Der Informatikpionier Niklaus Wirth ist gestorben
Er brachte die Ordnung ins Programmieren
Am 1. Januar 2024 ist Niklaus Wirth 89-jährig verstorben. Die Entwicklung der strukturierten Programmiersprache Pascal und des Betriebssystems Oberon machten ihn weltberühmt. Der langjährige ETH-Professor für Informatik erhielt 1984 den renommierten Turing Award, im Jahr, als Apple den Macintosh PC einführte und IBM seinen Personal Computer/AT vorstellte.
Die Leidenschaft für Technik machte sich bei Niklaus Wirth, am 15. Februar 1934 in Winterthur geboren, schon früh bemerkbar. In seiner Kindheit standen der Flugzeugbau und elektronische Geräte wie Radios im Zentrum seines Interesses. Dies führte ihn an die ETH Zürich, wo er Elektrotechnik studierte. Seinen Master-Abschluss erhielt Wirth 1960 an der Universität Laval in Kanada. Zunächst interessierte ihn die medizinische Elektronik, aber weil in diesem Bereich nicht viel lief, bewarb er sich für eine Assistenzstelle im Bereich der Informationstheorie. Nach einem halben Jahr wechselte er zu einem Professor, der Computer entwickelt hat. Dieser erste Kontakt mit Computern, Programmiersprachen und Compilern hat ihn fasziniert, besonders die Compiler, also Programme, die eine Sprache verarbeiten, in der sie selbst programmiert sind. An der University of California in Berkeley promovierte er anschliessend 1963 über die Verallgemeinerung der Programmiersprache Algol 60. Bereits hier kam sein Wunsch auf, in die «unglaubliche Bastelei», wie er es 2013 in einem Interview (Bulletin SEV/VSE 10s/2013, S. 44) ausgedrückt hat, etwas Systematik und wissenschaftliche Ordnung hineinzubringen. Dieses Bedürfnis, die Schweizer Ordnungsliebe ins Programmieren zu bringen, wurde zum Leitthema seiner Karriere, weil komplexe Systeme nur dann zuverlässig funktionieren können, wenn sauber gearbeitet wird. In seinen Worten: «Die Korrektheit muss sozusagen von Anfang an eingeplant werden.»
Niklaus Wirth nahm 1968 den Ruf an die ETH Zürich an und wurde Professor für Computerwissenschaften – so die damalige Bezeichnung –, wo er bis 1999 lehrte und neue Programmiersprachen wie Euler, PL360, Algol W, Pascal, Modula, Modula 2, Oberon und LoLa entwickelte. Pascal, Modula und Oberon bilden dabei eine Familie im gleichen Stil. Mit Pascal hat Wirth das strukturierte Programmieren eingeführt, Modula hat die modulare Programmierung ermöglicht und Oberon die objektorientierte.
Inspiration holte sich Wirth unter anderem in den Jahren 1976 bis 1977 sowie 1984 bis 1985 bei Studienaufenthalten im Palo Alto Research Center von Xerox. Aber schon vorher, nämlich 1970, wollte er mit Gleichgesinnten einen Informatik-Lehrgang an der ETH einführen. Diese Initiative ist dort zwar nicht auf Widerstand gestossen, aber auf Desinteresse. Bewegung kam erst in die Sache, als sich 1980 gewisse Industriebetriebe bei der ETH meldeten und mitteilten, sie müssten Softwareaufträge ins Ausland vergeben, weil die Kompetenzen in der Schweiz fehlen würden. Dieser externe Druck führte schliesslich dazu, dass der Lehrgang über ein Jahrzehnt nach der ursprünglichen Idee realisiert wurde.
Bis 1977 lag der Fokus seiner Forschung auf der Software, dann kam auch die Hardware hinzu. Inspiriert vom Personal Computer, der ihm im Xerox-Forschungslabor zur Verfügung gestellt wurde, entwickelte er 1980 in einem von Grund auf aufgebauten Labor an der ETH seine Workstation Lilith, mit grafischem Bildschirm und Maus – mithilfe eines Initialkredits von 56’000 CHF. In der Schweiz war er damit der Zeit voraus, was sich daran zeigte, dass die Vermarktung des Systems ab 1982 nicht wie erhofft anlief. Die Vorteile wurden damals noch nicht erkannt. Der Durchbruch der PCs gelang erst etwas später mit vergleichbaren Systemen aus den Vereinigten Staaten.
Niklaus Wirth war ein IT-Pionier der ersten Stunde. Sein umfassendes Hardware- und Software-Wissen hat er nicht nur in Büchern und an der ETH vermittelt sowie zur Weiterentwicklung von Programmiersprachen und Betriebssystemen eingesetzt, sondern bei Bedarf auch, um nicht mehr verfügbare Prozessoren selbst mit FPGA nachzubauen – um im hohen Alter an seinem Oberon weiterarbeiten zu können. Eine bemerkenswerte Persönlichkeit ist verstummt. Sein Ansatz, die Informatik durch inhärente Ordnung zuverlässiger zu machen, hat an Relevanz nichts eingebüsst.
Abdankungsfeier am 11. Januar 2024
Die Trauerfeier für Niklaus Wirth findet am Donnerstag, 11. Januar 2024 um 15:30 Uhr im Kulturhaus Helferei an der Kirchgasse 13 in Zürich statt.
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