Interview Energieeffizienz , Hardware , Internet of Things

Die Umweltbelastung mittels IT reduzieren

Nachhaltigkeit

06.06.2021

Die IT lässt sich zwar zur Reduktion des Energie­verbrauchs und der Treibhaus­gas­emis­sionen einsetzen (indirekte Effekte), ihre Infra­struktur benötigt aber Energie für Herstellung, Betrieb und Entsorgung (direkte Effekte). Im Interview zeigt Jan Bieser Wege zur Nachhaltigkeit mit der IT auf.

Jan Bieser
Jan Bieser
Bulletin: Wo sehen Sie heute Handlungsbedarf: bei der Reduktion der direkten Effekte oder dem intelligenten Einsatz von IT zur Erhöhung der indirekten positiven Effekte?

Jan Bieser: Betrachtet man die direkten Effekte, also die Treibhausgasemissionen, die durch Herstellung, Betrieb und Entsorgung von IT-Geräten und IT-Infrastrukturen verursacht werden, so zeigt sich, dass speziell die Herstellung unserer Endgeräte (Desktop, Laptop, Tablets, Smartphones) erhebliche CO2-Emissionen verursacht. Daher ist es wichtig, möglichst wenig Geräte herzustellen, was beispielsweise durch eine längere Nutzung erreicht werden kann. Gemeinsam mit der ZHAW führen wir deshalb ein Forschungsprojekt zur Verlängerung der Lebensdauer von Smartphones, Tablets und Laptops in der Schweiz durch.

Gleichzeitig bieten digitale Anwendungen das Potenzial, Treibhausgas­emissionen in anderen Sektoren in der Schweiz zu vermeiden. Dieses stellt sich allerdings nicht von selbst ein, sondern muss gezielt erschlossen werden. Besonders grosse Klimaschutzpoten­ziale bieten zum Beispiel Anwendungen, welche Fahrzeugkilometer vermeiden oder Heizenergieverbräuche reduzieren.

Bei Informatik-Studiengängen an Schweizer Hochschulen scheint die Nachhaltigkeit eine untergeordnete Rolle zu spielen. Stimmt das?

Ja, dieser Eindruck trifft zu. An manchen Hochschulen wird aber der Einfluss von Informationssystemen auf eine nachhaltige Entwicklung in Lehre und Forschung adressiert. Zum Beispiel wurde an der Universität Bern Ende 2020 eine Professur in «ICT for Nature and People» ausgeschrieben und an der Universität Zürich gibt es seit 2010 eine Forschungsgruppe für Informatik und Nachhaltigkeit. Dies sind allerdings Einzelfälle. Manche Länder sind hier weiter. So gibt es in Deutschland an mehreren Hochschulen den Studiengang Umweltinformatik, und in Schweden müssen Informatikstudierende an manchen Hochschulen Kurse zu nachhaltiger Entwicklung besuchen.

Wo sehen Sie für EVUs noch Potenzial, um ihre Nachhaltigkeit mit IT zu erhöhen?

Studien zeigen, dass IT-Anwendungen, die einen Vorteil für die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien schaffen, erhebliches Potenzial bieten, um CO2-Emissionen in der Schweiz einzusparen, speziell, wenn so der Import von ausländischem Strom aus fossilen Energieträgern vermieden werden kann. Zudem können IT-Tools, die die Auslastung bestehender Infrastrukturen optimieren, den Ausbaubedarf vermindern und die damit verbundenen Umweltbelastungen vermeiden.

Verglichen mit früheren Mobilfunktechnologien wird 5G als energieeffizient angepriesen. Dürfen wir also in diesem Bereich mit Energieeinsparungen rechnen oder nicht?

In der Tat kann man annehmen, dass der Datentransfer pro übertragenem Datenvolumen mit 5G-Netzen weniger Energie braucht und geringere Treibhausgasemissionen verursacht als frühere Mobilfunktechnologien. Gleichzeitig gehen wir aber davon aus, dass sich das über Mobilfunknetze übertragene Datenvolumen in der Schweiz zwischen 2020 und 2030 verachtfacht und die durch Mobilfunknetze verursachten Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen – absolut gesehen  – zunehmen.

Betrachtet man den IT-Sektor insgesamt (inklusive Rechenzentren sowie Endgeräten wie Computer, Tablets, Smartphones), so zeigt sich, dass Mobilfunknetze darin nur für einen geringen Teil der Energieverbräuche und Emissionen verantwortlich sind. Dabei wird sowohl der Energieverbrauch für den Betrieb der IT-Geräte und Infrastrukturen als auch für die Herstellung in anderen Ländern betrachtet. Daher ist es wichtig, die Umweltbelastung der gesamten IT niedrig zu halten, was zum Beispiel durch die längere Nutzung von Endgeräten und die Optimierung der Auslastung von Rechenzentren erreicht werden kann.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

Zur Person

Dr. Jan Bieser forscht und lehrt im Bereich Digitali­sierung und Nach­hal­tigkeit an der Univer­sität Zürich und der KTH Stockholm.

  • Universität Zürich, 8050 Zürich

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