PV-Experten trafen sich in Mailand
PV-Konferenz EUPVSEC, IEEE PV Conference und WCPEC
Seit Jahrzehnten trifft sich die PV-Forschungsgemeinde zu der Europäischen PV-Konferenz EUPVSEC, der IEEE PV Conference und alle vier Jahre zur World Conference on PV Energy Conversion WCPEC. Ende September 2022 wurden in Mailand gleich alle drei Konferenzen zusammengelegt. Dabei wurden fast 900 ausgewählte Forschungsbeiträge präsentiert, davon 5% aus der Schweiz.
Traditionell dominieren die Arbeiten zu neuen Solarzellen-Konzepten. Solche Konzepte haben es aber schwer, die dominanten kristallinen Silizium-Solarzellen herauszufordern, denn Letztere haben den Wirkungsgrad auf über 20% gesteigert und den Herstellungspreis um das 5000-Fache auf heute unter 0,2 Fr./W gesenkt.
1 TW pro Jahr als Zwischenziel
In der Mailänder Konferenz dominierte das Thema «PV-Markt Richtung 1 TW». Berücksichtigt man, dass der PV-Markt 1975 bei 40 kW lag, ist das eine Steigerung um das 25-Millionen-Fache. Bei einem solchen Wachstum stellt sich die Frage nach den Materialien, deren Herkunft, der Lebensdauer sowie dem Recycling nach Ablauf der Lebensdauer der PV-Anlagen.
2022 wird die Photovoltaik eine historische Marke überschreiten. Es werden dann weltweit über 1 TW PV-Module installiert sein, mit einer jährlichen Stromproduktion von über 1 PWh (Schweiz 60 TWh). Die 1 TW-Jahresproduktion sind aber erst ein Zwischenziel. Prof. Thomas Reindl vom Solar Energy Resarch Institute in Singapore zeigte, wie man auf 63 PWh/a Stromproduktion kommt. Er sieht vier Anwendungen: Dachanlagen, Freiflächenanlagen, Agri-PV sowie Floating- PV auf Gewässern, und plädierte für die neue Anwendung «Maritime PV» – aus Singapurer Sicht eine nachvollziehbare Lösung. Schliesslich braucht es aber kaum 63 PWh Solarstrom im Jahr, denn der aktuelle globale Stromverbrauch liegt bei 21 PWh.
Materialverbrauch in 2050
Die Dekarbonisierung ersetzt fossile Energien, benötigt aber Stoffe wie Aluminium, Kupfer, Beton, Stahl und Silizium. Eine Studie der australischen Universität North South Wales (UNSW) untersuchte, wie der Materialbedarf bei verschiedenen Szenarien liegt. Am meisten werden Beton (für Freiflächenanlagen), Kupfer und Aluminium benötigt. Hier erreicht der Bedarf bis 20% des aktuellen Weltbedarfs. Aluminium könnte gut ersetzt werden, z.B. mit Glas-Glas-PV-Modulen ohne Rahmen. Kupfer (Kabel) wird in Zukunft wohl teilweise durch Aluminium ersetzt. Die Materialressourcen stellen also kein Hindernis bei einer massiven Expansion des PV-Marktes dar. Eine Kreislauf-Wirtschaft mit Recycling gewinnt künftig aber noch an Bedeutung.
PV works everywhere
Einer der Trends der WCPEC-/ EUPVSEC-Konferenz war: PV geht überall. Dies sowohl geografisch von Alaska bis Südafrika als auch in immer mehr Anwendungssegmenten im Grossmassstab. Die mengenmässig dominanten Anwendungen sind PV-Freiflächen-Grossanlagen (in der Schweiz bisher weitgehend verboten) und PV-Dachanlagen.
Grosses Potenzial und Interesse hat die weitere Integration der PV in Gebäude, die «Building integrated PV, BIPV». Integrierte PV-Dachanlagen sind weitgehend Standard. Für Forscher stehen Solarfassaden und ihre Anwendung im Vordergrund. Hier dominieren einzelne herausragende Gebäude – der Massenmarkt ist noch nicht erschlossen.
Neu im Gigawatt-Markt ist die «Agri-PV», die Anwendung von PV in der Landwirtschaft. Die Schweizer Firma Insolight AG stellte einen solchen Prototypen vor. In Conthey im Wallis werden mit einer 18-kW-Anlage Strom und Himbeeren «produziert».
Der GW-Markt steht den PV Integrated Vehicles (PVIV) noch bevor. Japan hat hier den Lead übernommen und die Forschungsgemeinschaft mobilisiert. Diese arbeitet im Task 17 «PV Integrated Vehicles» des IEA-Progamms «PV Power Systems». Interessant ist, dass in dieser Anwendung der Preis der Solarzelle weniger wichtig ist, ein sehr hoher Wirkungsgrad aber umso mehr. Das fördert die Forschung und Entwicklung von hocheffizienten Solarzellen mit teilweise über 30% Wirkungsgrad. Diese Arbeiten wurden von einem Vertreter des Automobilherstellers Toyota vorgestellt.
Älteste netzgekoppelte PV-Anlage der Welt im Tessin
Man warf auch einen Blick in die Vergangenheit. Das Forschungsinstitut Supsi aus Mendrisio stellte die Erfahrungen mit seiner 40-jährigen PV-Anlage Tiso in Lugano vor, der weltweit ältesten netzgekoppelten PV-Anlage. Dabei wurden 288 Arco Solar ASI 16-2300 PV-Module mit 37-W-Nennleistung zu einer Gesamtleistung von 10 kW verschaltet.
Schweizer PV-Forschung
Die hiesige PV-Forschung war in Mailand gut vertreten. Schwerpunkte waren die PV-Forschungscenter Supsi aus Mendrisio, die Forscherteams der EPFL, des CSEM aus Neuenburg, der ZHAW sowie des PV-Labors der Berner Fachhochschule in Burgdorf. Sie decken ein breites Segment von Modulforschung, Anwendungstechnologien und -verfahren, sowie neue PV-Anwendungen ab. Interessant sind aber auch die Abwesenden: Universitäten, Fachhochschulen und die ETH Zürich. Dies ist besonders bei Letzterer bedauerlich und erklärt wohl auch Studien der ETH, bei denen PV-Strompreise für 2050 prognostiziert wurden, die beim Erscheinen der Studie bereits unterschritten waren. Absolventen dieser Institutionen werden mangels Kenntnissen und Motivation kaum zur Deckung des Personalmangels der PV-Industrie beitragen. Denn diese Zukunft basiert weniger auf «Smart Grids», sondern primär auf einem deutlichen Zubau an PV.
Richtung 100% Erneuerbare
Die Photovoltaik kann in allen bewohnten Gegenden eingesetzt werden. Dabei sind Kombinationen von PV mit Wind- und Wasserkraft für die Schweiz besonders interessant. Aber wie die Schweizer Forscher Jan Remund (Meteotest) und Prof. Franz Baumgartner (ZHAW) an der Konferenz sagten, muss primär viel PV zugebaut werden: 2 GW über 20 Jahre. Die Arbeit dürfte der Branche also in nächster Zeit nicht ausgehen
Kommentare