Fachartikel Energieeffizienz , Gebäudeautomation , Internet of Things

Offene, urbane Plattformen

Ein skalierbarer Einstieg in Smart City

27.02.2019

Die Schweiz befindet sich mitten im digitalen Wandel. Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Nutzung der neuen Technologien sind gegeben. Jedoch fehlen noch oft klare Organisationsstrukturen und die notwendigen Hilfsmittel für eine erfolgreiche Umsetzung der vielversprechenden Möglichkeiten.

Die Digitalisierung im öffentlichen und privaten Raum ist heute bereits in vielen Bereichen Alltag. Immer mehr Services werden primär digital angeboten, und das Angebot wird kontinu­ierlich weiter­entwickelt. Digitale Dienstleistungen setzen sich durch und Smartphones etablieren sich als Alltags­gegenstand. Dadurch ist nicht nur die Telefonkabine seit Längerem obsolet, sondern bald auch das ganze Porte­monnaie. Diese Auswirkungen bringen neue Anforderungen an die Infrastruktur mit sich. Städte und Verwaltungen sind gefordert, sich aktiv mit dem technologischen Wandel auseinander­zusetzen und auf die neuen Bedürfnisse einzugehen.

Die Vernetzung auf allen Ebenen bildet neben der Energie­versorgung und der Mobilitäts­infrastruktur die Basis smarter Städte. Im Kontext von Smart City ist auch die bereichsübergreifende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Anspruchs­gruppen Teil davon: Verwaltung, Behörden, Politik, Bevölkerung, Industrie, Forschung und Entwicklung. Doch der Rohstoff der digitalen Transformation sind Daten unterschied­lichster Quellen, aus denen ein weitreichendes Daten-Ökosystem entsteht. In einer zukünftigen Smart City ist es zentral, dass den Beteiligten genau diejenigen Informationen zur Verfügung stehen, die sie benötigen.

Interdisziplinäre Reorganisation

Am Anfang werden neue Technologien in Pilot­projekten eingesetzt. Vielerorts werden Leuchten, Umwelt­sensoren, Verkehrsmessungen oder auch Parksysteme aus der Ferne ausgelesen und angesteuert. Häufig fehlen die notwendigen organisatorischen Strukturen, um solche inter­disziplinären Anwendungen voran­zutreiben; vielver­sprechende Pilotprojekte werden durchgeführt, jedoch anschliessend nicht weiterverfolgt. Um dieser Problematik entgegen­zuwirken, bedarf es neuer Organisations­strukturen und einfacher, erweiterbarer Systeme.

Als Bindeglied zwischen den Anspruchs­gruppen wird zunächst eine zentrale Anlaufstelle geschaffen. Bereits hier zeigt sich, dass «Smart sein» keine Frage der Grösse, sondern ein skalierbarer Begriff ist. In mittel­gros­sen und kleinen Gemeinden werden meist nicht neue Positionen geschaffen, dafür interne Projektierungs­gruppen gegründet. In grösseren Städten wird ein Chief Digital Officer oder Chief Information Officer (CDO/CIO) eingesetzt, der eine übergreifende Rolle für alle Digitalisierungsthemen einnimmt. Unabhängig von der gewählten Organisations­form gehen die Verantwort­lichkeiten über die Bereichsgrenzen hinaus. Gleichzeitig wird die interne Kommuni­kation gefördert.

 Neben personellen Ressourcen werden technische Hilfsmittel benötigt. Dafür können OUPs eingesetzt werden: Offene, urbane Plattformen. Unter dem Begriff ist eine Cloud-Lösung zu verstehen, die auf offenen Schnittstellen und Daten­transparenz basiert. Mit dem primären Ziel, Messwerte und Informationen aus heterogenen Quellen auf einer zentralen Plattform zusammen­zuführen. Wenn Daten der neue Rohstoff des 21. Jahrhunderts sind, hilft eine OUP, diese zu sammeln, zu ordnen und verfügbar zu machen.

Die Einsatzmöglichkeiten von offenen, urbanen Plattformen sind skalierbar und können in Datenvisualisierung, intelligente Steuerung durch bereichs­übergreifende Daten und Smart Services durch konsolidierte Datenanalyse unterteilt werden.

Als erster Schritt werden die Informationen von unter­schiedlichen Applikationen, Systemen und Sensoren (Bild 1) aggregiert. Sie werden direkt als Rohdaten oder über ein Management­system (Metadaten) übermittelt. Dabei stellen die entsprechenden Application Programming Interfaces (API), sogenannte Anwendungs-Programmier­schnittstellen, den Austausch von Daten sicher. Voraussetzung für den Austausch sind neben den APIs die offenen Schnittstellen der Plattform. Deshalb wurden eine DIN Spec [1] für offene, urbane Plattformen verfasst und Normen definiert. Diese unabhängigen Standards sollen auch in Zukunft die notwendige Kompatibilität gewährleisten.

Datenvisualisierung für mehr Transparenz und Akzeptanz

Nach der Aggregation können die Daten auf einer intuitiven Software-Oberfläche zusammen visualisiert werden (Bild 2). In der Praxis bedeutet dies, dass nur die für die Projektierungsgruppe essenziellen Parameter abgebildet werden. So wird man auf einen Blick über den Zustand der Stadt, einer Anlage oder eines Areals informiert.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, für unterschiedliche Anspruchsgruppen individuelle Visualisierungen zu erstellen. Ein interessanter Zusatznutzen, um beispielsweise Stadtpräsidenten, Werken, Verwaltungen, Innovationsleitern oder der Bevölkerung die für sie relevanten Daten darzustellen. Umweltverantwortliche erhalten beispielsweise Einblick in die Energieersparnis der öffentlichen Beleuchtung. Oder die Stadtverwaltung wird auf Umweltbelastungen an hoch frequentierten Kreuzungen aufmerksam. Zuvor isolierte Informationen können durch die Offenlegung Interesse wecken und aktives Mitwirken fördern. Die transparente Darstellung kann ein erster Schritt weg vom «Silo-Denken» hin zum interdisziplinären Arbeiten sein.

Zukünftig können die Daten auch mit weiteren Städten oder Gemeinden geteilt werden. Dies kann einen indirekten Wettbewerb erzeugen und eine Motivation für gemeinsame Smart-City-Projekte sein.

Bereichsübergreifende Daten einsetzen

Neben der Visualisierung können die gesammelten Daten bereichsübergreifend eingesetzt werden. Die Plattform agiert dabei als Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Anwendungen und leitet Informationen weiter. In der Praxis kann diese Funktionalität beispielsweise von der Feuerwehr genutzt werden. Bei einem Brand wird vom Alarmsystem der Feuerwehr ein Signal an die OUP geschickt. Die Plattform wertet die Information aus und leitet sie automatisch an das Lichtmanagementsystem weiter. Hier erfolgt der direkte Steuerbefehl an die Strassenbeleuchtung zur Anpassung des Dimmlevels, um die Sicherheit im betroffenen Bereich zu erhöhen. Solche Praxisfälle verlangen eine hohe Inter­operabilität der Plattform, die durch offene, normgerechte Schnittstellen nach DIN Spec gegeben ist.

Konsolidierte Datenanalyse

Sobald Daten zusammen ausgewertet werden und daraus neue Anwendungen entstehen, spricht man von Smart Services. Als Praxisbeispiel hierzu dient ein Sensor, der an einer Hauptstrasse den Verkehr misst. Bis anhin wurden die erfassten Informationen isoliert für einzelne Mobilitätsauswertungen genutzt.

Durch den Import auf die OUP werden die Daten nun in einen grösseren Kontext gebracht und interdisziplinär verwendet. Die Verkehrsinformationen dienen beispielsweise als Datengrundlage für eine verkehrsabhängige Lichtregelung. Dabei wird das Verkehrsvolumen auf der Plattform normgerecht ausgewertet und das Lichtniveau entsprechend der Beleuchtungsklasse berechnet. Über die Software-Schnittstelle werden die Auswertungen an das Lichtmanagement-System übermittelt und nachfolgend die Leuchten über einen Steuerbefehl entsprechend gedimmt. Dadurch können Gemeinden und Städte einerseits die Strassen energieeffizient und bedarfsgerecht beleuchten, andererseits die Lichtverschmutzung reduzieren.

Verkehrsdaten können auch für eine intelligente Ampelsteuerung eingesetzt werden. Sobald der Verkehrssensor mehr als drei Lastwagen an einer Ampel detektiert, wird auf grün umgeschaltet. Auch hier wertet die OUP die Daten aus und sendet die Information an das Drittsystem, das die Ampeln direkt ansteuert. So wird die Umweltbelastung auf vielbefahrenen Strassen verringert.

Fazit

Bei der Digitalisierung handelt es sich nicht um ein in sich geschlossenes Projekt, sondern um eine schrittweise Entwicklung. Die Basis für den Einstieg in Smart City bildet die bereichsübergreifende Kommunikation. Offene, urbane Plattformen setzen genau dort an: Daten aus unterschiedlichen Applikationen werden gesammelt, konsolidiert und übersichtlich visualisiert. Die einzelnen Anspruchsgruppen können die für sie essenziellen Informationen nutzen und daraus einen Mehrwert in Form neuer Anwendungen generieren. Durch die offenen Schnittstellen können jederzeit weitere Sensoren und Aktoren integriert werden. Dadurch erhalten Städte und Gemeinden die notwendige Flexibilität und sind für zukünftige Projekte gewappnet.

Autor
Marco Hüppin

ist Vertriebs- und Projektleiter Smart City.

  • Elektron AG, 8804 Au (ZH)

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