Ohne Leistungsregelung von PV geht es nicht
Systembetrachtungen für den Solarstromausbau.
Wenn die Photovoltaik in der Schweiz stark ausgebaut wird, entstehen PV-Produktionsspitzen, die entweder einen Netzausbau erfordern oder abgeregelt werden sollen. Wie würde sich die oft diskutierte 70%-Einspeiselimitierung für PV-Anlagen aber konkret auf das Stromnetz und die Jahresproduktion auswirken?
Am 9. Juni 2024 haben Volk und Stände das neue Stromversorgungsgesetz angenommen. Kern dieses Gesetzes ist ein massiver Ausbau der einheimischen erneuerbaren Stromproduktion zur Reduktion der Importabhängigkeit. Die Photovoltaik wird wegen ihres grossen Potenzials vermutlich den grössten Anteil an den im Gesetz geforderten 45 TWh elektrischer Energie ausmachen.
Die Solarstromproduktion variiert stark im Tages- und Jahresverlauf. Der Umgang mit diesen Schwankungen ist eine der Herausforderungen für den Strommarkt und das Stromnetz. Im Strommarkt führen hohe PV-Produktionsspitzen immer öfter zu negativen Strompreisen, und das Stromnetz muss verstärkt werden, um die Stromspitzen abnehmen zu können.
Energie und Leistung bei PV
Die PV-Module liefern DC-Leistung, welche vom Wechselrichter in AC-Leistung umgewandelt wird (Bild 1). Die Summe der Nennleistungen aller PV-Module, die im Labor unter international standardisierten Testbedingungen (STC = 1000 W/m²; 25°C) gemessen werden, ergeben die DC-Nennleistung der PV-Anlage. Zusammen mit der Sonneneinstrahlung am Installationsstandort und der Ausrichtung und Neigung der PV-Module bestimmt die DC-Nennleistung grösstenteils die zu erwartende Jahresproduktion. Eine gut ausgerichtete PV-Anlage produziert im Schweizer Mittelland etwa 1000 kWh Solarstrom pro installierte kW. Wegen den hiesigen Einstrahlungsverhältnissen erreicht eine typische PV-Anlage nie oder nur selten die DC-Nennleistung. Deshalb werden die Wechselrichter optimalerweise so ausgelegt, dass deren AC-Nennleistung tiefer ist als die DC-Nennleistung. Die AC-Nennleistung entspricht meist der maximalen AC-Leistung, die der Wechselrichter produzieren kann und ist somit für die Dimensionierung der Elektroinstallationen und des Stromnetzes relevant.
Die Resultate in diesem Artikel basieren auf der Auswertung von 654 PV-Anlagen mit einer Leistung grösser als 30 kW, die im 2023 am Verteilnetz von Groupe E angeschlossen waren. Bild 2a illustriert das Verhältnis AC- zu DC-Nennleistung und zeigt, dass die Wechselrichter so gewählt wurden, dass sie eine maximale AC-Leistung zwischen 60 und 110% der DC-Nennleistung erreichen und dass der Durchschnitt bei 90% liegt. Bild 2b zeigt, dass die maximal gemessenen AC-Leistungen (15-Minuten-Mittelwerte) der PV-Anlagen zwischen 40 und 100% der DC-Nennleistung liegen und dass im Durchschnitt eine maximale Leistung von 79% der DC-Nennleistung erreicht wird.
Obwohl die PV-Produktion generell eine hohe Gleichzeitigkeit aufweist, haben die PV-Anlagen wegen den verschiedenen Ausrichtungen, Installationsarten und lokalen Wetterbedingungen nicht alle maximalen Jahresproduktionsspitzen zur selben Zeit. Bild 3 zeigt den Zeitpunkt der Produktionsspitzen der 654 PV-Anlagen im Verlauf des Jahres und des Tages. Da die Spitzen zu unterschiedlichen Zeiten entstehen, liegt der maximale Leistungswert des Summenprofils aller PV-Anlagen noch bei 64,5% der Summe der DC-Nennleistungen.
Auf das Zielbild der Schweiz bezogen kann daraus gefolgert werden, dass für eine angestrebte PV-Nennleistung von 40 GW (100%), mit einer installierten Wechselrichterleistung von 36 GW (90%) zu rechnen ist und dass die Summe der individuellen maximalen Leistungen 32 GW (79%) betragen würde. Da nicht alle PV-Anlagen die maximale Produktionsleistung gleichzeitig erreichen, kann von einer maximalen PV-Produktion von 26 GW (65%) ausgegangen werden. Aufgrund der geografischen Verteilung in der Schweiz wäre die Leistungsspitze wahrscheinlich nochmals etwas tiefer.
Bei einer installierten Leistung von 40 GW wäre also «nur» mit einer Produktionsspitze von 26 GW zu rechnen. Da die Stromnetze für einen maximalen Stromverbrauch von 10 GW gebaut wurden, liegen auch die 26 GW weit über dem, was für die Stromnetze verkraftbar wäre. Zudem gibt es noch andere, nicht flexible Produktionstechnologien wie Laufwasser-, Kern- und Windkraftwerke, die u. U. auch Strom ins Netz einspeisen. Da der Netzausbau teuer ist, scheint es aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll zu sein, das Stromnetz auf die neuen Produktionsspitzen auszulegen. Bei fehlendem Verbrauch macht es zudem auch mit stärkeren Netzen keinen Sinn, mehr Solarstrom einzuspeisen, wenn dieser nirgends gebraucht werden kann. Studien zeigen, dass ein optimales zukünftiges Stromsystem viel Photovoltaik braucht, aber die PV-Produktionskapazität in Stunden mit hoher PV-Produktion nur dann ausgeschöpft werden soll, wenn der PV-Strom auch sinnvoll gebraucht werden kann. Die Studien empfehlen ein System mit viel Photovoltaik, aber auch einer massiven Abregelung der Einspeisespitzen im Sommer [1,2]. Für ein effizientes Gesamtsystem gibt es keine Alternative zu einer schnellen Einführung der PV-Einspeiselimitierung.
Umsetzungsmöglichkeiten für die Einspeiselimitierung
Produziert eine PV-Anlage Strom, kann er für den Eigenverbrauch genutzt oder als Überschuss ins Stromnetz eingespeist werden. Wenn die Einspeisung für das Stromnetz zu gross wird, muss sie abgeregelt werden können. Gewöhnlich bestimmt der Wechselrichter die DC-Spannung auf dem Modulfeld so, dass die produzierte Leistung so hoch ist, wie dies die Sonneneinstrahlung ermöglicht. Soll die Produktion reduziert werden, kann der Wechselrichter die Spannung auf dem Modulfeld erhöhen, was den produzierten Strom und somit die produzierte Leistung sofort reduziert. Technisch ist also die Möglichkeit zur Abregelung der Einspeisung gegeben, aber wie diese im Stromsystem am besten umgesetzt wird, noch unklar. Für die Umsetzung der Einspeiselimitierung gibt es folgende Ansätze, die vom Verteilnetzbetreiber verfolgt werden können:
- Definierte Vorgaben am Einspeisepunkt mit einer fixen Einspeiselimitierung (z. B. AC-Leistung darf 70% der DC-Leistung nie überschreiten) [3] oder einer dynamischen Einspeiselimitierung in Abhängigkeit von der Spannung, auch P(U) genannt [4].
- Fernsteuerung mit einer lokalen Schnittstelle mit Ein/Aus oder einer Stufenregelung über Schaltkontakte vom Netzbetreiber (z. B. Rundsteuerung oder Smart-Meter-Schaltkontakte) oder einer protokollbasierten Fernsteuerung (basierend auf etablierten Scada-Fernwirktechniken).
- Weitere Ansätze, die in der Schweiz erst in Pilotprojekten praktiziert werden, wie zum Beispiel eine Fernsteuerung über ein Freigabesignal einer zentralen Plattform via proprietäre Kommunikationskanäle der Wechselrichterhersteller [5], finanzielle Anreize mit variablen oder dynamischen Einspeisepreisen (Energie und/oder Netz) oder einer Reduzierung der PV-Produktion über eine Erhöhung der Netzspannung.
Diese Ansätze können für verschiedene Anwendungsfälle grösstenteils auch kombiniert werden. Die Anforderungen der Einspeiselimitierung gelten jeweils für den Einspeisepunkt; der Produzent darf dabei immer unbegrenzt für den Eigenverbrauch produzieren.
70%-Einspeiselimitierung
Bei der 70%-Einspeisebegrenzung wird festgelegt, dass am Netzanschlusspunkt die eingespeiste Leistung nie mehr als 70% der DC-Nennleistung betragen darf. Eine solche Einspeisebegrenzung auf 70% wurde in Deutschland 2012 eingeführt, dann aber aufgrund der Energiekrise 2023 wieder abgeschafft. Im Rahmen des neuen Stromversorgungsgesetzes wird sie derzeit häufig von den Schweizer Netzbetreibern diskutiert. Da eine 70%-Begrenzung auf einer PV-Anlage problemlos mit allen anderen Ansätzen kombiniert werden kann, geht es also nicht darum, den besten Ansatz zu wählen, sondern die beste Kombination von Ansätzen zu ermitteln.
Dynamische Einspeiselimitierungen wie in Bild 4 dargestellt, werden heute schon in Situationen praktiziert, in denen eine PV-Anlage ohne Verstärkung des Anschlusses z. B. nur 50% der DC-Nennleistung einspeisen darf. In diesem Fall ist die dynamische Regelung der Einspeisung in der Regel finanziell günstiger als die Verstärkung des Anschlusses. Ob eine dynamische Leistungsregelung, eventuell in Verbindung mit einem Batteriespeicher oder einer Stromtankstelle, sinnvoll ist, muss in jedem Projekt individuell geprüft werden. Bei einer Einspeisebegrenzung auf 70% lohnt sich eine dynamische Leistungsregelung für die meisten PV-Anlagen jedoch kaum, da eine Begrenzung auf 70% praktisch keine Produktionsverluste mit sich bringt. Eine Begrenzung der Produktion ist hier einfacher und kostengünstiger und kann einfach im Wechselrichter parametriert werden. Der Wechselrichter kann auch so gewählt werden, dass seine maximale Produktionsleistung die maximale Einspeiseleistung nicht übersteigt.
Aber wie wirkt sich eine Einspeiselimitierung auf die erwartete PV-Produktion aus? Bild 5 zeigt das Produktionsprofil einer typischen PV-Anlage über sechs Jahre. Die maximal produzierte AC-Leistung variiert leicht von Jahr zu Jahr und liegt bei ungefähr 80% der DC-Nennleistung. Wenn die Produktion der Anlage in den analysierten sechs Jahren auf 70% der DC-Nennleistung limitiert gewesen wäre, hätte dies die Produktion um 0,1% reduziert. Bei einer Limitierung auf 50% bzw. 30% würde der Produktionsverlust bei 4,0% und 24,5% liegen. Wie aber in Bild 2b aufgezeigt wurde, variiert die maximale AC-Leistung stark zwischen verschiedenen PV-Anlagen und somit auch die Auswirkung einer 70%-Limitierung und die damit verbundenen Produktionsverluste. Bezogen auf die Analyse der 654 PV-Anlagen im Jahr 2023 hätte eine 70%-Produktionslimitierung die individuellen Leistungsspitzen im Verhältnis zur DC-Nennleistung um 0 bis 35% reduziert (Bild 6a), und die Produktionsverluste würden zwischen 0 und 3% liegen (Bild 6b). Nur vereinzelte PV-Anlagen haben bei einer fixen Einspeiselimitierung Produktionsverluste über 1%, und nur eine PV-Anlage einen Produktionsverlust über 3%. Bei der geplanten Limitierung der Einspeisung würden die Werte je nach Eigenverbrauch natürlich tiefer ausfallen.
Die Ausrichtung und Neigung der PV-Module sowie der Standort spielen eine wichtige Rolle bei den erwarteten maximalen Produktionsleistungen und somit auch den Produktionsverlusten bei einer fixen Einspeiselimitierung. Bild 7 zeigt die berechneten Produktionsverluste der 654 analysierten PV-Anlagen bei fixen Leistungslimitierungen von 100% bis 0%. Die Limitierungen bei 70%, 50% und 30% der DC-Nennleistung zeigen die Variabilität der zu erwartenden Produktionsverluste auf.
Eine fixe Produktionslimitierung bei 70% hätte im Jahr 2023 bei den 654 analysierten Anlagen die maximalen Einspeiseleistungen im Durchschnitt um 10% reduziert und nur vernachlässigbare Produktionsverluste verursacht. Bei PV-Anlagen mit Eigenverbrauch und dynamischer Regelung sind die Produktionsverluste noch tiefer. Diese Analysen zeigen, dass eine 70%-Limitierung für Verteilnetze vorteilhaft ist und den Produzenten keine oder nur sehr tiefe Produktionsverluste verursachen. Wie hier gezeigt wurde, schwanken die Produktionsspitzen der PV-Anlagen stark und sind vom Netzbetreiber schwer zu prognostizieren. Für die Netzplanung verwenden die Netzbetreiber deshalb meist die AC-Nennleistungen der Wechselrichter. Diese sind aber, wie weiter oben gezeigt, in Niederspannungsnetzen durchschnittlich um 10% und auf höheren Netzebenen um bis zu 25% zu hoch. Die Einführung der 70%-Einspeiselimitierung würde den Netzbetreibern mehr Planungssicherheit geben, und diese könnten dadurch die in der Netzplanung üblicherweise einkalkulierten Margen reduzieren. Aus Systemsicht kann daher eine generelle Einführung einer 70%-Limitierung für alle PV-Anlagen insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen in der Niederspannung sinnvoll sein.
Da die Produktionsspitzen aber nicht gleichzeitig auftreten und somit die 70%-Limitierung nicht bei allen Anlagen zur gleichen Zeit greift, ist der positive Effekt einer 70%-Limitierung auf höheren Netzebenen deutlich geringer. Bild 8 zeigt das Summenprofil der 654 gemessenen Anlagen für das Jahr 2023 und das berechnete Summenprofil, wenn alle Anlagen auf 70% begrenzt worden wären.
Die Analysen zur 70%-Limitierung sind hier immer von einer Limitierung der Produktion ausgegangen. Limitieren darf der Verteilnetzbetreiber aber nur die Einspeisung, und Produzenten dürfen immer beliebig viel für den Eigenverbrauch produzieren. Die realistisch zu erwartenden Effekte einer 70%-Einspeise-Limitierung sind deshalb kleiner.
Fazit
PV-Anlagen im Netz von Groupe E produzieren im Durchschnitt 80% der DC-Nennleistung des Modulfeldes. Eine Limitierung der Produktion auf 70% würde die individuellen Produktionsspitzen um durchschnittlich 10% reduzieren, die Jahresproduktion aber nur sehr geringfügig reduzieren. Obwohl der Effekt auf den höheren Spannungsebenen geringer ist, kann eine flächendeckende Einführung einer 70%-Einspeiselimitierung sinnvoll sein. Die 70%-Einspeiselimitierung hat grosse Vorteile bei der Umsetzung. Sie kann bei allen PV-Anlagen identisch eingefordert und einfach implementiert werden und erhöht die Planungssicherheit für den Verteilnetzbetreiber deutlich. Für ein effizientes System mit hohem PV-Anteil müssen aber zwingendermassen auch andere Ansätze zur Einspeisebegrenzung eingeführt werden.
Referenzen
[1] Jan Remund, Michael Schmutz, Marc Perez, Richard Perez, «Firm PV power generation for Switzerland», Report on behalf of Swiss Federal Office of Energy, 2022.
[2] Roger Nordmann, Sonne für den Klimaschutz – Ein Solarplan für die Schweiz, Zytglogge, 2019.
[3] Lars Huber, «Leistungsbegrenzung bei PV-Anlagen».
[4] David Joss, Peter Cuony, «PV-Wechselrichter stabilisieren das Netz», Bulletin Electrosuisse 4/2023, p. 14, 2023.
[5] James Brown, «Flexible Exports for solar PV», Final trial report, Arena’s Advancing Renewables Program, 2023.
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