Rückschau Erneuerbare Energien

PV-Experten trafen sich in Mailand

PV-Konferenz EUPVSEC, IEEE PV Conference und WCPEC

19.10.2022

Seit Jahrzehnten trifft sich die PV-Forschungs­gemeinde zu der Europäischen PV-Konferenz EUPVSEC, der IEEE PV Conference und alle vier Jahre zur World Conference on PV Energy Conversion WCPEC. Ende September 2022 wurden in Mailand gleich alle drei Konfe­renzen zusammen­gelegt. Dabei wurden fast 900 ausgewählte Forschungs­beiträge präsentiert, davon 5% aus der Schweiz.

Traditionell dominieren die Arbeiten zu neuen Solarzellen-Konzepten. Solche Konzepte haben es aber schwer, die dominanten kristallinen Silizium-Solarzellen herauszufordern, denn Letztere haben den Wirkungsgrad auf über 20% gesteigert und den Herstellungspreis um das 5000-Fache auf heute unter 0,2 Fr./W gesenkt.

1 TW pro Jahr als Zwischenziel

In der Mailänder Konferenz dominierte das Thema «PV-Markt Richtung 1 TW». Berücksichtigt man, dass der PV-Markt 1975 bei 40 kW lag, ist das eine Steigerung um das 25-Millionen-Fache. Bei einem solchen Wachstum stellt sich die Frage nach den Materialien, deren Herkunft, der Lebensdauer sowie dem Recycling nach Ablauf der Lebensdauer der PV-Anlagen.

2022 wird die Photovoltaik eine historische Marke überschreiten. Es werden dann weltweit über 1 TW PV-Module installiert sein, mit einer jährlichen Strom­produktion von über 1 PWh (Schweiz 60 TWh). Die 1 TW-Jahres­pro­duktion sind aber erst ein Zwischenziel. Prof. Thomas Reindl vom Solar Energy Resarch Institute in Singapore zeigte, wie man auf 63 PWh/a Strom­produktion kommt. Er sieht vier Anwendungen: Dachanlagen, Freiflächenanlagen, Agri-PV sowie Floating- PV auf Gewässern, und plädierte für die neue Anwendung «Maritime PV» – aus Singapurer Sicht eine nach­voll­ziehbare Lösung. Schliesslich braucht es aber kaum 63 PWh Solarstrom im Jahr, denn der aktuelle globale Stromverbrauch liegt bei 21 PWh.

Materialverbrauch in 2050

Die Dekarbonisierung ersetzt fossile Energien, benötigt aber Stoffe wie Aluminium, Kupfer, Beton, Stahl und Silizium. Eine Studie der australischen Universität North South Wales (UNSW) untersuchte, wie der Materialbedarf bei verschiedenen Szenarien liegt. Am meisten werden Beton (für Frei­flächen­anlagen), Kupfer und Aluminium benötigt. Hier erreicht der Bedarf bis 20% des aktuellen Weltbedarfs. Aluminium könnte gut ersetzt werden, z.B. mit Glas-Glas-PV-Modulen ohne Rahmen. Kupfer (Kabel) wird in Zukunft wohl teilweise durch Aluminium ersetzt. Die Material­ressourcen stellen also kein Hindernis bei einer massiven Expansion des PV-Marktes dar. Eine Kreislauf-Wirtschaft mit Recycling gewinnt künftig aber noch an Bedeutung.

PV works everywhere

Einer der Trends der WCPEC-/ EUPVSEC-Konferenz war: PV geht überall. Dies sowohl geografisch von Alaska bis Südafrika als auch in immer mehr Anwendungs­segmenten im Gross­massstab. Die mengen­mässig dominanten Anwendungen sind PV-Freiflächen-Grossanlagen (in der Schweiz bisher weitgehend verboten) und PV-Dachanlagen.

Grosses Potenzial und Interesse hat die weitere Integration der PV in Gebäude, die «Building integrated PV, BIPV». Integrierte PV-Dachanlagen sind weitgehend Standard. Für Forscher stehen Solarfassaden und ihre Anwendung im Vordergrund. Hier dominieren einzelne herausragende Gebäude – der Massenmarkt ist noch nicht erschlossen.

Neu im Gigawatt-Markt ist die «Agri-PV», die Anwendung von PV in der Landwirtschaft. Die Schweizer Firma Insolight AG stellte einen solchen Prototypen vor. In Conthey im Wallis werden mit einer 18-kW-Anlage Strom und Himbeeren «produziert».

Der GW-Markt steht den PV Integrated Vehicles (PVIV) noch bevor. Japan hat hier den Lead über­nommen und die Forschungs­gemeinschaft mobilisiert. Diese arbeitet im Task 17 «PV Integrated Vehicles» des IEA-Progamms «PV Power Systems». Interessant ist, dass in dieser Anwendung der Preis der Solarzelle weniger wichtig ist, ein sehr hoher Wirkungsgrad aber umso mehr. Das fördert die Forschung und Entwicklung von hocheffizienten Solarzellen mit teilweise über 30% Wirkungsgrad. Diese Arbeiten wurden von einem Vertreter des Automobil­herstellers Toyota vorgestellt.

Älteste netzgekoppelte PV-Anlage der Welt im Tessin

Man warf auch einen Blick in die Vergangenheit. Das Forschungsinstitut Supsi aus Mendrisio stellte die Erfahrungen mit seiner 40-jährigen PV-Anlage Tiso in Lugano vor, der weltweit ältesten netzgekoppelten PV-Anlage. Dabei wurden 288 Arco Solar ASI 16-2300 PV-Module mit 37-W-Nennleistung zu einer Gesamtleistung von 10 kW verschaltet.

Schweizer PV-Forschung

Die hiesige PV-Forschung war in Mailand gut vertreten. Schwerpunkte waren die PV-Forschungs­center Supsi aus Mendrisio, die Forscher­teams der EPFL, des CSEM aus Neuenburg, der ZHAW sowie des PV-Labors der Berner Fach­hoch­schule in Burgdorf. Sie decken ein breites Segment von Modul­forschung, Anwendungs­techno­logien und -verfahren, sowie neue PV-Anwen­dungen ab. Interessant sind aber auch die Abwesenden: Universitäten, Fach­hoch­schulen und die ETH Zürich. Dies ist besonders bei Letzterer bedauerlich und erklärt wohl auch Studien der ETH, bei denen PV-Strompreise für 2050 prognostiziert wurden, die beim Erscheinen der Studie bereits unter­schritten waren. Absolventen dieser Institu­tionen werden mangels Kennt­nissen und Motivation kaum zur Deckung des Personal­mangels der PV-Industrie beitragen. Denn diese Zukunft basiert weniger auf «Smart Grids», sondern primär auf einem deutlichen Zubau an PV.

Richtung 100% Erneuerbare

Die Photovoltaik kann in allen bewohnten Gegenden eingesetzt werden. Dabei sind Kombinationen von PV mit Wind- und Wasserkraft für die Schweiz besonders interessant. Aber wie die Schweizer Forscher Jan Remund (Meteotest) und Prof. Franz Baumgartner (ZHAW) an der Konferenz sagten, muss primär viel PV zugebaut werden: 2 GW über 20 Jahre. Die Arbeit dürfte der Branche also in nächster Zeit nicht ausgehen

Autor
Prof. em. Urs Muntwyler

ist CTO der Dr. Schüpbach & Muntwyler GmbH.

  • Dr. Schüpbach & Muntwyler GmbH, 3007 Bern

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