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Nachtschwärmer mögen es schummrig

Vorteile von bedarfsorientierter Strassenbeleuchtung

05.11.2018

In einer lauen Sommernacht sieht man unter Strassenleuchten immer wieder Insekten und Fledermäuse. Wie reagieren nachtaktive Tiere, wenn die Beleuchtung gedimmt oder nachts ganz ausgeschaltet wird? Antworten liefert eine Studie der WSL in Zusammenarbeit mit EKZ.

Welchen Einfluss hat die Strassenbeleuchtung auf Insekten und Fledermäuse? Wie reagieren die Tiere auf Volllicht und wie auf gedimmtes Licht? Diese Fragen haben die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Zusammenarbeit mit den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) untersucht. «In diesem Bereich wurde bis anhin noch wenig geforscht», sagt Janine Bolliger, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WSL, «wir betreten hier neues, unbekanntes Terrain und können mit unserer Studie einen Beitrag dazu leisten, herauszufinden, welchen Einfluss Licht auf Nachtinsekten und Fledermäuse hat.» Auch EKZ sei an den Antworten interessiert, sagt Jörg Haller, Leiter der Abteilung öffentliche Beleuchtung: «Die Erkenntnisse helfen uns grundsätzlich für die Planung der öffentlichen Beleuchtung, denn diese soll nicht nur energieeffizient, sondern auch umweltschonend sein.»

Feldarbeit im Sommer 2017

Um mehr über die Aktivität von Insekten und Fledermäusen an Strassenleuchten herauszufinden, haben die beiden Partner zwischen Mai und Juli 2017 eine Studie durchgeführt. Dabei ging man davon aus, dass Licht neben der Witterung (Temperatur, Niederschlag) ein wichtiger Treiber ist, um die Anzahl gefangener Insekten und die Fledermausortungen an Strassenleuchten zu erklären. Denn bei gedimmter Strassenbeleuchtung werden weniger Insekten gefangen und weniger Fledermausdurchflüge registriert als bei Volllicht.

Für die Studie wurden in Urdorf ZH und Regensdorf ZH insgesamt 20 Insektenfallen an zwei Strassenabschnitten mit bedarfsorientiert gesteuerter Strassenbeleuchtung aufgehängt, bei der die Lichtstärke auf bis zu 30 % reduziert und nur bei Verkehrsaufkommen hochgefahren wird. Jede zweite Strassenleuchte wurde zudem mit einem Mikrofon ausgestattet, das die Ultraschall-Echoortungen von Fledermäusen aufzeichnete.

Die Beleuchtung wurde von EKZ im Wochenrhythmus angepasst: eine Woche lang Volllicht, eine Woche lang bedarfsorientierte Strassenbeleuchtung. «Die Fallen wurden unter der Woche täglich geleert, die Insekten gezählt und in acht Gruppen sortiert, etwa Nachtfalter oder Käfer», erzählt Janine Bolliger von der WSL. Ende Juli wurden die Insektenfallen demontiert, danach ging es an die Auswertung. «In einem zweiten Schritt haben wir die gefangenen Insekten getrocknet und gewogen, um so ihr Gewicht, also ihre Biomasse zu bestimmen.» Diese ist eine Annäherung dafür, wie viel Nahrung für andere Tiere, wie zum Beispiel Fledermäuse, verfügbar ist. In die Auswertung miteingeflossen sind neben dem Licht auch andere relevante Umweltparameter, wie die Temperatur, der Niederschlag und die Vegetationshöhe in unmittelbarer Nähe der Strassenleuchten – denn auch sie haben einen Einfluss auf das Vorhandensein der nachtaktiven Tiere.

In Regensdorf wurden in den 32 Nächten knapp 4000 Insekten gefangen und über 38000 Durchflüge von Fledermäusen registriert, in Urdorf knapp 2900 Insekten und über 13800 Durchflüge von Fledermäusen. In den Nächten, in denen die Beleuchtung gedimmt wurde, wurden bis zu 50% weniger Insekten gezählt und eine um bis zu 55% geringere Fledermausaktivität gemessen.

Grösster Einfluss: Witterung

«Im Schnitt haben wir etwa zehn Insekten pro Strassenleuchte und Nacht gefangen – insgesamt rund 6900 Insekten», erzählt Janine Bolliger. Eine Zahl, die sie überrascht hat: «Wir haben deutlich mehr erwartet und uns im Vorfeld schon überlegt, was wir machen, wenn die Fangbecher, die etwas mehr als drei Deziliter fassen, mit Insekten überquellen.» Dass nach einer kühlen, regnerischen Nacht weniger Insekten in den Bechern waren, habe man erwartet. «Aber dass es über die insgesamt 32 Nächte so wenige waren, hat uns erstaunt.» Aus der Auswertung ging dann klar hervor, dass die Witterung den stärksten Einfluss hat: «Vor allem die Temperatur – zusammen mit dem Niederschlag – beeinflusst die Anzahl gefangener Insekten. Je wärmer die Nacht, umso mehr Insekten.»

Licht zweitwichtigster Faktor

«Je mehr Licht, desto mehr Insekten», fasst Janine Bolliger ein weiteres Resultat der Studie zusammen. In den Nächten, in denen das Licht in Urdorf und Regensdorf gedimmt wurde, ging die Lichtmenge um etwas mehr als ein Drittel zurück. Und auch die Anzahl gefangener Insekten: «Bei gedimmtem Licht haben wir bis zu 50 Prozent weniger Insekten gefangen.» Aber – und genau das fasziniert Janine Bolliger – nicht alle Insektengruppen reagieren gleich auf die Dimmung: «Für die beiden häufigsten Gruppen, die Käfer und Zweiflüger, wie zum Beispiel Fliegen, Mücken und Schnaken, macht die Dimmung im Vergleich zum Volllicht keinen signifikanten Unterschied.» Bolliger vermutet, dass auch die Dimmung für diese beiden Gruppen zu schwach ist oder die Insekten nicht sehr sensitiv auf Licht sind. «Diese Vermutungen müsste man in einem nächsten Test überprüfen», meint sie.

Besonders empfindlich hingegen reagieren Hautflügler, wie zum Beispiel Ameisen, Bienen und Wespen sowie Wanzen. «Diese beiden Gruppen fliegen richtiggehend auf das Licht. Im Vergleich dazu ist die Anzahl Insekten aus diesen beiden Gruppen in Nächten mit bedarfsorientiert gesteuertem Licht deutlich geringer.» Grundsätzlich könne man also sagen, dass gedimmte Strassenleuchten zu grösserer Nachtdunkelheit beitragen, nur bräuchte es wahrscheinlich für gewisse Gruppen eine noch grössere Reduktion der Beleuchtungsstärke.

Ähnliche Tendenz bei Fledermäusen

Die Witterung – vor allem die Temperatur – bestimmt auch die Aktivität der Fledermäuse am stärksten, zusammen mit der Insektenbiomasse als Mass für die Nahrungsverfügbarkeit. Dann folgen die Lichtverhältnisse. Und hier ist die Tendenz ähnlich wie bei den Insekten: Je mehr Licht, desto mehr Fledermausdurchflüge wurden registriert. «Aber weniger stark ausgeprägt», betont Bolliger. «Die häufigsten ­Fledermausarten reagieren stärker auf Licht; seltene Arten hingegen sind lichtscheu.» Die Hypothese zur Biomasse, dass mehr Insekten auch mehr Fledermäuse anziehen, trifft deshalb nur auf häufige Fledermausarten zu, die nicht lichtscheu sind: Diese können den durch die Leuchten sozusagen gedeckten Insektentisch einfach abräumen. Die seltenen, lichtscheuen Arten hingegen müssen sich ihre Nahrung anderswo suchen – ein zusätzlicher kompetitiver Nachteil gegenüber den häufigeren, lichttoleranten Arten.

Dimmen und abschalten

«Mit der Dimmung können wir zu grös­serer Nacht­dunkelheit beitragen», ist Janine Bolliger überzeugt. «Denn Licht kann eine Barriere sein für nachtaktive Tiere, wie Insekten und Fledermäuse. Aus Sicht der Tiere wäre es am besten, das Licht nachts ganz abzuschalten.» Eine flächen­deckende Dimmung, eine Reduktion auf das nötige Minimum in den Nachtstunden oder gar eine Abschaltung in der Nacht müssen sorgfältig evaluiert werden. «Intuitiv macht die Dimmung bei stark befahrenen Strassen wie in Urdorf oder Regensdorf am meisten Sinn. Würde man die Leuchten an weiteren Strassenzügen mit einer Dimmung ausrüsten, wäre das ein wichtiger Beitrag zu grösserer Nacht­dunkelheit in stadtnahen Lebensräumen.»

Autorin
Katia Soland

ist Projektleiterin Unternehmens­kommuni­kation bei den Elektri­zitäts­werken des Kantons Zürich (EKZ).

  • EKZ, 8022 Zürich

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