Fachartikel Energiespeicher , Gebäudeautomation

Update für die Monte-Rosa-Hütte

Energiespeicher

02.11.2021

Die Monte-Rosa-Hütte des SAC hat nach zehn Jahren einen neuen Energie­speicher erhalten: Die Bleibatterie wurde durch eine Lithium-Eisen­phosphat-Batterie ersetzt. Dank des neuen Batterie­systems kann die Hütte den vor Ort produzierten Solarstrom wieder maximal nutzen. Durch eine Vergrös­serung der Solar­anlage liesse sich die Hütte nahezu 100% autark betreiben.

Zwischen imposanten Berggipfeln und Gletschern trohnt sie wie ein Kristall auf knapp 2900 m ü. M. Als sie 2009 eröffnet wurde, galt die Monte-Rosa-Hütte als Leuchtturm der Energiezukunft, als Meisterwerk der Technik, das in enger Zusammenarbeit mit der Forschung entwickelt und gebaut wurde: Die Hütte des Schweizerischen Alpenclubs (SAC). Sie ist optimal gedämmt, erntet Solarenergie und verfügt über eine Lüftungsanlage sowie eine biologische Kleinkläranlage. Dank einer PV-Anlage an der Südfassade und eines Batteriespeichers, der rund 200 kWh speichert, sollte sich das Berghaus zu 90% selbst mit Energie versorgen. Für Bedarfsspitzen und den Winterbetrieb, wenn die Hütte zwei Monate im Schatten steht, kommt ein Blockheizkraftwerk zum Einsatz; gekocht wird mit Flüssiggas, das Warmwasser stammt aus solarthermischen Kollektoren. Das Gebäudeleitsystem Desigo von Siemens überwacht und steuert die gesamte Gebäudetechnik. Per Fernüberwachung können die Verantwortlichen des SAC die Daten jederzeit einsehen und im System eingreifen, auch wenn niemand vor Ort ist. «Stimmt etwas nicht, werde ich über eine E-Mail alarmiert. Auch unsere Kontaktperson bei Siemens erhält die Warnung», erzählt Kilian Emmenegger, seit 2019 Hüttenwart. Kritisch würde es, wenn die Pumpe der Kläranlage oder das BHKW ausfielen. «Die Mikroorganismen in der Kläranlage würden ohne Sauerstoff absterben», so Emmenegger. Wenn die Temperatur in der Hütte im Winter unter den Gefrierpunkt fiele, wäre der Winterraum nicht mehr nutzbar und auch die Technik bekäme Probleme. «Dann müssten wir auf den Berg und die Probleme beheben», so Emmenegger. Glücklicherweise ist dies jedoch nur selten der Fall.

Robust, aber weniger autark als berechnet

Die automatisierte Gebäudetechnik bietet für die Hüttenbewirtschaftung einige Vorteile, wie Kilian Emmenegger erzählt: «Für die Inbetriebnahme der Hütte im Frühling muss ich nur einen Schalter umkippen, und wenn wir am Ende der Saison ins Tal fahren, müssen wir nicht das ganze Lebensmittellager leeren.» Dank Gebäudeleitsystem und Fernüberwachung fühle man sich sicher, dass alles funktioniert. In den ersten Jahren nach der Eröffnung fand die Datenübertragung noch via Satellit statt, heute steht selbst zwischen den Viertausendern Breitbandinternet zur Verfügung. Über 150 Messpunkte überwacht das Gebäudeleitsystem. Zudem fliessen die Daten in den Cloud-basierten Navigator von Siemens ein, mit dem sich der Zustand der gesamten Technik und die Entwicklung über die Zeit visualisieren lassen. Daraus lässt sich erkennen, dass das komplexe System robust funktionierte. Auch im hohen Winter sinkt die Innentemperatur nicht unter 5°C, im Technikraum nicht unter 10°C. Die Produktion der PV-Module entsprach den Erwartungen, eine Degradation über die Jahre ist kaum zu erkennen. Auch Mängel lassen sich dank der Datenanalyse gut eruieren. Ein Beispiel: Auffällig war, dass die PV-Anlage an der Fassade ihre Höchstleistung nicht erreichte – das Maximum lag 20% unter den Erwartungen. Was man auf rund 2900 m ü. M. nicht erwarten würde, zeigten Temperaturmessungen in den Modulen: Sie waren deutlich überhitzt. Nach Eingriffen in der Fassade zur besseren Hinterlüftung war dieses Problem behoben.

Leistungsverlust durch Laden und Entladen

Nach dem fulminanten Start zeigte sich schnell, dass die SAC-Hütte den angestrebten Autarkiegrad nicht erreichte, weil sie mit durchschnittlich 8000 Übernachtungen jährlich deutlich mehr Besucherinnen und Besucher als erwartet anzog. Der Verbrauch schoss dadurch in die Höhe. 2011 wurde deshalb eine zusätzliche, freistehende Solaranlage auf einem Felsen mit einer Nennleistung von 8 kW installiert, die an Sommertagen zusätzlich 40 bis 50 kWh Strom produzieren sollte.

Rund zehn Jahre und viele Erfahrungen später hat die SAC-Hütte einen neuen Batteriespeicher erhalten. Die ursprünglich installierte Bleibatterie hatte fast 90% ihrer Kapazität eingebüsst. Dieser Batterietyp, der 2009 dem Stand der Technik entsprach, ist nicht für tägliches Laden und Entladen konzipiert. Die Einbindung der Batterie ins Gesamtsystem erfordert dies jedoch: Der Strom aus den PV-Anlagen fliesst nach einer Wandlung im DC/DC-Umrichter in die Batterie und von dort via DC/AC-Wandler zu den Verbrauchern. Übersteigt die Produktion den Verbrauch, wird die Batterie geladen. Hat der Ladestand ein Maximum erreicht, wird die Solaranlage abgeregelt und die Batterie entlädt sich. Der Leistungsabfall zeigte sich in den Daten, die das Gebäudeleitsystem kontinuierlich aufzeichnet. Der Vergleich der Daten aus zwei ähnlichen Sommern macht dies deutlich: Die maximal genutzte Solarenergie lag im Sommer 2020 rund 20 kWh oder knapp 20% tiefer als im Sommer 2014 (Bild 1). Weil die Produktionsdaten der PV-Anlagen keine Degradation über die Jahre zeigten, ist der Leistungsverlust auf die Batterie zurückzuführen.

Lithium statt Blei

Die Bleibatterie wurde im September 2020 durch eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) ersetzt. Für diesen Batterietyp war im Rennen mit einer Nickel-Metallhydrid-Batterie vor allem der tiefere Preis und das geringere Gewicht ausschlaggebend. Die Lithium-Eisenphosphat-Batterie zählt zu den sichersten lithiumhaltigen Energiespeichern, da sie sich nicht selbst entzünden kann – dies ist entscheidend für den Einsatz an entlegenen Orten wie der Monte-Rosa-Hütte. Mit einer erwarteten Lebensdauer von 20 Jahren ist der neue Speicher zudem sehr langlebig.

Die 14 Battery-Boxen Premium LVL des Herstellers BYD wurden in den zwei bestehenden Schaltschränken mit 800-A-Sicherung angeschlossen. Die gesamte Kapazität beträgt 215,6 kWh. So konnte die frühere Batterie praktisch eins zu eins durch den neuen Speicher ersetzt werden. Einzig in der Kommunikation waren gewisse Anpassungen notwendig. Die Bleibatterie wurde allein über die Spannungsmessung geregelt, die den Ladezustand widerspiegelt. Bei Lithium-Batterien ist dies nicht möglich, denn sie haben immer die gleiche Spannung und lassen je nach Systemzustand unterschiedliche Ladeströme zu. Die Regelung erfolgt deshalb anhand des Ladezustands und des maximal zulässigen Ladestroms. Diese Daten übermittelt das Batteriemanagementsystem via Wechselrichter an das Gebäudeleitsystem, das entscheidet, ob die Solaranlage Energie einspeist oder abgeregelt wird, ob die Batterie entladen oder der Generator in Betrieb genommen wird. Zum digitalen Datenaustausch zwischen Batteriemanagement und Wechselrichter musste ein neues Kommunikationsmodul eingebaut und die Software angepasst werden.

Am 21. September 2020 war es dann so weit: In Kooperation mit der Air Zermatt AG wurden rund 8,6 t Bleibatterien abtransportiert und die rund 2,7 t schweren Lithium-Batterien zur Monte-Rosa-Hütte verfrachtet. Die Installation der Batterien und die Integration ins Gebäudeleitsystem waren in neun Tagen abgeschlossen.

Regelung mit Sicherheitsmarge

Lithium-Eisenphosphat-Batterien werden optimal im Bereich von 20% bis 80% Ladung betrieben, um eine lange Lebensdauer zu erreichen. Die Untergrenze der Entladung bei 20% garantiert zudem, dass der Hüttenbetrieb im Winter drei Tage aufrechterhalten werden kann, selbst wenn das BHKW aussteigen sollte. So bliebe genügend Zeit, um eine Reparaturequipe aufzubieten. Laut Kilian Emmenegger kam es im ersten Winter mit der neuen Batterie jedoch nie so weit. Sobald die Untergrenze erreicht ist, schaltet sich das BHKW ein und lädt die Batterie auf 60%. Die maximale Ladung ist in der Regelstrategie auf 90% beschränkt. Bei diesem Wert schaltet die Solaranlage ab und die Batterie wird entladen, bis der Ladezustand 80% unterschreitet. Erst dann speist die Solaranlage wieder Strom ein. Ist die Batterie zu 90% geladen, kann sie den Sommerbetrieb mit Gästen bei Schlechtwetter rund drei Tage aufrechterhalten, bis die 20%-Schwelle erreicht ist.

Hohe Autarkie im Winter

Den ersten Winter hat die neue Batterie erfolgreich hinter sich. Von Oktober bis Mitte März ist in der Monte-Rosa-Hütte nur ein Winterraum mit 12 Schlafplätzen geöffnet, der im Winter 2020/21 pandemiebedingt nur für Notfälle zur Verfügung stand. Wie die Datenauswertung zeigt, beträgt der Grundbedarf der Hütte mindestens 25 kWh, auch wenn niemand in der Hütte ist. Den Grossteil davon verbrauchen das Rührwerk der Kleinkläranlage und der neue Mobilfunk-Repeater (Swisscom). Auch als die Hütte im Dezember und Januar den ganzen Tag beschattet war, ernteten die PV-Anlagen bei sonnigem Wetter über diffuse Einstrahlung bis zu 50 kWh Strom – genug für einen zu 60% autarken Betrieb. Sobald die Sonne die Hütte ab Februar wieder erreichte, lieferte sie genügend Energie für den Winterbetrieb. Die Batterie wies immer einen hohen Ladezustand auf (Bild 2). Ab Mitte März bis Ende Mai war die Hütte für die Skitourensaison wieder bewartet. Für diese Periode zeigen die Daten, dass der Verbrauch die Solarstromproduktion deutlich übersteigt, durchschnittlich um 50 kWh – dies, obwohl die Hütte coronabedingt nur zu zwei Dritteln ausgelastet werden durfte. Das BHKW füllt diese Lücke. Der Ladestand der Batterie betrug im Mittel nur noch 30 bis 40%. «Während des Hüttenbetriebs sind die Batterien nie maximal geladen», weiss Hüttenwart Emmenegger. «Es kommt einfach zu wenig Solarenergie rein.»

Zu klein dimensionierte Solaranlage

Im Frühling 2021 erreichte der Autarkiegrad 70% und bewegte sich in der gleichen Grössenordnung wie im Sommer 2014, als die alte Bleibatterie noch voll funktionstüchtig war (Bild 1). Um die Hütte zu 90% mit Solarstrom zu versorgen, müsste die PV-Anlage eine deutlich höhere Leistung erbringen. Aktuell ist die Leistung der freistehenden Anlage (Bild 4) zusätzlich eingeschränkt, da die Gläser einiger Module durch ein Elementarschadenereignis zerbrochen sind. Da es sich bei den Modulen um eine Spezialanfertigung handelte, sind baugleiche Module nicht mehr erhältlich. Andere Module mit den alten bestehenden zu kombinieren, ist aber schwierig: Die Zellen weisen nicht die gleichen Strom-Spannungs-Kennlinien auf und verhalten sich unter Belastung unterschiedlich. Weil die hohe Einstrahlung an der exponierten Stelle im Gebirge sehr hohe Ströme erzeugt, kann dies zu Problemen führen. Siemens und das Solarunternehmen BE-Netz schlagen deshalb einen Komplettersatz der Anlage vor. Bei der Installation von gleich vielen neuen Modulen wäre aufgrund des höheren Wirkungsgrads und der etwas grösseren Modulfläche mit einem Mehrertrag von 25 kWh täglich zu rechnen. Auf dem bestehenden Stahlgerüst könnten die Modulfläche jedoch um 9 m2 vergrössert werden. Damit liessen sich insgesamt 50 kWh mehr Strom produzieren als heute und der Autarkiegrad der Monte-Rosa-Hütte könnte auf nahezu 100% gesteigert werden. Die bestehende Batteriekapazität würde für dieses Szenario ausreichen.

Aus Zeitgründen muss der SAC dieses Jahr noch auf den Ersatz der Solaranlage verzichten. Über kurz oder lang ist dies jedoch unumgänglich. Dank einer Vergrösserung der Solarfläche könnte die Monte-Rosa-Hütte ihre Rolle als Leuchtturm der Energiewende wieder gerecht werden.

Autor
Hansjörg Sidler

ist Portfolio Consulting Manager.

  • Siemens Schweiz AG
    8047 Zürich

Kommentare

Stefan Bräuer,

Ich habe die Hütte vor einigen Jahren besichtigt und es wurde dazumal bereits bemängelt, dass beim Bau nicht beachtet wurde, dass es sinnvoller gewesen wäre, die thermischen Kollektoren in die isolierte Fassadenkonstruktion zu integrieren und die Fotovoltaik, die eben in kühlerer Umgebung besser funktioniert, aussen zu montieren. Wieso hat man das beim Bau nicht beachtet?

Hansjörg Sidler,

Sie haben natürlich recht, dass es aus energetischer Sicht sinnvoller wäre, die thermischen Kollektoren in der Fassade zu integrieren und die PV aussen an den Felsen. Die genauen Gründe für die Entscheidungen damals kenne ich nicht.
Ich weiss aber, dass die thermischen Kollektoren vollauf genügen und auch aussen genügend Energie liefern. Andererseits ist die Fläche für die PV einfach zu klein bemessen. Deshalb wollte man wohl die ideale Seite gegen Süden möglichst maximal für PV nutzen.

Bitte addieren Sie 4 und 6.