Optische Stromwandler analysieren Netzfehler
Simulation von Fehlerszenarien
Als Teil des Netzanschlusses von Nant de Drance, einem der leistungsstärksten Pumpspeicherkraftwerke Europas, ans schweizerische Höchstspannungsnetz, setzt Swissgrid optische Messwandler zur Identifikation und Analyse von generatornahen Netzfehlern ein.
Das Projekt Nant de Drance umfasst den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks mit einer Leistung von 900 MW in einer Kaverne zwischen den beiden bestehenden Stauseen Emosson und Vieux Emosson im Kanton Wallis (Gemeinde Finhaut). Für den Bau, die Inbetriebnahme und den Betrieb des Pumpspeicherkraftwerks ist die Nant de Drance SA zuständig. Aktuell befinden sich die Pumpturbinen in der umfangreichen Testphase. Ab Mitte 2022 wird das Kraftwerk in den kommerziellen Betrieb überführt und ab dann einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Schweiz und in Europa aus erneuerbarer Energie leisten.
Die Anlage Nant de Drance betreibt sechs doppelt gespeiste 150-MW-Asynchronmaschinen mit Umrichtern und wird im Unterwerk Nant de Drance (Bild oben) an das Übertragungsnetz angeschlossen. Während der Projektphase vom Kraftwerksanschluss Nant de Drance wurden Netzwerksimulationen für verschiedene Fehlerszenarien im Übertragungsnetz durchgeführt. Basierend auf diesen Simulationen (Bild unten) wurde gezeigt, dass bei Kurzschlüssen in der Nähe des Generators Gleichstromkomponenten von mehreren Tausend Ampere auftreten können. Solche Gleichstromkomponenten können klassische Hochspannungsschaltanlagen an ihre technischen Grenzen bringen, da das Schalten ohne Nulldurchgang zu ernsthaften Schäden an der Schaltanlage führen kann.[1] Darüber hinaus können herkömmliche Stromwandler aufgrund der physikalischen Einschränkungen, wie zum Beispiel der magnetischen Sättigung der Eisenkerne von induktiven Wandlern, Ströme mit hohen Gleichstromkomponenten nicht genau messen.
Der Projektumfang
Um Netzausfälle wie asymmetrische Kurzschlussströme analysieren und deren Ursache bestimmen zu können, hat die schweizerische Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid ein Pilotprojekt mit dem Namen «Low Power Instrument Transformer UW Châtelard» oder kurz «LPIT UW-Châtelard» initiiert. Zu diesem Zweck wurden alle drei Kabelsysteme im Unterwerk Châtelard nachträglich mit dreiphasigen flexiblen optischen Stromwandlern, die in die Kategorie der LPITs fallen, sowie mit digitalen Störschreibern ausgestattet. Das nächste Bild zeigt anhand der violetten Punkte die Messpunkte, an denen die flexiblen optischen Stromwandler an den 380-kV-Kabeln (rot) beziehungsweise am 220-kV-Kabel (grün) installiert wurden.

Bei optischen Wandlern werden Messsignale über die Merging Unit, die die Messwerte des Wandlers digitalisiert, mittels abgetastetem Messwertstrom (Sampled Values) über Glasfaser-Ethernet auf den Prozessbus eingespeist. Der Prozessbus stellt die digitalen Messsignale für die Schutzgeräte im Unterwerk Châtelard zur Verfügung. Die Kommunikation zwischen Merging Unit und Prozessbus geschieht über das IEC-61850-9-2-Protokoll, das die spezifische Abbildung von Kommunikationsdiensten für digitale Messwandler mit Sampled Values normiert.[2]
Das Projekt wurde organisatorisch in vier Meilensteine aufgeteilt, bestehend aus «Base-Design», «Fabrikabnahme», «Inbetriebsetzung» und «Abnahme des Gesamtsystems». Diese werden im folgenden Bericht genauer behandelt. Ein «Ausblick» diskutiert das Potenzial für weitere Schritte in Richtung Digitalisierung des elektrischen Netzes.
Base-Design
Der Meilenstein «Base Design» hat zum Ziel, die praktische Umsetzung der Spezifikationen und anderer Projektvorgaben, wie Installationsweise und Abstimmung der Arbeiten der verschiedenen Projektpartner zu definieren. Da es sich beim Projekt «LPIT UW-Châtelard» um die Aufrüstung einer bestehenden gasisolierten Schaltanlage handelt, wurde grosser Wert auf einen Einbau mit möglichst geringem Einfluss auf die bestehende Anlage gelegt. Eine nicht-invasive Installation, sprich eine Montage der Sensoren ohne das Öffnen der Hochspannungskabel, ist durch die offenendige Ausführung der Stromwandler möglich. Durch den im Pflichtenheft geforderten Messbereich, mit hoher Präzision von kleinen Strömen um den Nullpunkt bis hin zu von hohen Kurzschlussströmen im kA-Bereich, sowie das Messen von AC, DC und Transienten kommen die technischen Vorteile optischer Messwandler zum Tragen. Das System muss deshalb für eine präzise (hohe Auflösung) und genaue Messung (kleiner absoluter Messfehler) in zwei Messbereichen ausgelegt werden. Einerseits soll am IEC-61850-9-2-Ausgang der Merging Unit im Bereich zwischen 0 und ±2000 A mit einem absoluten Fehler von maximal 10 A, andererseits zwischen ±2000 A (Nominalstrom beim 380-kV-Kabel) und ±40 kA mit einem absoluten Fehler von weniger als 100 A gemessen werden können.
Dank dem grossen Messbereich der optischen Sensoren war es zudem möglich, für die zwei verschiedenen Systeme (einen dreiphasigen flexiblen optischen Stromwandler mit 1200 A Nominalstrom und zwei dreiphasige Systeme mit 2000 A Nominalstrom) Stromwandler basierend auf demselben Design herzustellen.
Fabrikabnahme
Anschliessend an die Produktion und die Routineprüfungen folgten die sogenannten Factory Acceptance Tests. Diese wurden in Anwesenheit des Lieferanten des Störschreibers und von Swissgrid durchgeführt. Die Fabrikabnahme hat zum Ziel, die im Pflichtenheft gegebenen Anforderungen zu prüfen und das Produkt für die Lieferung freizugeben. Diese Abnahme wurde mit sämtlichen zum Betrieb nötigen Komponenten durchgeführt: optischer Wandler, Störschreiber sowie mit dem nötigen Zeit-Server zur Synchronisierung der unterschiedlichen Geräte.
Im Falle des Projektes «LPIT UW-Châtelard» wurden die Präzision der Sensoren bei 50 Hz, unter Kurzschlussbedingungen und bei DC gemessen. Um die DC-Präzision speziell um den Nullpunkt herum zu bestimmen, wurde zusätzlich zwischen -200 A und +200 A in fein abgestuften Schritten gemessen. Dazu wurden mehrere Kupferwickel um den Stromsensor gewickelt, die den eingespeisten DC-Strom gemäss Anzahl der Wickel vervielfachten (Bild unten). Dies ermöglicht die Benutzung kleiner und portabler Stromquellen, was im weiteren Verlauf des Projektes auch für die Inbetriebsetzung zur Anwendung kam. Die Präzision in diesem Messbereich ist ausschlaggebend, um die wiederkehrenden periodischen Nulldurchgänge nach einem Störfall genau abbilden zu können.
Daher sind im Bereich von tiefen Stromwerten die Anforderungen bezüglich Messgenauigkeit höher als normalerweise für Stromwandler der Klasse 0,2s gemäss IEC 60044-8 gefordert wird. Die Messung soll gerade in diesem Bereich unverfälschte Resultate bringen, auch wenn der Kurzschluss-Spitzenstrom mit bis zu 40 kA hoch sein kann und während mehrerer Perioden keine Strom-Nulldurchgänge stattfinden. Es bleibt hervorzuheben, dass auch der geforderte maximale absolute Fehler von 100 A bei Kurzschlussströmen von 40 kA einem Fehler von nur 0,25% entspricht. Dies steht den normalerweise üblichen Fehlern von 5% bei Wandlern der Schutzklasse gegenüber und verdeutlicht, mit welcher Linearität optische Stromwandler messen können. Der optische Wandler wurde darüber hinaus so konzipiert, dass er mit nur einer einzigen optischen Faser beide Messbereiche abdecken kann.
Die Messresultate der DC-Präzisionstests sind in der obenstehenden Tabelle dargestellt. Eine Referenzmessung gemäss Aufbau im darüberstehenden Bild für DC-Ströme nahe dem Nullpunkt ergab Messabweichungen über den gesamten Messbereich von weniger als 0,2 A absolut. Dies bestätigt die gute Signal-to-Noise-Ratio dieser Systeme und garantiert eine genaue Nachbildung der Nulldurchgänge.
Zudem wurde die Interoperabilität zwischen der Merging Unit und dem digitalen Störschreiber basierend auf der Norm IEC 61850-9-2 nachgewiesen. Hierfür wurden verschiedene Szenarien in AC und DC simuliert. Die zu erwartenden Störschriebe wurden bestätigt und die Stabilität der Kommunikation zwischen den verschiedenen Einheiten auf dem Prozessbus belegt.[3]
Inbetriebsetzung
Die Inbetriebsetzung des Wandlers bestand im Wesentlichen aus drei Schritten:
- der Installation der optischen Sensoren mittels Metallprofilen, die an den bestehenden 220-kV- beziehungsweise 380-kV-Hochspannungskabelhalterungen fixiert wurden,
- der mechanischen Installation der Kabelkanäle für die optische Faser zwischen den Primärsensoren und der Merging Unit und
- den funktionellen Tests der Merging Unit.
Die fertige Montage der optischen Sensoren, der Merging Unit, sowie der mechanischen Teile ist im Bild unten ersichtlich. Dabei kommt es bei der Installation nicht wie bei anderen Messmethoden darauf an, ob der Sensor gegenüber dem Leiter zentriert angebracht ist. Diese optische Sensoren bestimmen das magnetische Feld im Inneren der Sensorwicklung, egal ob die Wickel dezentriert oder schief zur Stromflussachse angebracht sind. Somit hat der Inbetriebsetzungsingenieur mehr Freiheiten, um bei einer Aufrüstung mit engen Platzverhältnissen mehr Flexibilität für die Installation zu erhalten.
Die drei Messsysteme wurden so konzipiert, dass die optische Faser mit den Sensorwickel direkt aus der Merging Unit herausgeführt wurde und somit ohne Steckverbindungen oder ein Spleissen der Fasern gearbeitet werden musste. Dadurch konnte auf eine Rekalibrierung des Systems vor Ort verzichtet und die Site-Acceptance-Tests auf eine reine funktionelle Prüfung des Gesamtsystems reduziert werden.
Abnahme des Gesamtsystems
Bei der Abnahme des Systems vor Ort wurde das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten getestet und auf seine Synchronität geprüft.

Das Zeitsignal wurde mittels einer GPS-Antenne lokalisiert und über einen Zeit-Server an die unterschiedlichen Komponenten bereitgestellt. Dabei wurde die Merging Unit in diesem Fall via 1-PPS-Signal und die Störschreiber mittels Irig-B synchronisiert. Das obenstehende Bild zeigt die Topologie des finalen eingesetzten Monitoring-Systems im Unterwerk Châtelard.
Die Primärsensoren des optischen Stromwandlers wurden anlässlich des Site-Acceptance-Tests lediglich einer DC-Prüfung, ähnlich der DC-Stromtests beim Factory-Acceptance-Test unterzogen. Diese Tests hatten lediglich zum Zweck, allfällige Schäden des Messsystems während des Transports und der Installation festzustellen. Da sämtliche funktionalen Tests bereits während des Factory-Acceptance-Tests gemacht werden konnten, beschränkte sich hier somit die Vor-Ort-Prüfung auf ein Minimum, was die Inbetriebnahme der Systeme erheblich verkürzte. Untenstehendes Bild zeigt die optischen Sensoren mit vorbereiteten Kupferwickeln für die DC-Prüfung, die mit einem ähnlichen Messaufbau wie im Bild über der Tabelle dargestellt durchgeführt wurde.

Ausblick
Die vielfältige Einsetzbarkeit von optischen Messwandlern ohne Sättigungserscheinungen ermöglicht Netzbetreibern, diese Produkte nicht nur zu Überwachungszwecken, sondern auch zu Schutz- und Messzwecken bei Nachrüstung oder zur Installation von neuen Anlagen zu verwenden.
Wie im Projekt «LPIT UW-Châtelard» gezeigt werden konnte, ist die Nachrüstung eines optischen Messsystems in ein existierendes Unterwerk eine zeit- und kosteneffektive Lösung. Gerade ein nicht-invasiver Eingriff zur Installation von optischen Stromwandlern auf der Primärseite kann ein wirtschaftliches Argument bei Erweiterungen von bestehenden Anlagen darstellen, da dadurch Betriebsunterbrüche verhindert oder sehr kurzgehalten werden können.
Referenzen
[1] T. Aschwanden, «Leistungsschalter in Kraftwerksanlagen: Schaltungskonzepte, Anforderungen und Normen», Bulletin SEV/VSE 9/2016, S. 53–58.
[2] Stephan Hutterer, «Digital Substation: Prozessbus im Einsatz», Bulletin SEV/VSE 11/2017, S. 33–37.
[3] T. Heid, T. Neumeier, F. Renaud, M. D. Vo, M. Yanin, «Monitoring of asymmetric short circuit currents at a hydro power plant using electronic fibre optical current transformers», Cigre Paper A3–223, 2020.
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