Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz

Power-to-Product als künftige Rohstoffquelle

Rohstoff für Energie aus erneuerbaren Quellen

04.05.2017

Das IET Institut für Energietechnik der HSR Hochschule für Technik Rapperswil leitet nationale und internationale Power-to-Product-Projekte und leistet somit einen Beitrag zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Ressourcenversorgung.

Zwei der wichtigsten Herausforderungen für eine lebensfreundliche Zukunft sind die Erhaltung des Klimas und die Versorgung der Bevölkerung mit Ressourcen. Power-to-Product-Technologien wirken positiv auf beides. Das IET Institut für Energietechnik der HSR Hochschule für Technik Rapperswil leitet nationale und internationale Power-to-Product-Projekte und leistet somit einen Beitrag zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Ressourcenversorgung.

Klimaschutz und Ressourcenversorgung

Der Endenergiebedarf der Schweiz wird momentan zu zirka 25 % mit Elektrizität gedeckt und zu ungefähr 70 % mit chemischen Energieträgern wie Benzin, Diesel, Erdöl und Erdgas. Die gleichen Substanzen werden auch als Ausgangsstoffe zum Beispiel in der chemischen Industrie verwendet. Für eine nachhaltige Energieversorgung müssen somit nicht nur der elektrische Energieträger Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden, sondern auch die chemischen Energieträger und Rohstoffe.

Dieser Herausforderung stellt sich Markus Friedl, Institutsleiter des IET Institut für Energietechnik, mit seinem Team: «Mit unserer Forschung wollen wir einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung unseres Klimas und der Versorgung mit nachhaltigen Ressourcen, insbesondere mit chemischen Energieträgern, leisten.»

Power-to-Product-Technologien

Bei Power-to-Product-Technologien werden chemische oder biologische Verfahren zur Herstellung von chemischen Grundstoffen eingesetzt. Das Verfahren beginnt mit der Bereitstellung der Ausgangsstoffe Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2). Für die Nachhaltigkeit der Produkte muss der hierfür verwendete Strom zwingend aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt werden. Das Kohlendioxid wird mit einem Spezialfilter aus der Luft oder aus Abgasen gewonnen. Anschliessend erfolgt mit einer technischen Synthese die Herstellung des Endprodukts, zum Beispiel Methangas (CH4) oder Methanol (CH3OH).

Power-to-Product-Technologien vereinen somit mehrere Vorteile: Zum einen kann die Versorgung mit kohlenstoffbasierten Ressourcen sichergestellt werden. Zum anderen können die Produkte in der Schweiz hergestellt werden, unabhängig von ausländischen Lieferanten. Zusätzlich ist der Verbrauch dieser Ressourcen klimaneutral, denn bei der Herstellung und Verwendung der Produkte schliesst sich der Kohlenstoffkreislauf.

Kohlenstoffkreislauf: nachhaltige Rohstoffquelle

Kohlenstoffdioxid liegt in einer natürlichen Konzentration in der Luft vor. Erst eine zu hohe Konzentration des Moleküls verstärkt den Treibhausgaseffekt und verursacht somit die globale Erwärmung. Power-to-Product-Technologien können den weiteren Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde stoppen: Zur Herstellung von kohlenstoffbasierten Ressourcen kann das in der Luft oder in einem Abgasstrom vorhandene CO2 verwendet werden. Bei der Verwendung dieser Produkte, zum Beispiel durch Verbrennung, wird der gebundene Kohlenstoff wieder freigesetzt – die CO2-Bilanz gleicht sich aus. Dieses Verfahren wird als Carbon Capture and Utilization (CCU) bezeichnet. Wird das CO2 wieder endgültig, beispielsweise in der Erde, gespeichert, spricht man von Carbon Capture and Storage (CCS).

Forschung am IET Institut für Energietechnik

Die Expertinnen und Experten am IET erforschen und verbessern diese Technologien. Mit ihren nationalen und internationalen Projekten haben sie sich unter anderem vertieftes Know-how in der Herstellung von Methangas mittels katalytischer Synthese erarbeitet.

Der Verantwortliche der Forschungsgruppe «Power-to-Gas», Boris Meier, ist ein Experte für Kohlenstoffwirtschaft. Seiner Meinung nach steht die Herstellung von synthetischen Ressourcen erst am Anfang: «Für die sichere Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Energie und chemischen Rohstoffen ist die Herstellung von synthetischen, chemischen Energieträgern unverzichtbar. Die Produkte werden in der Industrie benötigt und können zum Beispiel für die Mobilität als langfristige Energiespeicher ge­nutzt werden.»

Neben der Forschung und der Ausbildung des akademischen Nachwuchses bietet die Forschungsgruppe wissenschaftliche Begleitungen und Machbarkeitsstudien für die Industrie an. Zusätzlich veranstaltet das Team Tagungen für Fachpersonen aus Forschung und Industrie und die Öffentlichkeit. Seit 2015 konnten vier Power-to-Gas-Projekte, die im Folgenden kurz erläutert werden, erfolgreich umgesetzt werden.

Erneuerbarer Treibstoff für den Strassenverkehr

Die Verwendung von erneuerbarem Methan als Treibstoff stellt eine mögliche Lösung für einen nahezu CO2-neutralen Strassenverkehr dar. Das IET hat die industriellen Kohlenstoffquellen in der Schweiz für den Einsatz in der Mobilität untersucht.

Die zwei wichtigsten Komponenten zur Herstellung von synthetischem Methan sind erneuerbarer Strom zur Produktion von Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Die Forscherinnen und Forscher haben Biogas- und Kehrichtverbrennungsanlagen sowie Zementwerke als aussichtsreichste industrielle Kohlenstoffdioxidquellen in der Schweiz zur Produktion von synthetischem Methan identifiziert. Eine Power-to-Methane-Anlage sollte somit nach Möglichkeit in direkter Nähe einer dieser Kohlenstoffquellen gebaut werden.

Der Einsatz von synthetischem Methan ist die ideale Ergänzung zur Elektromobilität (zum Beispiel für Plug-in-Hybride), denn mit diesem erneuerbaren Treibstoff lassen sich grosse Fahrdistanzen und kurze Betankungszeiten realisieren. Wird die gesamte CO2-Menge von Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken zu Methangas umgewandelt, so können 43 % des Strassenverkehrs in der Schweiz mit erneuerbarem Treibstoff versorgt werden. Für Projektleiter Boris Meier steht aufgrund seiner Forschungsergebnisse fest: «Unter den heutigen Voraussetzungen ist der limitierende Faktor zur Herstellung von synthetischem Brennstoff für die Schweiz die Menge erneuerbare elek­trische Energie und nicht das Kohlenstoffdioxid.»

Die in der Studie verwendete Methodik lässt sich auch auf andere Länder übertragen. Somit können die Ergebnisse in zukünftigen Untersuchungen auf eine grössere Systemgrenze angewendet werden.

Die 1. Power-to-Methane-Anlage der Schweiz

Theoretische Untersuchungen hatten gezeigt, dass Power-to-Gas-Anlagen einen entscheidenden Beitrag zur Umstellung der Energieversorgung von fossilen auf erneuerbare Energieträger leisten können. Mit dem Aufbau und dem Betrieb einer Power-to-Methane-Anlage gelang den Forscherinnen und Forschern am IET 2015 der Transfer von der Theorie in die Praxis.

Von Anfang 2015 bis März 2017 wurde von den Mitarbeitenden des Professors für Thermo- und Fluiddynamik, Markus Friedl, die erste Po­wer-to-Me­thane-Anlage der Schweiz gebaut und betrieben. Diese Pilot- und Demonstrationsanlage wurde mit einer elektrischen Leistung von 30 kW versorgt und in Rapperswil aufgebaut. Das Kohlenstoffdioxid wurde mit einem Filtersystem der Firma Climeworks direkt aus der Umgebungsluft gewonnen und in einem katalytischen Reaktor zu Me­­than umgewandelt. Der Wirkungsgrad dieser Power-to-Methane-Anlage erreichte 35 %.

Das Methan konnte direkt von einem Fahrzeug an der integrierten Tankstelle bezogen werden. Eine Tankfüllung eines PKW fasst 14 kg Methan. Für diese Herstellung werden 62,9 l Wasser, 38,4 kg CO2 und 626,6 kWh elektrische Energie benötigt. Die Anlage war an das lokale Erdgasnetz angeschlossen. Somit konnte das Gas zur Speicherung in das Gasnetz eingespeist werden.

Das Team hat praktische Forschungsergebnisse erarbeitet und publiziert, die zum Ausreifen der Technologie und einem möglichen Einsatz in der Industrie notwendig sind. Es wurde Fachwissen zum Anlagenbau aufgebaut, zur Steuerung und Programmierung von Anlagenkomponenten und zum Anlagenverhalten in unterschiedlichen Betriebszuständen, welches für die Effizienz der Anlage eine Rolle spielt. Zudem konnte es sich Wissen zu Bewilligungsverfahren und Standortabhängigkeiten aneignen.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Öffentlichkeitsarbeit. In den zwei Jahren wurden rund 90 Medienberichte verfasst und zirka 1000 Besucherinnen und Besucher auf der Anlage über das Fachthema informiert. Für Projektmitarbeiter Luca Schmidlin hat sich der Aufbau der 1. Power-to-Methane-Anlage der Schweiz in dieser Hinsicht gelohnt: «Erst die Tatsache, dass wir die Power-to-Methane-Technologie an einer konkreten Anlage erklären konnten, hat dazu geführt, dass die Rolle erneuerbarer Kraftstoffe in einer zukünftigen Energieversorgung für Besucherinnen und Besucher wortwörtlich greifbar gemacht wurde.»

Die 2. Power-to-Methane-Anlage der Schweiz

Mit technischen Innovationen wollen die Fachleute am IET den Reifegrad der Power-to-Methane-Technologie erhöhen. Die Innovationen an der neuen 10-kW-Anlage, welche sich momentan im Aufbau befindet, stehen im Zeichen der Effizienz. Mit den Innovationen soll die Wirtschaftlichkeit erhöht und die Umweltbelastung gesenkt werden.

Die neue Anlage Hepp (High Efficiency Power-to-Gas Pilot) wird von einer Trägerschaft aus Forschungsförderung und der Industrie realisiert. Die Forschungsergebnisse fliessen in das EU-Projekt Pentagon [1] ein, an dem insgesamt zehn Institutionen aus Bildung und Industrie aus fünf europäischen Ländern beteiligt sind.

Beim Betrieb der ersten Anlage zeigte sich, dass die erneuerbare Elek­trizität, mit der die Anlage betrieben wird, eine Schlüsselrolle spielt. Der Strom stellt den grössten Anteil bei den Kosten und der Umweltbelastung am produzierten Methangas dar. Darum wurde ein Schwerpunkt auf die Steigerung der Effizienz der Anlage gelegt. Projektleiter Luiz de Sousa erklärt: «Die Konzeption der Anlage wurde vollkommen neu gestaltet: Mit einer Hochtemperatur-Elektrolyse und einem integrierten Wärme-Management wollen wir den Wirkungsgrad der Anlage signifikant steigern.»

Bei der Hochtemperatur-Elektrolyse wird der Wasserstoff mit 700 °C heis­sem Wasserdampf hergestellt. Bei der Methansynthese fällt Abwärme an. Diese kann zur Erwärmung des Wasserdampfes eingesetzt werden, wodurch sich der Wirkungsgrad der Power-to-Methane-Anlage erhöht.

Im kleinen Massstab soll der Reifegrad der Technologie erhöht und das System unter industrienahen Bedingungen untersucht werden. Denn ein Hauptziel der Forschungsgruppe ist, herauszufinden, wie eine Übertragung der Technologie auf eine Grossanlage mit mehreren MW elektrischer Leistung möglich ist. Markus Friedl fasst zusammen: «Nur Grossanlagen erlauben einen wirtschaftlich sinnvollen Einsatz der Technologie für einen substanziellen Beitrag zur Energiestrategie 2050.»

EU-Projekt Store&Go

Power-to-Gas-Technologien spielen auch in der Europäischen Union eine grosse Rolle für die Umstellung von konventionellen auf erneuerbare Energieträger. Im Projekt Store&Go [2] liegen die Schwerpunkte der Forschung auf den technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Power-to-Gas.

Das Projekt Store&Go wird von 2016 bis 2020 durchgeführt und ist in das Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» der Europäischen Union eingegliedert. An dem Projekt sind 27 In­­stitutionen aus Bildung und Industrie aus sechs europäischen Ländern beteiligt.

Power-to-Gas ist eine Schlüsseltechnologie für die zukünftige Energieversorgung Europas, die Konvergenz der Netze, die Speicherung von Strom und die Verwendung in der Mobilität. Bei Store&Go werden drei unterschiedliche hoch effiziente Anlagen gebaut und deren synthetisch hergestelltes Gas in die bestehenden Gasnetze eingespeist. Eine dieser Anlagen verflüssigt dieses synthetische Methangas zu Flüssigerdgas (LNG).

Im Projekt wird die Integration der Power-to-Gas-Technologien in eine zukünftige, europäische Energieversorgung untersucht, wofür verschiedene Szenarien entworfen und bewertet werden. Innerhalb des Projekts werden sinnvolle Business Cases für Anwendungen dieser Technologien entwickelt. Zudem werden die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen zur Verbreitung der Technologie untersucht. Eine weitere Facheinheit beschäftigt die Frage nach der sozialen Akzeptanz dieser Technologien in der Bevölkerung.

Jachin Gorre vom IET untersucht insbesondere die Rolle der Schweiz im europäischen Strom- und Gasmarkt. Dabei ist er an konkreten Fragestellungen für die Schweizer Energieversorgungsunternehmen interessiert: «Wir wollen herausfinden, welchen Vorteil die Power-to-Gas-Technologie an konkreten Standorten oder Netzknotenpunkten leisten kann. Zudem möchten wir untersuchen, ob die Wirtschaftlichkeit der Stromnetze erhöht werden kann, indem bei einer Überlastung das Stromnetz durch Power-to-Gas gezielt entlastet wird.»

Zukunft von Power-to-Product-Technologien

Unbestritten hat das Thema Po­wer-to-Product in den letzten Jahren in der Schweizer Forschung und im öffentlichen Interesse an Wichtigkeit gewonnen. Eine Verbreitung der Technologie führt auch zu einer erhöhten Nachfrage nach Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Trotzdem sind weitere Anstrengungen notwendig, um der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen, damit synthetische Energieträger «made in Switzerland» hergestellt werden können. Insbesondere die Strom- und die Gaswirtschaft seien wichtige Partner für die zukünftige Zusammenarbeit, so Markus Friedl: «Eine Power-to-Me­thane-Anlage wird mit erneuerbarem Strom betrieben und produziert Me­­thangas, was die Technologie für Anwendungen in der Strom- sowie in der Gaswirtschaft interessant macht. Auch in Zukunft möchten wir die vielen offenen Fragestellungen zum Einsatz der Technologie mit unseren Industriepartnern erforschen, um die Ressourcenversorgung der Zukunft sicherzustellen.»

Referenzen

[1] www.pentagon-project.eu
[2] www.storeandgo.info
[3] www.sccer-hae.ch

 

1) Anfragen für Besichtigungen der Power-to-Methane-Anlagen: besuch-ptg@hsr.ch.

Autorin
Sandra Moebus

ist  Manager Power-to-Gas beim IET Institut für Energietechnik der HSR Hochschule für Technik Rapperswil.

  • IET Institut für Energietechnik, 8640 Rapperswil

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