Meinung Märkte und Regulierung , VSE

Nicht nachvollziehbar

Eine Meinung zur 60-Franken-Regel

05.09.2022

Die ElCom hat im Juni 2022 unerwartet entschieden, Kosten und Gewinn beim Energievertrieb in der Grundversorgung deutlich einzuschränken – dies zum zweiten Mal innert kurzer Zeit und ohne Konsultation der Branche. Ab 2024 gilt die 60-Franken-Regel. Die ElCom begründet dies vage damit, dass die unveränderte Anwendung der Regel vermehrt zu nicht mehr angemessenen Energietarifen führen würde.

Um einen solchen Entscheid zu rechtfertigen, scheint die Datenlage nach nur einem Jahr Praxiserfahrung mit der 75-Franken-Regel jedoch ungenügend. Auch ist die Begründung aufgrund von Vergleichswerten des VSE nicht nachvollziehbar. Es entsteht der Eindruck, dass dieser Schritt angesichts der stark gestiegenen Grosshandelspreise vor allem politisch motiviert ist. Jetzt, da die Preise steigen, sollen die Margen gerade in der Elektrizitätsbranche gekürzt werden. Auch trägt dies dem Umstand zu wenig Rechnung, dass die Preisbildung für die Energielieferung in der Grundversorgung bereits reguliert ist.

Für die über 600 Grundversorger in der Schweiz führt die Absenkung bei gleichbleibendem, wenn aktuell nicht gar höherem Aufwand zu substanzieller Ertragsminderung, ohne dass dadurch für die Kunden eine spürbare Entlastung resultieren würde. Dies wird die Grundversorger schwächen, anstatt sie zu stärken. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem einerseits Marktvolatilitäten strukturell wesentlich mehr Liquidität und Eigenmittel erfordern und andererseits von den Unternehmen ein fundamentaler Umbau des Energiesystems mit innovativen Ansätzen erwartet wird (beispielsweise Energieeffizienz, Integration PV und E-Mobilität). Dies geht auch zulasten bestehender Leistungen.

Die erneute Absenkung ist nicht nachvollziehbar. Die von der Branche eingeforderte transparente Darstellung der Zahlen und Fakten durch die ElCom wird diese Einschätzung kaum entkräften können. Bleibt zu hoffen, dass die ElCom bei zukünftigen Entscheiden die wirtschaftlichen Herausforderungen der Grundversorger besser berücksichtigt. Nur so kann eine mittel- und langfristig funktionierende Energieversorgung garantiert werden.

Autorin
Nadine Brauchli

ist Bereichsleiterin Energie des VSE.

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