Fachartikel ICT , Mobilität

Plug and pay

Ladestationen in der App

03.08.2020

Die Anzahl batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge dürfte mittelfristig stark zunehmen. Doch wo sollen diese Fahrzeuge aufgeladen werden? Im Gegensatz zu Tankstellen stehen Ladestationen nicht einfach so am Strassenrand. Eine App soll die Standorte von privaten und halböffentlichen Ladestationen aufzeigen – und auch gleich die Ladung abrechnen.

Durch die Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris hat sich die Schweiz dazu bekannt, ihren Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Weil die Energieproduktion in der Schweiz praktisch CO2-neutral erfolgt, sind die Hauptverursacher klimaschädlicher Stoffe hierzulande einerseits das Heizen und anderseits der Strassenverkehr. In beiden Bereichen wird Energie primär aus fossilen Quellen gewonnen. Aber während Heizungen in der Schweiz vornehmlich in der kühleren Jahreszeit eingeschaltet sind, rollt der Verkehr ganzjährig. Es ist daher wenig überraschend, dass Politik und Wirtschaft in diesem Bereich ansetzen und Alternativen forcieren.

Entsprechend zuversichtlich fallen daher die Prognosen zur Entwicklung des Anteils von Elektrofahrzeugen am Strassenverkehr aus. So geht beispielsweise Swiss E-Mobility, der Schweizer Elektromobilitätsverband, davon aus, dass in 20 Jahren weltweit jedes dritte Fahrzeug elektrisch betrieben werden wird, wobei der Anteil in Europa und der Schweiz sogar noch höher liegen werde.

Alle diese «Steckerfahrzeuge» müssen von Zeit zu Zeit ihre Batterien an Ladestationen aufladen. Davon gibt es im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftstofftankstellen aber noch nicht so viele. Ausserdem befinden sie sich anders als Letztere in der Regel nicht an viel befahrenen Routen, sondern werden zumeist in Verbindung mit einem Parkplatz angeboten, was ja auch sinnvoll ist, da der Ladevorgang eine gewisse Dauer benötigt. Zwar befindet sich im Moment ein Ladestationen-Hochleistungsnetz entlang der Autobahnen im Aufbau. Ladungen an diesen Stationen sind aber teuer und primär für Vielfahrer gemacht.

Gesucht? Gefunden!

Ladestationen sind bisweilen also nicht so ohne Weiteres auffindbar. Abhilfe schaffen will dabei das junge Start-up-Unternehmen «eCar­Up» aus dem zugerischen Rotkreuz. Das Unternehmen hat eine Lösung entwickelt, mit der Besitzer von privaten oder halböffentlichen Ladestationen diese kommerziell nutzen können. Eine App zeigt Fahrern von E-Fahrzeugen verfügbare Ladestationen in einem beliebigen Radius an. Angezeigt wird auch der Strompreis, den die Ladestations-Besitzer selbst festlegen können.

«Wer eine Ladestation hat und diese anderen zugänglich machen möchte, kann einfach unsere App in­stallieren, einen Preis für den Strom festlegen und Geld verdienen», fasst Martina Hickethier, Marketing-Verantwortliche bei «eCarUp», das Prinzip zusammen. Die Ladestation muss initial auf der Plattform integriert werden. Das geschieht entweder mit einem Nachrüstset, per Software- oder per API-Schnittstelle. Die Methode hängt von der Art der Ladestation und den IT-Fertigkeiten ihres Besitzers ab.

Ein Fünftel Steckerfahrzeuge bis im Jahr 2030

Dass dieses Modell eine Zukunft hat, davon ist die Firma überzeugt: «Konservative Schätzungen gehen von einem Zwanzig-Prozent-Anteil an elektrisch betriebenen Fahrzeugen bis 2030 aus. Die meisten laden ihre Fahrzeuge zu Hause oder am Arbeitsplatz. Wenn man berücksichtigt, dass rund siebzig Prozent der Schweizer in einem Mehrfamilienhaus wohnen, liegt es auf der Hand, dass Ladestationen künftig eine Verwaltungs- und Abrechnungssoftware benötigen.»

Entstanden ist die Idee zu diesem System aus der Entwicklung von Smart Metern, dem Geschäft der Firma Smart-Me, aus der «eCarUp» hervorgegangen ist. Gerade in einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) ist es sinnvoll, auch Ladestationen in das Energiemanagement eines Gebäudekomplexes aufzunehmen. «Wir merkten, dass es auch ausserhalb einer ZEV ein grosses Bedürfnis ist, Ladestationen im privaten und halbprivaten Bereich intelligent zu machen», erklärt Martina Hickethier. Während im privaten Bereich einfache Ladestationen ausreichen, brauche es im halböffentlichen oder öffentlichen Bereich Systeme, die eine Zuordnung des konsumierten Stroms ermöglichen. Ein Mehrfamilienhaus mit einer Ladestation, welche allen Bewohnern offensteht, ist beispielsweise ein solcher Anwendungsfall, damit jede Partei nur den Strom bezahlen muss, den sie tatsächlich bezieht. «Dazu ist eine gewisse Zugangskontrolle nötig. Im Idealfall existiert auch ein Lastmanagement.» Schliesslich könne die Anschlussleistung schnell einmal überlastet sein, wenn mehrere Ladestationen im gleichen Gebäude zur Verfügung stünden.

Anschluss für sämtliche Ladestationen-Modelle

Das Backend der Lösung des jungen Unternehmens ist unabhängig von den Technologien, welche in den heutigen Ladestationen zum Einsatz kommen, aufgebaut. So können sämtliche Modelle von Ladestationen integriert werden. Die technische Unsicherheit, und damit ein Investitionshindernis, fällt somit komplett weg.

Wer ein Elektrofahrzeug fährt, muss auf seinem Smartphone die «eCar­Up»-App installieren. Bezahlt wird per Kreditkarte, oder man erhält eine Abrechung via Stromrechnung, wenn sich die Ladestation im Perimeter des lokalen EVU befindet – und das EVU mit dieser Lösung arbeitet. Ermöglicht wird dies durch eine Schnittstelle für Drittsysteme. So gelangen die Informationen über die Ladevorgänge letztlich auf die Stromrechnung des Kunden. Die Fahrzeugladungen werden auf dieser gesondert ausgewiesen.

Die Lösung bewährt sich

Dass die Lösung praxistauglich ist, hat sich beispielsweise bei Energie Thun gezeigt. Der Berner Energieversorger holte die Livedaten über die Schnittstelle aus der Cloud und rechnete innerhalb des Stadtgebiets per Stromrechnung ab. Die Alfred Müller AG, eine Immobilienagentur aus Baar, verfügt über ein umfangreiches Objektportfolio und erstellt in Neubauten standardmässig Ladesta­tionen. Das Unternehmen rechnet 160 Ladestationen über die Plattform von «eCarUp» ab.

Wer seine Ladestation auf dieser Plattform anbieten möchte, kann nicht nur festlegen, zu welchem Preis der Strom verkauft werden soll, sondern auch wer wann laden kann. Diese Einstellungen können sowohl in der App als auch im entsprechenden Webportal vorgenommen werden. Es kann also vorkommen, dass eine Ladestation an einem Tag in der Abfrage erscheint, am nächsten aber nicht mehr. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Ladestation auf einem nur während bestimmten Zeiten zugänglichen Werks- oder Unternehmensparkplatz befindet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen die Ladestation auf dem Firmengelände dann durchgehend, während sie für Externe nur zu den Geschäftszeiten sichtbar sind.

Expansion in Nachbarstaaten

Das Unternehmen aus Rotkreuz geht seine Entwicklung sehr ambitioniert an. Vor Jahresfrist wurden rund 500 Ladestationen über seine Lösung abgewickelt. Mitte 2020 verwaltet es rund 1000 Ladestationen über die App. Die weitere Entwicklung sieht vor, das System für das mobile Netz aufzurüsten und ein dynamisches Pricing zu etablieren. Auch das europäische Ausland wäre interessant, doch aufgrund regulatorischer und juristischer Unklarheiten rechnet das Unternehmen in den Nachbarstaaten mit längeren Fristen. Um auf dem Markt in Deutschland Fuss zu fassen, sollen bis Ende 2020 die Voraussetzungen geschaffen werden, um das deutsche Eichrecht zu erfüllen.

Das alles hört sich sowohl für EVU als auch für E-Auto-Fahrer nach einer bequemen Hilfestellung auf der Suche nach Ladestationen und der Abrechnung von Ladevorgängen an. Aber wie steht es um den Datenschutz? Ermöglicht die Übermittlung von Live-Daten gar die Erstellung von Bewegungsprofilen? Dazu gilt es sicher, wieder einmal in Erinnerung zu rufen, dass Autohersteller schon heute eine Flut von Daten ihrer Fahrzeuge (und damit auch ihrer Kunden) sammeln. Ausserdem verwendet die «eCarUp»-Lösung eine End-to-End-Verschlüsselung, wie sie auch bei Smart Metern verwendet wird. Martina Hickethier: «Ein EVU erfährt zwar live, dass jemand sein Auto an Ladestation XY lädt. Personenrelevante Daten sind aber keine dabei. Das wird erst auf der Abrechnung ersichtlich.»

Autor
Ralph Möll

ist Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

Kommentare

Martina Hickethier,

Super Beitrag! Vielen Dank für die hervorragende Berichterstattung!

Hansruedi Würsch,

Wenn ich in Davos mit der Smartme-App nach Ladestationen suche, kommt die Wallbe vom EWD, EWDavos, diese muss ich während Bürozeiten aktivieren lassen & persöhnlich abrechnen.
Die 2. Walbe Hotel Grischa in der Tiefgarage wenn kein Gast dranhängt.
Chargemap gibt ca 20 Ladepunkte an. Was mach ich mit eCarUp wenn meine Ladestationen alles oder mehr können als eCarUp kann?

Cornel Beeler,

Geschätzter Herr Würsch,
Als Fahrer können Sie in der eCarUp App unter den Menüpunkten "Karte" oder "In der Nähe" den Filter "Partnerstationen einbinden" aktivieren. Dann werden Ihnen in der Liste der Ihnen nahe gelegenen Stationen und auf der Karte die Ladestationen der eCarUp Partnernetzwerke angezeigt. Sie können verfügbare Stationen direkt antippen und dann wie gewohnt mit einem Klick auf den Button "Aktivieren" freischalten. Die Abrechnung erfolgt wie gewohnt über die von Ihnen hinterlegte Kreditkarte.

ACHTUNG: Die in der eCarUp angezeigten Preise von Stationen aus Partnernetzwerken basieren auf den vom jeweiligen Partnernetzwerk spezifizierten Preisen und können sehr stark variieren. Auch sehr hohe Preise können nicht ausgeschlossen werden. Je nach dem können die Preise auch ändern (wenn ein Partnernetzwerk die Preise anpasst). Es lohnt sich, die Gebühren vor dem Aktivieren sorgfältig zu prüfen.

Bei weiteren Fragen dürfen Sie sich auch an info@ecarup.com melden.

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