Verband ESTI , Infrastruktur , Regulierung

Periodische Kontrolle bei Handänderung

Wann liegt eine Handänderung im Sinne der NIV vor?

06.03.2019

Eine Handänderung im Sinne der NIV verpflichtet den Eigentümer einer elektrischen Installation, diese einer periodischen Kontrolle zu unterziehen. Es ist deshalb zu definieren, wann eine Handänderung vorliegt. Je nachdem, ob ein Erbgang, eine Fusion, eine Erbteilung, eine Schenkung, ein Erbvorbezug oder die Veräusserung von Gesamteigentum oder von Miteigentum einen Eigentümerwechsel bewirkt, ergeben sich daraus unterschiedliche Konsequenzen.

Gemäss Ziffer 3 des Anhangs zur Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen (NIV; SR 734.27) müssen elektrische Installationen mit zehn- oder zwanzigjähriger Kontrollperiode ausserdem bei jeder Handänderung nach Ablauf von fünf Jahren seit der letzten Kontrolle kontrolliert werden.

Unter «Handänderung» wird gemeinhin ein Rechtsgeschäft verstanden, das auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück als Ganzes gerichtet ist und der dafür notwendigen Formen und Rechtshandlungen bedarf.

Gelegentlich ist unklar, welche Vorgänge als Handänderung im Sinne der NIV zu qualifizieren sind, da die Verordnung diesen Begriff nicht definiert. Die betreffende Bestimmung zielt hauptsächlich auf den Grundstückkauf ab. Im Zeitpunkt, in welchem eine Liegenschaft den Eigentümer wechselt, soll auch die Sicherheit der elektrischen Installationen überprüft werden. Der Erwerber soll grundsätzlich ein mängelfreies Objekt übernehmen oder zumindest die bestehenden Mängel kennen. Damit sollen Diskussionen über die Pflicht zur Gewährleistung in Bezug auf die Sicherheit der elektrischen Installationen vermieden werden (Schutz des Erwerbers). In diesem Zusammenhang kann auf Art.  219 Abs.  3 des Obligationenrechts (OR; SR 220) verwiesen werden, wonach beim Grundstückkauf die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums angerechnet, verjährt.

Nachfolgend werden diejenigen Vorgänge dargestellt, bei denen sich die Frage nach einer Handänderung am häufigsten stellt.

Erbgang

Nach Art. 560 Abs.  1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) erwerben die Erben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes. Zu diesem Erwerb gehört u.a. auch das Eigentum (Art. 560 Abs. 2 ZGB).

Beim Erbgang gilt das Prinzip der Universalsukzession (Gesamtnachfolge).  Das bedeutet, dass mit einem einzigen Vorgang, dem Tod (oder der Verschollenerklärung) des Erblassers, alle überhaupt vererbbaren Vermögenswerte, die dem Erblasser im Zeitpunkt des Todes zugestanden hatten, aber auch die Schulden des Erblassers, auf die Erben übergehen.  Die Universalsukzession kann durch den Erblasser nicht wegbedungen werden, da es sich um zwingendes Recht handelt.  Das Vermögen des Erblassers fällt durch dessen Tod nicht auseinander, sondern bleibt als Einheit bestehen; d.h., dass alle Erben (gesetzliche wie eingesetzte) gemeinsam in die Gesamtnachfolge eintreten und eine Erbengemeinschaft nach Art. 602 ZGB bilden.  Sie erwerben Eigentum und andere Rechte, ohne dass es dafür weiterer Rechtshandlungen (wie öffentliche Beurkundung von Grundstücksgeschäften bzw. Grundbucheintrag) bedarf.

Der Erbgang ist keine Handänderung im Sinne von Ziffer 3 Anhang NIV. Es findet keine periodische Kontrolle statt.

Erbteilung

Durch die Erbteilung werden die Erbschaftsgegenstände (z.B. ein Grundstück) nach dem Erbgang in die Alleinberechtigung der Erben überführt.  Nach Art. 634 Abs. 1 ZGB wird die Teilung mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose (Realteilung) oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages für die Erben verbindlich. Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form
(Art. 634 Abs. 2 ZGB).

Handelt es sich um Grundeigentum, das übertragen wird, bedarf es zusätzlich eines Grundbucheintrages, weil das Grundeigentum erst mit diesem Eintrag von der Erbengemeinschaft auf den einzelnen Erben übergeht.

Es liegt eine Handänderung im Sinne von Ziffer 3 Anhang NIV vor, die eine periodische Kontrolle der elektrischen Installationen nach sich zieht, wenn seit der letzten Kontrolle mehr als fünf Jahre vergangen sind.

Erbvorbezug

Beim Erbvorbezug überträgt der Erblasser den gesetzlichen Erben (Nachkommen; Eltern; überlebender Ehegatte; eingetragene Partnerin oder eingetragener Partner) einen Teil seiner Vermögenswerte schon zu Lebzeiten (vgl. Art. 626 ZGB).

Wird im Rahmen eines Erbvorbezugs ein Grundstück zu Eigentum übertragen, handelt es sich um eine Handänderung im Sinne der NIV. Es ist eine periodische Kontrolle durchzuführen, wenn die letzte Kontrolle der elektrischen Installationen mehr als fünf Jahre zurückliegt.

Schenkung

Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus seinem Vermögen einen anderen ohne entsprechende Gegenleistung bereichert (Art. 239 Abs. 1 OR).

Bei Grundeigentum und dinglichen Rechten  an Grundstücken kommt eine Schenkung erst mit der Eintragung in das Grundbuch zustande (Art. 242 Abs. 2 OR).

Die Schenkung eines Grundstücks ist als Handänderung gemäss Ziffer 3 Anhang NIV zu qualifizieren. Es findet eine periodische Kontrolle statt, wenn die letzte Kontrolle der elektrischen Installationen mehr als fünf Jahre zurückliegt.

Veräusserung von Gesamteigentum

Gesamteigentum liegt vor, wenn mehrere Personen eine Sache (z.B. ein Grundstück) kraft Gesetz oder Vertrag gemeinsam in ihrem Eigentum haben und nur gemeinsam darüber verfügen können

(Art. 652 ff. ZGB). Die wichtigsten Anwendungsfälle von Gesamteigentum sind die Erbengemeinschaft
(Art. 602 ZGB) sowie die Personengesellschaften (einfache Gesellschaft [Art. 530 ff. OR]; Kollektivgesellschaft [Art. 552 ff. OR]; Kommanditgesellschaft [Art. 594 ff. OR]).

Gemäss Art. 654 Abs. 1 ZGB geht das Gesamteigentum an einer Sache u.a. durch deren Veräusserung an einen Dritten unter. Umstritten ist, ob auch bei Veräusserungen einer im Gesamteigentum stehenden Sache an einen Gemeinschafter (z.B. durch Übertragung eines Gesellschaftsgrundstückes an einen Gesellschafter) ein Eigentumsübergang stattfindet.  Diesbezüglich herrscht die Meinung vor, dass einem Eigentümer das Eigentum an derselben Sache nicht noch einmal übertragen werden kann.

Daraus abgeleitet, ist wie folgt zu differenzieren: Wird das im Gesamteigentum stehende Grundstück als Ganzes an einen Gemeinschafter veräussert, liegt keine Handänderung im Sinne der NIV vor, bei Veräusserung an einen Dritten hingegen schon. Im letzteren Fall findet eine periodische Kontrolle statt, wenn die letzte Kontrolle mehr als fünf Jahre zurückliegt.

Veräusserung von Miteigentum

Miteigentum bedeutet, dass mehrere Personen eine Sache gemeinsam in ihrem Eigentum haben und jede von ihnen über ihren Anteil frei verfügen kann.

Beim Miteigentum ist nicht die Sache selbst, sondern lediglich die Ausübung des Eigentums daran geteilt.  Daraus folgt, dass der jeweilige Miteigentumsanteil nicht in natura an der Sache aufgezeigt werden kann.  Jeder Miteigentümer kann das Eigentumsrecht zwar anteilsmässig ausüben, jedoch nicht in Bezug auf einen vorfixierten, real ausgeschiedenen Teil der Sache.

Die Veräusserung von gewöhnlichen Miteigentumsanteilen gilt daher nicht als Handänderung, die eine periodische Kontrolle nach Ziffer 3 Anhang NIV nach sich zieht. Erst die Veräusserung der gemeinschaftlichen Sache als Ganzes löst die Kontrollpflicht aus, wenn in den vergangenen fünf Jahren keine Installationskontrolle mehr stattgefunden hat.

Stockwerkeigentum (Art. 712a-712t ZGB) ist eine besondere Ausgestaltung von Miteigentum (vgl. Art. 712a Abs. 1 ZGB). Dem einzelnen Stockwerkeigentümer steht ein ausschliessliches Nutzungs- und Verwaltungsrecht an bestimmten Räumen sowie die Berechtigung, diese Räume baulich auszugestalten, zu (sog. Sonderrecht; Art. 712a Abs. 1 und 2 ZGB).

Bei der Veräusserung einer Stockwerkeinheit, mit der ein Sonderrecht nach Art. 712a ZGB verbunden ist, gilt Folgendes: Dieser Vorgang stellt eine Handänderung dar, die von Ziffer 3 Anhang NIV erfasst wird. Es findet eine periodische Kontrolle statt, wenn die letzte Kontrolle mehr als fünf Jahre zurückliegt.

Fusion

Das Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301) regelt u.a. die Anpassung der rechtlichen Strukturen von Kapitalgesellschaften, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Einzelunternehmen im Zusammenhang mit Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (vgl. Art. 1 Abs. 1 FusG).

Gemäss Art. 22 Abs. 1 erster Satz FusG wird die Fusion mit der Eintragung ins Handelsregister rechtswirksam. In diesem Zeitpunkt gehen alle Aktiven und Passiven der übertragenden Gesellschaft von Gesetzes wegen auf die übernehmende Gesellschaft über (Art. 22 Abs. 1 zweiter Satz FusG). Es gilt auch hier das Prinzip der Universalsukzession.  Das heisst, dass der Rechtsnachfolger ohne weiteres und ohne Einschränkungen in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintritt.

Es findet keine Handänderung im Sinne der NIV statt. Es ist keine periodische Kontrolle durchzuführen.

Scheidung

Bei einer Scheidung befindet das Gericht auch über die Folgen der Scheidung, zu welchen auch die güterrechtliche Auseinandersetzung gehört (vgl. Art. 283 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [SR 272]). Ob nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung eine Handänderung im Sinne der NIV vorliegt, beurteilt sich nach der Änderung der Eigentumsverhältnisse nach rechtskräftigem Scheidungsurteil. Hierzu wird auf die oben erwähnten Vorgänge (Veräusserung von Gesamt- und Miteigentum, allenfalls Schenkung) verwiesen.

Fazit

Ob eine Handänderung im Sinne der NIV vorliegt, hängt vom jeweiligen Vorgang ab. Die Übertragung des Eigentums (an einem Grundstück) beim Erbgang oder bei einer Fusion nach FusG stellt keine Handänderung dar (Prinzip der Universalsukzession). Gegenteilig verhält es sich bei der Erbteilung, der Schenkung und dem Erbvorbezug. Wird Miteigentum oder Gesamteigentum veräussert, ist zu differenzieren. Die aufgezeigten Lösungen stimmen mit dem Zweck der Vorschrift von Ziffer 3 Anhang NIV überein. Zudem sind sie für die Netzbetreiberinnen, die diese Bestimmung umsetzen müssen, zum Vollzug geeignet.

Referenzen

[1] Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Geiser Thomas (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, Art. 457-977 ZGB, Art. 1-61 SchlT ZGB, 5. Auflage, Basel 2015 (zit. Bearbeiter, BSK ZGB II, N … zu Art. … ZGB); Schwander, BSK ZGB II, N 2 zu Art. 560 ZGB.

[2] Schwander, BSK ZGB II, N 2 zu Art. 560 ZGB.

[3] Schwander, BSK ZGB II, N 2 zu Art. 560 ZGB.

[4] Schwander, BSK ZGB II, N 2 zu Art. 560 ZGB.

[5] Schwander, BSK ZGB II, N 9 zu Art. 560 ZGB.

[6] Schaufelberger/Keller, BSK ZGB II, N 1 zu Art. 634 ZGB.

[7] Schaufelberger/Keller, BSK ZGB II, N 18 zu Art. 634 ZGB.

[8] Dingliche Rechte vermitteln die volle Herrschaft über eine Sache; der Eigentümer kann in den Schranken der Rechtsordnung nach Belieben über eine Sache verfügen (Art. 641 Abs. 1 ZGB). Das Eigentum ist bspw. ein dingliches Recht.

[9] Wichtermann, BSK ZGB II, N 18 zu Art. 652 ZGB.

[10] Wichtermann, BSK ZGB II, N 5 zu Art. 654 ZGB.

[11] Wichtermann, BSK ZGB II, N 5 zu Art. 654 ZGB.

[12] Brunner/Wichtermann, BSK ZGB II, N 1 zu Art. 646 ZGB.

[13] Rey Heinz, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Band I, 3. Auflage, Bern 2007, Rn. 628 (zit. REY, Rn. …).

[14] Rey, Rn. 628.

[15] Rey, Rn. 628.

[16] Vogel Alexander/Heiz Christoph/Behnisch Urs R./Sieber Andrea/Opel Andrea, FusG Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2017, N 6 zu Art. 22 FusG.

Autorin
Michelle Rebsamen

ist Juristin Rechtsdienst ESTI.

  • ESTI
    8320 Fehraltorf
Autor
Daniel Otti

ist Geschäftsführer ESTI.

  • ESTI
    8320 Fehraltorf

Kontakt

Hauptsitz

Eidgenössisches
Starkstrominspektorat ESTI
Luppmenstrasse 1, 8320 Fehraltorf
Tel. 044 956 12 12
info@esti.admin.ch
www.esti.admin.ch

Niederlassung

Eidgenössisches
Starkstrominspektorat ESTI
Route de la Pâla 100, 1630 Bulle
Tel. 058 595 19 19
info@esti.admin.ch
www.esti.admin.ch

Kommentare

Bitte addieren Sie 7 und 8.