Nachhaltige Flugtreibstoffe
Entwicklungen und Herausforderungen
Der Bundesrat verabschiedete 2021 die Leitlinien für die Schweizer Klimastrategie. Die Emissionen aus dem Luftverkehr sind dabei auch im Netto-Null-Ziel für 2050 aufgeführt: Im Luftverkehr sollen die CO2-Emissionen Netto-Null betragen; die übrigen Klimawirkungen sollen sinken oder mit anderen Massnahmen ausgeglichen werden.
Seit Jahrzehnten werden alternative Energiespeicher untersucht, die die Energie fürs Fliegen komplett ohne direkte CO2-Emissionen bereitstellen können. Dazu gehören auch batterie-elektrische Flugzeuge. Das BAZL war direkt an der erstmaligen Luftfahrtzertifizierung eines zweisitzigen Elektroflugzeugs beteiligt und hat auch den Einsatz des Flugzeugs (Pipistrel Velis) als Nischenprodukt für Flugschulen subventioniert. Dabei wurden neben den bekannten Limitierungen durch die geringe Energiedichte von Batterien auch unerwartete Erkenntnisse mit aktueller Batterietechnologie gewonnen: Die Herausforderung, Batteriesysteme ohne das Unter- oder Überschreiten kritischer Temperaturen im Flugzeug zu betreiben und die geringe Lebensdauer von Batteriesystemen im Flugzeugeinsatz, da deren Kapazität von Flug zu Flug wegen fehlender Gewichts- bzw. Kapazitätsreserven voll ausgeschöpft werden muss.
Die Grenzen des elektrischen Antriebs
Ohne unerwartete Sprünge in der Batterieentwicklung (insbesondere in Bezug auf Gewicht, Sicherheit und Lebensdauer) bleibt der direkte elektrische Antrieb auch langfristig auf kleinere Flugzeuge mit kürzeren Reichweiten limitiert. Auch wenn höhere Reichweiten erreicht werden können, wird dies durch das verglichen mit Kerosin höhere Gewicht des Energiespeichers mit Einbussen bei der Nutzlast einhergehen. Daraus resultiert – trotz der hohen Energieeffizienz von Elektromotoren – ein höherer Energiebedarf pro Passagier respektive Nutzlast, was das Potenzial zur Klimawirkungsreduktion weiter einschränkt. Die Technologie kann von kleinen Flugzeugen nicht einfach auf grössere hochskaliert werden. Die Physik setzt hier Grenzen. Für den Kürzeststrecken-Luftverkehr in Gebieten mit schlechter Verkehrsinfrastruktur am Boden (wie Teile von Skandinavien), können Elektroflugzeuge für Passagiertransporte erwartet werden. In diesem Segment von Flügen unter 1 h Flugzeit mit bis zu 50 Passagieren werden aber heute global deutlich weniger als 1% der CO2-Emissionen des Luftverkehrs erzeugt. Der Ersatz solcher Flugzeuge durch batterie-elektrische Flugzeuge ist global gesehen bezüglich Treibhausgasreduktion praktisch wirkungslos.
Wasserstoff liesse sich nutzen
Ein weiterer möglicher Energiespeicher ist Wasserstoff. Damit Flugzeuge mit Wasserstoff-Speicher im Bereich von Kurz- und Mittelstrecken heutige Flugzeuge ersetzen könnten, muss das Volumen von Wasserstoff für die Speicherung an Bord so klein wie möglich gemacht werden. Das ist nur in flüssiger Form möglich, mit einer Transporttemperatur des Wasserstoffs von –253°C an Bord des Flugzeugs. Für den Antrieb kann Wasserstoff direkt in Gasturbinen eingesetzt werden oder via Brennstoffzellen Strom produzieren, der in Elektromotoren für die Schuberzeugung genutzt wird (hybrid-elektrische Antriebe). Flugzeuge mit Flüssigwasserstofftanks sind in Entwicklung, wobei aber die Herausforderungen an Dauerhaftigkeit von Komponenten und praktisches Handling ganz andere Dimensionen erreichen als beispielsweise bei Weltraumraketen, welche heute teilweise auch mit Flüssigwasserstoff betrieben werden. Wasserstoffbetriebene Passagierflugzeuge sind für Kurz- und Mittelstrecken aus Ingenieursicht denkbar. Für Langstreckenflugzeuge dürfte diese Technologie jedoch insbesondere aufgrund des benötigten Speichervolumens keine Alternative darstellen. Für rund die Hälfte der CO2-Emissionen des globalen Luftverkehrs ist diese Technologie deshalb auch langfristig keine Lösung. Um die erreichbare Reduktion der Klimawirkung einschätzen zu können, müssen zudem die kurzfristigen Effekte des auf Flughöhe ausgestossenen Wasserdampfs geklärt werden. Bei der Verwendung von Gasturbinen, welche für den Leistungsbedarf beim Start eines typischen Passagierflugzeugs praktisch zwingend sind, kann es ohne besondere Verbrennungstechnologie hohe Stickoxidemissionen geben. Beispielsweise braucht ein 180-Sitzer beim Start etwa 40 MW Antriebsleistung. Das ist wegen der begrenzten elektrischen Spannung am Flugzeug elektrisch nicht zu schaffen. Dazu kommen Verlustwärme-Probleme der Brennstoffzellen bei so hohen elektrischen Leistungen. Eine flugfähige «Low-NOx»-Wasserstoffverbrennung muss zuerst noch entwickelt werden.
Die wichtigste Voraussetzung für eine Reduktion der Klimawirkung ist die Vermeidung von fossilen Energiequellen bei der Herstellung des Wasserstoffs, wofür in diesem Kontext primär die Elektrolyse von Wasser mit Elektrizität aus erneuerbaren Quellen in Frage kommt. Dann kann Wasserstoff als nachhaltiger Flugtreibstoff bezeichnet werden. Airbus hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2035 ein kommerzielles Regionalflugzeug mit Flüssigwasserstoff als Energiespeicher und Gasturbinenantrieb zu entwickeln.
Nachhaltige Flugtreibstoffe
Ganzheitlich betrachtet, inklusive Produktion und Infrastruktur, werden bei einem typischen Passagierflugzeug während 25 Jahren Lebensdauer rund 95% der Treibhausgasemissionen im Flugbetrieb erzeugt – durch den Treibstoff.
Einer der grössten technischen Hebel zur Reduktion der Klimawirkung in den kommenden Jahrzehnten ist deshalb der Einsatz von Treibstoffen, welche zu insgesamt möglichst geringen fossilen Treibhausgasemissionen führen und als «Drop in» direkt in der bestehenden weltweiten Flotte eingesetzt werden können. Diese Treibstoffe sind kerosinähnlich und werden unter dem Begriff «Nachhaltige Flugtreibstoffe» (Sustainable Aviation Fuels, SAF) geführt.
In diesen Treibstoffen stammen Kohlenstoff und Wasserstoff entweder aus biogenen Quellen (z. B. alte Speiseöle, Schlachtabfälle, Holzabfälle, jedoch keine Nahrungsmittel) oder werden direkt der Atmosphäre entzogen, wobei Wasserstoff dann mit Elektrolyse aus Wasser erzeugt wird. Im Markt schon gehandelte SAF gehören der biogenen Sorte an. Sie brauchen wenig zusätzlichen Energieinput und sind relativ gesehen am wenigsten teuer.
Die zweite Sorte, als synthetische SAF bezeichnet, benötigt sehr viel erneuerbaren Energieinput (Strom oder Wärme). Technisch gibt es funktionierende Lösungen, aber bei der Verbesserung der Herstellungspfade und der Energieeffizienz bei der Produktion besteht noch viel Potenzial. Synthetische SAF sind heute kaum verfügbar, da ihre Produktion entsprechend noch teurer ist als für biogene SAF. Sofern an geeigneten Standorten genügend erneuerbare Energie produziert wird, nutzen synthetische SAF aber im Gegensatz zur biogenen Sorte fast unbeschränkte Quellen – die Atmosphäre und die Sonne. Bei Verwendung elektrischer Energie ist deren Herkunft zum Zeitpunkt des Verbrauchs sehr entscheidend, weil die eingesetzte Energie einen sehr tiefen CO2-Fussabdruck aufweisen muss. Bei der Verwendung von Wasserkraft und Kernenergie (beide liegen bei rund 10 g CO2/kWh über die Lebensdauer der Anlagen), lassen sich mit synthetischen SAF gegenüber fossilem Kerosin aktuell etwa 90% der fossilen CO2-Emissionen reduzieren.
Ein direktes Anschliessen einer Produktionsanlage ans Schweizer Stromnetz würde gesamtheitlich betrachtet (unter anderem wegen Importen aus Deutschland) bereits kaum mehr einen CO2-Vorteil bringen. Wenn «Strom» aus Wasserkraft oder Kernenergie nicht zur Verfügung steht bzw. ausgebaut wird und stattdessen auf Photovoltaik gesetzt wird, so besteht für ein funktionierendes System auf der geografischen Breite der Schweiz wegen der starken Saisonalität gemäss unserer Analyse ein grosser zusätzlicher Speicherbedarf für elektrische Energie. Interessanterweise ist der Speicherbedarf für eine direkte Elektrifizierung aus Photovoltaik am grössten, weil Produktion und Last sehr stark voneinander abweichen können. Ferner ist die Rückverstromung mit Verlusten verbunden. Gesamthaft gesehen ist das BAZL zum Schluss gekommen, dass auf Basis von Photovoltaik für elektrische Flugzeuge nicht weniger elektrische erneuerbare Primärenergie nötig wäre als für den Betrieb mit synthetischem SAF, welcher an geeigneten Standorten produziert wird.
Aus wirtschaftlichen Gründen muss die Produktion synthetischer SAF zudem entweder in Gegenden stattfinden, wo zusätzliche Wasserkraftwerke erstellt wurden oder werden (Beispiel Norwegen) oder wo die Saisonalität der Sonneneinstrahlung geringer und die Strahlungsintensität grösser als in der Schweiz ist. Der Transport von Kerosintreibstoffen mit bestehender Infrastruktur in die Schweiz macht nur einen geringen Teil der Umweltbelastung aus und ist aus dieser Sicht kein Problem.
Fazit
Zusammenfassend zeigt sich für alternative Energiespeicher das folgende Bild: Bis das Potenzial von Batterien und Wasserstoff zur Reduktion von Emissionen erreicht werden kann, müssen diese Energiespeicher zuerst weiterentwickelt, in Prototypen angewandt und dann die bestehende Flugzeugflotte ersetzt werden. Dazu wird umfangreiche Infrastruktur benötigt, von der Bereitstellung der nötigen erneuerbaren Primärenergie über den Transport und die Zwischenspeicherung bis zur Versorgung an allen Flughäfen, die von solchen Flugzeugen angeflogen werden sollen. Entsprechend nimmt das Potenzial zur Abdeckung des Transportbedarfs mit diesen Technologien in den nächsten Jahrzehnten nur langsam zu. Die Vermeidung von Emissionen über den Lebenszyklus von batterie-elektrischen Flugzeugen ist abhängig von der weiteren Entwicklung der Technologie, insbesondere der Batterieherstellung.
Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats hat den Bundesrat im Jahr 2021 via Postulat beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, «wie ein CO2-neutrales Fliegen bis 2050 ermöglicht werden kann». Mit dem Ja der Stimmbevölkerung im Juni 2023 zum Klima- und Innovationsgesetz wird der Luftverkehr ins Netto-Null-Ziel der Schweiz aufgenommen. Der nun verabschiedete Bericht des BAZL hält fest, dass sich dieses Ziel, das auch die Luftfahrtindustrie anstrebt, erreichen lässt. Allerdings muss die Branche hierfür in den kommenden Jahren viele Ressourcen in die Forschung und Entwicklung technischer Massnahmen investieren.
Die wichtigste technische Massnahme zur Reduktion der fossilen CO2-Emissionen ist der Einsatz nachhaltiger Flugtreibstoffe, wie ausgeführt wurde. Einen Beitrag leisten werden auch Effizienzsteigerungen in der Flugzeugflotte und im Flugbetrieb. Der Bericht hält weiter fest, dass bestehende Instrumente, darunter das Emissionshandelssystem der Schweiz, bereits Anreize zur Reduktion der Treibhausgasemissionen setzen. Zudem sieht das CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 auch für den Luftverkehr neue Instrumente vor; so etwa eine Beimischpflicht für nachhaltige Flugtreibstoffe.
Festgelegte Kriterien verhindern bei diesen Treibstoffen unerwünschte Auswirkungen auf die Umwelt und Konflikte mit der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln. Hinzu kommen neue Fördermittel, mit welchen der Bund die Luftfahrt auf dem Weg zur CO2-Neutralität unterstützen will. Mit den bestehenden und ab 2025 vorgesehenen Instrumenten kann der Bund die Weichen stellen für eine Reduktion von 70% der CO2-Emissionen des Schweizer Luftverkehrs. Damit er bis 2050 das Netto-Null-Ziel vollständig erreicht, braucht es indes auch die Entnahme und Speicherung von CO2 (Negativemissionstechnologien).
Der Bund begleitet die nachhaltige Entwicklung der Luftfahrt eng, lässt neue Erkenntnisse laufend in seine Arbeiten einfliessen und berichtet darüber. So thematisiert der Bericht neben den CO2-Emissionen auch weitere Klimawirkungen der Luftfahrt wie die Bildung von Kondensstreifen. Solche zusätzlichen Klimawirkungen werden aktuell noch erforscht. Gerade nachhaltige Flugtreibstoffe können auch diese Effekte reduzieren.
Kommentare