Fachartikel Infrastruktur , Mobilität

Neues bei Gleichstrom-Ladestationen

Entwicklungen und Herausforderungen

24.05.2022

Die Elektromobilität entwickelt sich rasant. Fahrzeughersteller arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung neuer Modelle. Damit die Fahrzeuge geladen werden können, sind auch die passenden Ladestationen nötig. Es folgt eine Übersicht über Herausforderungen, die es heute im Bereich Ladetechnologie zu meistern gilt.

Zentrales Element der Elektro­mobilität in batterie­betriebenen Fahrzeugen ist die Fahrzeugbatterie. Betrachtet man deren Entwicklung, so fallen zwei Aspekte auf – eine Erhöhung der Ladeleistung und eine Erhöhung der Batterie­nenn­spannung. Die Ladeleistung kann entweder über Wechselstrom (AC) oder Gleichstrom (DC) zum Ladeanschluss des Elektro­fahrzeugs transferiert werden, die Batterie wird mit DC geladen. Einen Überblick über die Leistung von AC- und DC-Lade­stationen gibt Bild 1.

Bei den verfügbaren Fahrzeugen liegt das durch Elektro­installa­tions­normen vorge­gebene Leistungs­limit bei Ladung an einer AC-Ladestation bei 22 kW. Die meisten Modelle sind mit einem 11-kW-Onboard-Ladegerät, das die AC-Spannung in DC gleichrichtet, ausgestattet [2]. Grund dafür ist die Limitierung durch die verbreitete 16-A-Absicherung bei Haus­installa­tionen. Höhere Lade­leistungen können mit Offboard-Ladegeräten erreicht werden, die die Umwandlung von AC zu DC ausserhalb des Fahrzeugs vollziehen. Mit heutigen DC-Ladestationen können Ladeleis­tungen von 20 bis 350 kW abgedeckt werden, wenn die Elektro­installa­tion diese Leistungen erlaubt. Das Fahrzeug muss jedoch so konzipiert sein, dass es die hohen Ladeleistungen aufnehmen kann. «Laden soll wie Tanken sein», lautet die Devise. Dies wird durch eine Steigerung der Ladeleistung und somit Verkürzung der Ladezeit erreicht.

Eine kürzere Ladezeit kommt insbesondere bei hohen Fahrzeug­reich­weiten zum Tragen. Eine höhere Ladeleistung bedingt jedoch eine Erhöhung des Ladestroms oder eine höhere Nenn­spannung der Batterie. Der in Europa verbreitete CCS2-Ladestecker kann ungekühlt für bis zu 200 A eingesetzt werden, ab 200 bis 500 A ist eine Kühlung nötig [3]. Bei gängigen 400-V-Batterie­systemen ist somit theoretisch eine Ladeleistung von 200 kW möglich. Für eine höhere Ladeleistung ist eine höhere Batterie­nenn­spannung notwendig. Die Ladeleistung wird zudem durch den maximal zulässigen Ladestrom der Batterie begrenzt. Die Abhängigkeit von Ladeleistung, Ladestrom und Ladespannung und die einhergehenden Limitierungen verdeutlicht Bild 2.

Die meisten Fahrzeug­modelle arbeiten mit einer Batterie­nenn­spannung von 400 V. 2019 brachte Porsche mit dem Taycan das erste Fahrzeug mit 800 V Batterie­spannung auf den Markt. Darauf folgten in den letzten Jahren weitere Fahrzeuge mit dem Kia EV6, Audi e-tron GT, Genesis Electrified G80, Genesis GV60 und Hyundai Ioniq 5. Der Air von Lucid ist bereits mit einem 900-V-Batteriesystem ausgestattet. Die 800-V-Technologie kommt ursprünglich aus dem Rennsport und fasst nun auch in der E-Mobilität Fuss. Hyundai hat mit der Plattform E-GMP (Electric Global Modular Platform) eine Basis für die 800-V-Technologie in der Mittelklasse geschaffen. Die Plattform kommt auch bei Kia und Genesis zum Einsatz. Doch was sind die Vorteile dieser hohen Batterie­spannungen? Durch eine Verdoppelung der Batterie­nenn­spannung auf 800 V kann der Hyundai Ioniq 5 an einer Schnell­ladestation in 18 Minuten von einem Ladezustand von 10% auf 80% aufgeladen werden. Die folgende Berechnung verdeutlicht den Zusammenhang von Batteriespannung und Ladedauer. Es wird mit einer Batteriekapazität von 100 kWh und einem Ladestrom von 200 A gerechnet. Die elektrische Energie, mit der die Batterie geladen wird, ist die Fläche unten dem Spannungs-Strom-Produkt.

Wird die Spannung verdoppelt, halbiert sich theoretisch die Ladezeit. Unter den oben getroffenen Annahmen beträgt die Ladezeit bei 400 V 75 Minuten, bei 800 V 37,5 Minuten.

Ein weiterer Vorteil einer hohen Batterie­spannung ist, dass Kabel­querschnitte bei gleicher Leistung bei der Ladeinfrastruktur sowie im Fahrzeug verkleinert werden können. Bei einem 400-V-System in einem Fahrzeug ist bei einem Strom von 250 A ein Kabelquerschnitt von 95 mm2 nötig. Bei doppelter Spannung (800 V) und halbiertem Strom (125 A) ist nur noch 35 mm2 notwendig. Die Kabel benötigen weniger Platz und ein kleinerer Biegeradius ist möglich. Zudem sind sie preisgünstiger und die Leitung wird leichter, denn pro Meter Kupferkabel reduziert sich die Masse von 8,5 kg auf 3,1 kg Kupfer. Selbst wenn Kabel­querschnitte nicht verändert werden, ergeben sich Vorteile: Die Verluste in den Kupferleitungen sinken. Durch die höhere Spannung wird jedoch eine höhere Isolations­spannung benötigt.

Die Verluste in einem Kabel lassen sich mit der bekannten Formel berechnen, bei der das Quadrat des Stroms mit dem Widerstand multipliziert wird. Der Widerstand wird wiederum als Faktor aus Länge und dem spezifischen Widerstand des Leitermaterials, geteilt durch den Leiter­quer­schnitt berechnet. Dadurch, dass der Strom im Quadrat berücksichtigt wird, ergibt sich bei einer Halbierung des Stroms eine Verlustleistung, die nur einen Viertel der ursprüng­lichen beträgt (Bild 3).

Mit den hohen Batterie­spannun­gen in Fahrzeugen müssen auch die Lade­sta­tionen mithalten können. Viele Modelle arbeiten noch mit Lade­spannungen bis 500 V. Neuere Entwick­lungen ermöglichen Lade­spannun­gen bis 1000 V. Durch die Entwicklung von 800-V-Batterie­systemen steigt jetzt auch der Bedarf nach Ladestationen mit höheren Ladespannungen und Ladeleistungen. Bild 4 gibt einen Überblick über aktuelle Ladespan­nungen von Schnell­lade­stationen.

Bidirektionalität in der E-Mobilität

Neben höheren Batteriespannungen und höheren Ladeleistungen wird eine weitere Thematik immer wichtiger: Die Bidirektionalität. Bidirektionale Elektro­fahrzeuge und Lade­stationen werden künftig in einem dezentralen Energie­versor­gungs­system mit fluktuierender Energie­produktion durch erneuerbare Energien eine wichtige Rolle spielen. Da die Fahrzeuge meist stehen, können sie theoretisch mit den passenden Ladestationen als Energiequelle und -verbraucher bei Über- oder Unterproduktion im Stromnetz agieren. Der Bidirektionalität sind jedoch noch einige Hürden gesetzt: eine ausstehende Normierung des europäischen Ladestandards CCS und eine geringe Anzahl bidirektionaler Fahrzeuge. Der japanische Ladestandard Chademo ermöglicht bereits bidirektionales Laden. Aber auch bei diesem Standard existieren aktuell wenige Fahrzeugmodelle von Nissan, Mitsubishi, Peugeot und Citroën. Volkswagen kündigt für seine ID-Modelle mit 77-kWh-Batterie die Fähigkeit zum bidirektionalen Laden an. Für bereits ausgelieferte Fahrzeuge soll die Funktion über eine Softwareaktualisierung verfügbar werden [9]. Neben Volkswagen befassen sich weitere Fahrzeughersteller wie Audi, BMW und Honda in Forschungs­projekten mit dem Thema Bidirektionalität. In der Schweiz läuft aktuell das Projekt «V2X Suisse». Ziel des bis Ende 2023 laufenden Projekts ist es, zu eruieren, wie bidirektionales Laden das Stromnetz ausgleichen kann, wie Standorte mit PV-Anlagen den Eigenverbrauch optimieren können, wie gross das betriebswirtschaftliche Potenzial der bidirektionalen Fahrzeuge ist und wie der Wettbewerb zwischen verschiedenen Netzteil­nehmern funktioniert. Die Bidirektionalität reduziert natürlich die Lebensdauer der Fahrzeugbatterie. Das Projekt läuft an 40 Standorten mit 50 Honda-e-Elektro­fahrzeugen und eigens dafür entwickelten Ladestationen mit CCS-Anschluss von Honda und Evtec [10].

Das bidirektionale Laden ist demnach eine hochaktuelle Thematik, die Fahrzeug- und Ladestationen-Hersteller betrifft. Zukünftig werden weitere bidirektionale Ladestationen für die von grossen Fahrzeug­herstellern angekündigte Bidirektionalität benötigt. Dies muss bei der Entwicklung von neuen Ladestationen berücksichtigt werden.

Einbindung und Vernetzung von Ladestationen

Um das Stromnetz mit bidirektionalen Ladestationen im grossen Stil ausgleichen zu können, bedarf es neben der bidirektionalen Technik auch einer intelligenten Vernetzung der Ladestationen. Diese verfügen zwar heute über Systeme für das Lastmanagement in Gebäuden, aber das netzoptimierte Laden stellt noch eine Herausforderung dar. Ladestationen müssen vom Netzbetreiber intelligent gesteuert werden können, damit ein Ausgleich des Stromnetzes mit Elektrofahrzeugen gelingt, ohne das Netz massiv ausbauen zu müssen.

Heute setzen Netzbetreiber die Rundsteuerung für das An- und Abschalten von grossen elektrischen Verbrauchern ein. Sie ist jedoch nur bedingt für die Steuerung von Ladestationen in der Elektromobilität geeignet, denn eine Ladestation und das daran angeschlossene Fahrzeug müssen kontrolliert herunter­gefahren werden und sollten nicht einfach mit einem Lastabwurf vom Netz getrennt werden.

Was zurzeit für die intelligente und dynamische Steuerung von Verbrauchern im Stromnetz fehlt, ist ein einheitlicher Kommunikations­standard. Es ist eine einheitliche Kommunikation mit allen Beteiligten des Stromnetzes anzustreben, darunter auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Zukünftig braucht es neue Schnittstellen, die die Kommunikation und Ansteuerung zwischen Systemen, Geräten und dem Netzbetreiber standardisieren. Dies stellt neben hohen Ladespannungen und bidirektionalem Laden eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung von Ladestationen dar.

Fazit

Die Entwicklung der Elektro­mobilität schreitet in hohem Tempo voran. Nicht nur die Batteriespannung in Elektrofahrzeugen und die Ladeleistung steigen, sondern auch die Anforderungen an Ladestationen. Bidirektionalität kann für die Netzstabilität eine wichtige Rolle spielen, aber wie sie sich in der Praxis auf die Lebensdauer der Fahrzeugbatterie auswirkt, ist noch kaum untersucht. Aktuell fehlen die wichtige Normierung für die Bidirektionalität des CCS-Ladestandards sowie eine intelligente Steuerung und einheitliche Kommunikation zwischen den Beteiligten in einem Stromnetz.

Es gilt also noch einige technische Herausfor­derungen im Bereich der Ladetechnologie zu meistern. Die Entwicklung von zukünftigen Ladestationen bleibt spannend. Der Trend hin zu immer höheren Ladeleistungen wird den Weg über höhere Batterie­spannungen gehen. Um mit Elektro­fahrzeugen Leistungsspitzen im Stromnetz ausgleichen zu können, sind einheitliche Normen erforderlich. So kann selbst das Auto als Teil der künftigen erneuerbaren Energie-Zukunft betrachtet werden.

Referenzen

[1] ADAC e.V., «Ladesäulen-Ladeleistung», 2020.

[2] The Mobility House, «Ladezeitenübersicht für Elektroautos».

[3] Store + Charge E-Mobility Solutions, «CCS Stecker».

[4] Semikron innovation + service, «Höhere Ladeleistungen für Schnellladestationen».

[5] I. Aghabali, P. J. Kollmeyer, B. Bilgin, J. Bauman, Y. Wang, A. Emadi, «800 V Electric Vehicle Powertrains: Review and Analysis of Benefits, Challenges and Future Trends», 2021.

[6] «Designwerk MDC44».

[7] Green Motion SA, «Greenmotion Range XT160».

[8] «Tesla Super Charger».

[9] Volkswagen, «Komfortabel, vernetzt und nachhaltig: neue Lösungen für das Laden der elektrischen Volkswagen Modelle», 2021.

[10] «V2X Suisse – Das Mega-Projekt der Sektorkopplung», 2022.

 

Autor
Andreas Schellenberg

ist am Institut für Energie­systeme und Fluid-Engineering an der ZHAW School of Engineering tätig.

  • ZHAW, 8401 Winterthur
Autor
Peter Schmidt

ist am Institut für Energie­systeme und Fluid-Engineering an der ZHAW School of Engineering tätig.

  • ZHAW, 8401 Winterthur
Autor
Prof. Dr. Andreas Heinzelmann

ist am Institut für Energie­systeme und Fluid-Engineering an der ZHAW School of Engineering tätig.

  • ZHAW, 8401 Winterthur

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