark. Die kleinsten Einbrüche betragen rund 15 bis 20%. Die grössten gemessenen Leistungsschwankungen belaufen sich auf bis zu 80% der zur Verfügung stehenden Leistung, was erheblich ist. Die Herkunft dieses Effekts ist Gegenstand künftiger Analysen.
Durch die Variation von Parametern, welche die Regelung potenziell kritisch beeinflussen könnten, wurde die Stabilität analysiert. Diese Parameter sind der Gradient der P(U)-Kennlinie, der Sollwertfilter und die Zeitkonstante. Je nach Wechselrichter lassen sich nicht alle Parameter verändern.
Die Messungen zeigen, dass es selbst mit hohen Gradienten (bis über 400%/V) sowie mit der Minimierung der Zeiten für Sollwertfilter und Zeitkonstanten gegen null Sekunden keine sich langfristig einstellenden Instabilitäten gibt. Die Wechselrichter können durch die Begrenzung der Änderungsraten und durch ein robustes Reglerdesign eine zufriedenstellende Stabilität gewährleisten. Ein Gerät schwingt mit kleiner Amplitude leicht um den Erwartungswert, sofern die anderen auch aktiv regeln. Selten zeigte sich eine gegenseitige Beeinflussung, welche schlimmstenfalls bis zu einer temporären Bistabilität führt, ehe die korrekte Leistung eingestellt wird. Ausser den beschriebenen Kurzzeitschwankungen, welche weitestgehend unabhängig von den Einstellungen zu sein scheinen, konnten zudem vereinzelt leichte Überschwinger oder Oszillationen aufgrund realitätsfremder Regeleinstellungen festgestellt werden. Die beschriebenen Beobachtungen aus den Labormessungen sind exemplarisch in Bild 4 dargestellt.
Fazit
Im Projekt Goda – Grid Optimization with Decentralized Actors – konnten die Groupe E und das Team der Berner Fachhochschule zeigen, dass die spannungsabhängige Wirkleistungsregelung zuverlässig funktioniert. Die PV- Anlagen reduzieren die rückgespeiste Wirkleistung, wenn die Spannung den Schwellenwert übersteigt.
Die P(U)-Regelung ist mit Standardeinstellungen stabil, obwohl in der effektiven Umsetzung erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wechselrichtern und deren Phasenreserve beobachtet werden. Sogar bei PV-Anlagen, die am selben Verknüpfungspunkt angeschlossen sind, kann sich das Regelverhalten stark unterscheiden, wie die Messungen zeigen. Die Wechselrichter tragen folglich einen unterschiedlich grossen Anteil zur Spannungsstabilisierung bei.
Mit den im Projekt etablierten Schätzmethoden kann die vermiedene Einspeisung jedoch zufriedenstellend bestimmt und die Produzenten auf dieser Basis für ihren Beitrag zur Netzstützung kompensiert werden. Durch Aktivierung von P(U) bei Wechselrichtern in Netzgebieten mit sich abzeichnenden Spannungshaltungsproblemen und durch Nutzung des vorgestellten Vergütungsansatzes konnte eine intelligente Alternative zur Netzverstärkung erprobt und vorgestellt werden.
Links zum Goda-Projekt
Das Projekt Goda wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt. Projektpartner sind die Groupe E SA und die BFH.
Politische Rahmenbedingungen
Damit die P(U)-Regelung einen Beitrag für eine effiziente Integration der Photovoltaik ins Stromnetz leisten kann, ist es wichtig, dass der Verteilnetzbetreiber (VNB) diese Flexibilität der Photovoltaik diskriminierungsfrei und mit einem standardisierten Ansatz einfordern kann. Für ein solches Vorgehen fehlt heute noch die gesetzliche Grundlage. Im Rahmen der aktuellen Überarbeitung des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) sind sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat einig, dass die VNB eine «garantierte» Nutzung der netzdienlichen Flexibilität für die Abregelung eines bestimmten Anteils der Einspeisung einfordern können (StromVG, Art. 17bbis, Abs. 3). Unklar ist noch, was mit dem «bestimmten Anteil» gemeint ist sowie ob und wie die Abregelung vergütet werden muss. Es bleibt zu hoffen, dass diese Gesetzesanpassung baldmöglichst eine effiziente Umsetzung der P(U)-Regelung ermöglichen wird.
Kommentare
Prof. (em.) Dr.Heinrich Häberlin,
Sehr interessantes Projekt und gut verständlicher Bericht. Hoffentlich auch in realen und grösseren Netzen stabil. Viel Erfolg bei den weiteren Messungen.