Interview Fachkräfte

«Offene Augen und Ohren – und ein Gespür für die Anlage»

Interview mit Torsten Maier

04.04.2019

Torsten Maier erläutert, warum Anlagenoperateure einen eidgenössisch anerkannten Abschluss haben sollen und wie die Prüfungskommission für KKW-Anlagenoperateure das Thema Nachbetrieb in die künftige Ausbildung integrieren will.

Bulletin: Torsten Maier, warum brauchen KKW-Anlagenoperateure einen Abschluss auf Stufe höhere Berufsbildung?

Torsten Maier: Die Berufsprüfung brauchen sie rein formal nicht. Zumindest nicht, um ihre Aufgaben als KKW-Anlagenoperateur wahrzunehmen. Die Kernkraftwerke sind aber der Meinung, dass wir den Menschen, die jetzt für die Kernenergie arbeiten, eine anerkannte Ausbildung mitgeben müssen. Falls die Kernenergie dereinst keine Option mehr ist, sollen sie eine berufliche Zusatzqualifikation vorweisen können, mit der sie sich auch ausserhalb der Kernenergiebranche bewerben können.

Was brauchte es, um diesen Abschluss auf eidgenössischer Stufe anbieten zu können?

Wir haben die Ausbildung während der letzten vier Jahre einem Neuanerkennungsverfahren unterzogen. Ausserdem ist die Abschlussprüfung nun deutlich praxisnäher. Früher mussten die Teilnehmer eine Vielzahl mündlicher und schriftlicher Prüfungen ablegen, was vor allem wissensbasiert war. Heute ist die Prüfung deutlich kompetenz-orientierter ausgerichtet.

Wie gross war der Aufwand dafür?

Den grössten Aufwand haben die Schweizer Kernkraftwerke, die ihren Mitarbeitern diese Ausbildung ermöglichen. Während des rund fünfwöchigen Vorbereitungskurses und der abschliessenden Prüfungswoche fehlen diese Mitarbeiter auf der Schicht. Das ist es den einzelnen Werken aber wert, denn ein solcher Abschluss motiviert die Mitarbeiter.

Betreiben Sie mit dieser Ausbildung auch Werbung?

Ja, wir weisen in den Stelleninseraten jeweils darauf hin, dass eine Anstellung diese Ausbildung mit einem eidgenössisch anerkannten Abschluss beinhaltet.

Sie haben es angetönt: Kernenergie könnte im Schweizer Energieproduktionsmix dereinst keine Rolle mehr spielen. Wird eine mögliche Nachbetriebsphase eines Kernkraftwerks in der Ausbildung schon thematisiert?

Im Moment ist dieses Thema noch nicht Teil der Ausbildung. Wir wollen erst abwarten, welche Erfahrungen das Kernkraftwerk Mühleberg, das im Dezember 2019 vom Netz geht, macht. Die Verantwortlichen in Mühleberg haben die Nachbetriebsphase und den anschliessenden Rückbau durchgeplant und vorbereitet.Welche zusätzlichen Qualifikationen aber tatsächlich nötig sein werden, lässt sich heute noch nicht sagen. Was aber wichtig bleiben wird, sind offene Augen und Ohren sowie ein Gespür für die Anlage.

Auch wenn es im Moment noch nicht Teil der Ausbildung ist, haben Sie das Szenario Schulung für den Nachbetrieb aber sicher auch in der Prüfungskommission bereits besprochen?

Natürlich. Die Sensibilisierung für die Anlage muss genau gleich erfolgen, egal, ob sie noch am Netz ist oder nicht. Es sind aber sicher andere Prioritäten, und so werden sich die Aufgaben auch laufend ändern. Ein paar Gedanken dazu haben wir uns bereits gemacht.

Wie schnell könnten Sie Erkenntnisse aus Mühleberg berücksichtigen?

Unsere Prüfungskommission, also Ausbildungsvertreter aller Schweizer Kernkraftwerke, trifft sich in der Regel zweimal pro Jahr. Sobald erste Erkenntnisse aus Mühleberg vorliegen, werden diese eingebracht und diskutiert. Ob sich daraus neue Lehrinhalte für die bestehende Berufsprüfung oder sogar eine neue Fachrichtung für Nachbetrieb/Rückbau ergeben, ist aber noch nicht ganz sicher.

Zur Person

Torsten Maier ist designierter Präsident der VSE-Bildungskommission für KKW-Anlagenoperateure. Er arbeitet im Kernkraftwerk Gösgen als Fach­instruktor und Reaktoroperateur im Betrieb.
KKW Gösgen, 4658 Däniken
tmaier@kkg.ch

Autor
Ralph Möll

war Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

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