Viele Wege, um Flexibilitäten ins Netz zu bringen
Netzimpuls, 20. März 2024, Aarau
Die an der Netzimpuls-Tagung vom 20. März 2024 dominierende Frage war, wie sich die Elektrifizierung aller Lebensbereiche schaffen lässt, ohne das Verteilnetz massiv ausbauen zu müssen. Das Zauberwort lautete «Flexibilität». An der Tagung wurde vorgestellt, wer Flexibilitäten anbieten kann, wie sie abgerufen werden – und wo es trotzdem noch Engpässe geben könnte.
Obwohl die Vielfalt der Ansätze überrascht hat, war man sich einig, dass die Energiespeicher der Elektroautos eine signifikante Rolle spielen könnten. Die Frage von Charlotte Wagner von der Universität Stuttgart, ob wir künftig den Heimspeicher weglassen und alles mit dem Elektroauto machen können, war also berechtigt. Sie stellte die Ergebnisse einer Studie vor, die über 43 Wochen mit 480 Haushalten in Deutschland durchgeführt wurde. Ihr Fazit: Das Vehicle-to-Home (V2H) hat grosses Potenzial, wenn das Auto – durch das Homeoffice ermöglicht – tagsüber zuhause am Netz ist und mit PV-Überschuss geladen wird.
Ingmar Schlecht, ZHAW School of Management and Law, erläuterte das Problem von lokalen Flexmärkten und zeigte Alternativen auf. Er sieht zwei Herausforderungen: Erstens die Marktmacht, denn an einzelnen Netzknoten fehlt oft die Konkurrenz. Zweitens müsse man sich bei dynamischen Tarifen entscheiden, ob sie für die Energie oder fürs Netz nützlich sein sollen. Bei der Tarifgestaltung muss darauf geachtet werden, dass Anreize nur in Grenzsituationen gemacht werden. Im normalen Bereich sollte der Preis stabil bleiben.
Nach dem gemeinsamen Auftakt konnte man zwischen dem Fachteil «Netze» und dem der «Märkte» wählen. In ersterem lag der Fokus auf technischen Lösungen, in letzterem auf der Kundenseite. Beispielsweise fragte da Florian Ess von Primeo Netz, wie mit einem Tarif zwei Ziele verfolgt werden können. Ein Ziel waren Anreize für Fassadenanlagen, die einen höheren Ertrag im Winter haben, beim zweiten ging es darum, die dezentrale Produktion in Einklang mit dem lokalen Verbrauch zu bringen. Die Kunden sollen frei wählen können, was sie optimieren möchten, wobei eine höhere Netzdienlichkeit finanziell abgegolten werden soll. Interessant waren auch die Resultate des Projekts eNet, die Oliver Woll von der HSLU vorstellte. Dabei wurden 1000 Personen gefragt, ob sie grundsätzlich Interesse hätten, einen flexiblen Tarif zu nutzen. Fast 60% hätten sofort mitgemacht. Für die Bereitschaft, eigene Stromverbraucher durch das EW steuern zu lassen, konnten sich deutlich weniger Personen begeistern.
Im gemeinsamen Schlussteil plädierte Christof Bucher von der BFH leidenschaftlich für die Leistungsregelung von PV-Anlagen. Das Problem sei künftig, dass eine momentane Überproduktion keine Abnehmer findet. Da nütze ein Netzausbau kaum etwas.
Die Tagung zeigte das beachtliche Spektrum an Forschungsaktivitäten im Netzbereich auf. Die Vielseitigkeit der Lösungen, um die Flexibilität in den Dienst des Verteilnetzes zu stellen, ist enorm. Da braucht es genau die Diskussionen, die die Netzimpuls-Plattform ermöglicht hat.
Kommentare