Neuartiges Batteriesystem in Betrieb
Systemdienstleistungen und Erfahrungen
Seit Ende 2023 betreibt die AEW Energie AG ein neuartiges Battery Energy Storage System (BESS) in Dättwil und testet dabei unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Das System baut auf der Cube-Technologie mit Lithium-Eisen-Phosphat-Zellchemie auf. Der Speicher befindet sich im Freien in nächster Nähe zum Unterwerk.
Die Transformation des Energieversorgungssystems und die Integration von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen hat in den vergangenen Jahren massiv an Dynamik gewonnen. Damit verbunden ist eine steigende Volatilität der Stromproduktion. Deshalb wird die Speicherung von Energie, sei es kurzfristig für wenige Stunden oder langfristig über mehrere Tage oder Wochen, immer wichtiger. Hohe Zubauraten von Batteriespeichern auf verschiedenen Netzebenen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen bestätigen diesen Trend.
Die AEW Energie AG erkannte schon vor Jahren, dass Energiespeichersysteme künftige Kernelemente des Verteilnetzes sein werden. Erste Erfahrungen mit Batteriespeichersystemen, welche in Zusammenhang mit PV-Anlagen, Kleinwindanlagen und Blockheizkraftwerken (BHKW) eine lokale Energiespeicherung ermöglichten, wurden im Rahmen des Projekts VEiN (Verteilte Einspeisungen in Niederspannungsnetze) zwischen 2010 und 2018 in Rheinfelden und in einem Nachfolgeprojekt gesammelt. So konnten bereits früh erste Erfahrungen in der Projektierung und im Betrieb von Speichersystemen gewonnen und gleichzeitig die Entwicklung der Technologie sowie des Marktes verfolgt werden.
Bei einer internen Innovationskampagne wurde 2019 die Idee zum Bau eines grossen Batteriespeichers auf der Netzebene 5 formuliert und in einer Vorstudie konkretisiert. Nebst Abklärungen zum aktuellen Stand der Technik verschiedener Technologien (Lithium-Ionen, Redox-Flow, Natrium-Nickel) wurden erste Einsatzszenarien für Systemdienstleistungen mit einer Batterie in der Grössenordnung eines MW-Speichers skizziert. Darauf basierend wurden mögliche Standorte evaluiert und ein konkretes Projekt erarbeitet. Nebst einem wirtschaftlich darstellbaren Case der Investition war vor allem der Aufbau des Know-hows ein ausschlaggebendes Argument für die Umsetzung des Projekts.
Systemwahl
Im Rahmen der Projektierung zeigte sich schnell, dass das Batteriespeichersystem auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie realisiert werden soll. Die Verfügbarkeit, der Reifegrad der Technologie sowie der spezifische Preis pro Speicherkapazität waren die grössten Treiber für diese Entscheidung. Li-Ionen-Batterien werden mit verschiedenen Zellchemien angeboten. Für die Anwendung in einem statischen Energiespeicher bietet sich die Lithium-Eisenphosphat-Chemie (LFP) an. Sie weist zwar im Vergleich zu anderen Varianten eine geringere Energiedichte auf, ist dafür sicherer und nachhaltiger. Im Vergleich zu anderen Batterietechnologien sind LFP-Batterien thermisch und chemisch stabiler, was das Brandrisiko erheblich reduziert. Der Verzicht auf das giftige und bezüglich Umwelt problematische Kobalt in der Zellchemie erhöht ihre Nachhaltigkeit.
Ein weiteres wichtiges Merkmal für die Systemauslegung ist der Formfaktor des Batteriespeichers. Am weitesten verbreitet sind Speichersysteme, die in gängigen Containern verbaut und zu Systemen kombiniert werden. Dies ermöglicht einen geringen Installationsaufwand vor Ort und eine hohe Standardisierung. Alle in der Schweiz verbauten grossen Batteriespeichersysteme basierten bisher auf diesem Ansatz. Alternativ werden Systeme angeboten, bei welchen die Batterien in speziellen Schaltschränken, sogenannten Cubes verbaut sind. Jeder dieser Cubes verfügt über eine eigene Klimaanlage, welche die idealen Betriebsbedingungen für die verbauten Batterien gewährleistet sowie über ein Brandmelde- und Löschsystem. Diese Variante ist flexibler im Layout – die Cubes und andere Systemkomponenten können ideal im vorhandenen Platz angeordnet werden – und sicherer im Brandfall.
Für die AEW waren beide Varianten denkbar und im Lastenheft wurde der Formfaktor nicht explizit vorgegeben. Es zeigte sich aber, dass Cubes-Lösungen durch ihre Flexibilität im Layout am vorgesehenen Standort am wettbewerbsfähigsten waren. Zudem stand in der Schweiz noch kein solches System im Einsatz.
Ein dritter Fokus wurde auf die Funktionalität der Systemsteuerung gelegt. Dies betrifft systeminterne Prozesse wie das Batterie- und Lademanagementsystem, welches dafür sorgt, dass die Speicherladung gleichmässig auf die Batteriezellen verteilt wird oder dass Wartungszyklen gefahren werden können. Andererseits muss das System über unterschiedliche Betriebsarten verfügen, die eine Vermarktung des Systems zulassen. So muss zum Beispiel die Lade- oder Entladeleistung extern vorgegeben werden können, oder das System muss autonom in der Lage sein, mit Primärregelleistung die Netzfrequenz zu stabilisieren. Nebst funktionalen Anforderungen spielten auch die Systemarchitektur, die Hardware, Schnittstellen zu anderen Systemen sowie das eingesetzte Scada-System eine wichtige Rolle.
Schliesslich überzeugte das Angebot von Hitachi. Nebst einem technisch wie betriebswirtschaftlich konkurrenzfähigen Angebot war die unmittelbare Nähe des R&D-Zentrums von Hitachi zum Anlagenstandort ein Pluspunkt des Anbieters.
Bau und Realisierung
Nachdem der Investitionskredit im Frühjahr 2022 freigegeben wurde, konnte die Umsetzung gestartet werden. In dieser Phase des Projekts wurde die Komplexität des Vorhabens sichtbar. Für die Anbindung an das Verteilnetz sowie für den Eigenverbrauchsteil des Systems wurde eine eigene Transformatorstation im Anlagenbereich vorgesehen, mit einer gasisolierten Mittelspannungsschaltanlage, einem Transformator für den Eigenverbrauch sowie einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV). Um die Anforderungen der Starkstromverordnung zu erfüllen, wurde zudem eine Trennstelle nach dem Trockentransformator vorgesehen. Die dafür nötigen Sicherungslastschaltleisten wurden in einem separaten Container untergebracht. So kann das System bei Wartungsarbeiten sichtbar mechanisch getrennt werden.
Die intensive Projektphase machte deutlich, wie wichtig eine gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Systemlieferanten ist. So konnten verschiedene Detailfragen jeweils effizient gelöst werden.
Nebst der elektrischen Auslegung wurden auch die Tiefbauarbeiten definiert. Die AEW entschied sich, kein Betonfundament für die Anlage zu erstellen, sondern eine Variante mit Schraubfundamenten für die Cubes, kombiniert mit vorgefertigten Kabelkanälen, umzusetzen. Dies ermöglicht einen einfachen Rückbau am Ende der Lebensdauer und half, die Infrastrukturkosten tief zu halten.
Parallel zum Engineering wurde das Gesuch für die Plangenehmigung der Anlage beim ESTI im ordentlichen Planverfahren eingereicht und das Projekt den direkten Nachbarn und der Stadt Baden vorgestellt. Mit der Feuerwehr der Stadt Baden wurde das Brandschutzkonzept bereits zu diesem Zeitpunkt besprochen.
Noch vor Baubeginn am Standort zeichnete sich ab, dass sich der ursprüngliche Zeitplan um drei Monate verzögern wird. Grund dafür war aber nicht die Lieferfrist der Batterien und anderer Systemkomponenten, sondern die Verfügbarkeit von Tiefbauunternehmern für die benötigten Arbeiten. Für die Systemkomponenten mussten deshalb für ein paar Wochen geeignete Lagerplätze für eine Zwischenlagerung organisiert werden.
Nach den Tiefbauarbeiten konnte mit der Installation der Anlage begonnen werden. Mit einem Pneukran wurden die Systemkomponenten und die Cubes auf die vorbereiteten Fundamente gehoben und installiert. Es folgten mehrere Wochen für die Verkabelung der Komponenten sowie die Anbindung ans Verteilnetz, bevor mit der Inbetriebnahme der Anlage begonnen werden konnte.
Spezialisten des Batterielieferanten CATL nahmen zunächst die Cubes einzeln in Betrieb. Anschliessend wurden diese mit den jeweiligen Konvertern als Strang in Betrieb genommen. Dabei wurde das übergeordnete Lade- und Kapazitätsmanagement für die einzelnen Stränge geprüft und das Zusammenspiel mit dem Konverter eingerichtet und getestet. Die Kommunikation sowohl technisch zwischen den Teilsystemen als auch zwischen den Spezialisten von Hitachi und CATL vor Ort war in dieser Phase entscheidend. Schliesslich wurden die fünf Stränge zum Gesamtsystem vereint, die Anlagensteuerung in Betrieb genommen und mit den Integrationstests begonnen. Dabei wurde das BESS mit unterschiedlichen Leistungen auf einige spezifische Ladestände geladen und entladen sowie die einzelnen Betriebsarten getestet. Ein besonderes Augenmerk wurde bereits in dieser Phase auf die Erfüllung der Präqualifikationsbedingungen gelegt, welche die Anlage gegenüber Swissgrid einhalten muss. Die geforderten Tests wurden entsprechend diesen Vorgaben durchgeführt. Am Schluss wurde das System in die OT-Infrastruktur der AEW integriert und die Schnittstelle zum Vermarkter eingerichtet und getestet. Die Anlage konnte so innert weniger Wochen reibungslos in Betrieb genommen und das AEW-Personal für den Betrieb geschult werden. Mit dem Bau des Sicherheitszaunes und der Begrünung der umgebenden Wiese wurden die Arbeiten abgeschlossen.
Erste Betriebserfahrung
Das System wurde rund 18 Monate nach der Bestellung im Herbst 2023 für den Probebetrieb von Hitachi an AEW übergeben. Von November 2023 bis April 2024 wurde die Anlage durch Swissgrid präqualifiziert und erfüllt nun alle Anforderungen zur Erbringung von Primär-, Sekundär- und Tertiärregelleistung. Das System wird seit Ende 2023 zur Sicherstellung der Netzstabilität eingesetzt und am Systemdienstleistungsmarkt gegenüber der Swissgrid vermarktet. Die Integration des BESS-Leitrechners in den Pool des externen Vermarkters Virtual Global Trading AG konnte über eine normierte Schnittstelle ohne zusätzliche Hardware umgesetzt werden. So kann der Vermarkter die Anlage ohne manuellen Eingriff jederzeit in den richtigen Betriebsmodus versetzen.
Der Betrieb funktioniert reibungslos, die Verfügbarkeit gegenüber der Swissgrid beträgt bisher 100 %. Der Betreuungsaufwand des Systems ist äusserst gering. Das System wurde bisher absolut störungsfrei für Sekundär- und Tertiärregelleistung eingesetzt und mehrfach abgerufen.
Ausblick
Die AEW blickt gespannt auf den Betrieb des Systems während den Sommermonaten. Einerseits wird erwartet, dass der Bedarf nach Systemdienstleistungen mit Abrufen im Sommer grösser sein wird als im Frühjahr und das System somit mehr Zyklen fährt. Gleichzeitig wird die Belastung des Systems im Sommer bei hohen Temperaturen und gleichzeitig hoher Leistung grösser sein als im bisherigen Zeitraum des Betriebs.
Ein spezielles Augenmerk wird auf die Entwicklung der Ladezyklen sowie die Degradation der Speicherkapazität gelegt. Das System wurde für einen vollen Lastzyklus pro Tag ausgelegt und eine entsprechende Abnahme der Speicherkapazität prognostiziert. Nun gilt es einerseits, die effektiven Lastzyklen aufgrund des realen Einsatzes zu erfahren und andererseits, die tatsächliche Entwicklung der Speicherkapazität zu erkennen. Hierzu setzt die AEW nebst der im System implementierten Überwachungssoftware auf eine zusätzliche Batterie-Analytik-Software der deutschen Firma Twaice. Dieses Überwachungs- und Prognosesystem kann zu jedem Zeitpunkt eine Prognose der Restlebensdauer und des Alterungsverhaltens anhand der künftigen Belastung berechnen.
Neben der Untersuchung des Alterungsprozesses dient der Energiespeicher auch der Erprobung von unterschiedlichen Einsatzzwecken. So wird der Speicher in den kommenden Monaten auch hinsichtlich weiterer Einsatzzwecke wie dem netzdienlichen und dem energiedienstlichen Einsatz z.B. für Energiearbitrage getestet.
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