Fachartikel Erneuerbare Energien , Verbrauch

Mit Photovoltaik-Fassade Eigenverbrauch optimiert

PV-Fassade

11.12.2018

In einem mehrjährigen Praxistest untersucht EWZ, wie eine auf alle vier Gebäudeseiten ausgerichtete Photovoltaik-Fassadenanlage den Eigenverbrauch beeinflusst und wie dieser maximiert werden kann. Als Forschungsobjekt dient das preisgekrönte Mehrfamilienhaus, das 2016 unter Federführung von Viridén + Partner AG zu einem bewohnbaren Sonnenkraftwerk umgebaut wurde.

Im Zürcher Stadtkreis 6 haben die Architekten von Viridén + Partner AG ein Mehrfamilienhaus von 1982 gesamtheitlich saniert: Mit einer neuartigen Glasfassade aus matten, farbigen Photovoltaikmodulen und intelligenter Haustechnik haben sie das Gebäude zu einem bewohnbaren Sonnenkraftwerk umgebaut. Der Umbau ist ein «Leuchtturmprojekt» aus Sicht der Schweizer Energiezukunft. Bund, Kanton und Stadt Zürich unterstützen daher das Projekt. Im mehrjährigen Praxistest untersucht EWZ als Partner, wie eine auf alle vier Gebäudeseiten ausgerichtete Photovoltaik-Fassadenanlage den Eigenverbrauch beeinflusst und wie dieser maximiert werden kann. Dazu bezieht EWZ die Wärmepumpe und einen Teil der Energiebezügerinnen und -bezüger zur Lastverschiebung mit ein und untersucht die Auswirkungen auf die Netzstabilität innerhalb des Quartiers. Nun liegen erste Resultate vor.

Die Sanierung des Mehrfamilienhauses hebt sich durch die neuartige Glasfassade ab, die nebenbei auch Energie produziert. Kernstück ist das Photovoltaikmodul mit matter Oberfläche, dessen Farbe unterschiedlich gewählt werden kann. Zwar hebt sich die Materialisierung von den benachbarten, verputzten Hauswänden ab, doch der grau-grüne Farbton (Bild unten) passt die Fassade optisch in die Umgebung ein. Die Photovoltaikmodule sind auch aus der Nähe kaum zu erkennen. Dank der neuen Fassade und der intelligenten Haustechnik konnte der Energiebedarf des neu sechsstöckigen Mehrfamilienhauses, trotz zweier zusätzlicher Stockwerke, um 72 % gesenkt werden.

Einmaliges Forschungsobjekt dank der Grösse der PV-Fassade

Die Photovoltaik-Fassadenanlage ist mit 1586 m2 aktiver Fläche erheblich grösser als die Photovoltaik-Dachanlage mit 165 m2. Viele Gebäude im städtischen Umfeld weisen ähnliche Verhältnisse mit einem höheren solaren Ertragspotenzial der Fassade im Vergleich zum Dach auf. Aufgrund ihrer Ausrichtung und Form wurden alle vier Fassaden fast vollständig mit Photovoltaikmodulen ausgerüstet. Die Kombination einer Dachanlage mit vier Fassadenanlagen sowie die Grösse der Anlage ist bisher einmalig im städtischen Umfeld und bietet Möglichkeiten für verschiedene Untersuchungen im Hinblick auf die Umsetzung der Stromzukunft von EWZ respektive der Energiestrategie 2050 des Bundes.

Für EWZ stehen im über sechs Jahre angelegten Praxistest die folgenden Fragen im Zentrum: Wie beeinflusst eine auf alle Seiten ausgerichtete Photovoltaik-Fassadenanlage den Eigenverbrauch, und wie kann dieser auf das Maximum optimiert werden? Wie stark belastet oder entlastet die Energieproduktion der Photovoltaikanlage das Stromnetz unter Einbezug von Lastverschiebungen der Wärmepumpe und einzelnen Elektrobezügern? Und welchen Einfluss hat eine zusätzlich eingebaute Batterie auf die Netzentlastung?

Nun liegen die Resultate des ersten Betriebsjahres vor. In diesem wurden der Eigenverbrauchsanteil im Vergleich zu einer ertragsgleichen Dachanlage, die Rückspeiseleistung ins Verteilnetz von EWZ sowie der saisonale Ausgleich vertieft untersucht.

Hoher Eigenverbrauchsanteil mit Fassadenanlage

Der spezifische Ertrag der Photovoltaik-Fassadenanlage liegt erwartungsgemäss tiefer als bei einer entsprechenden ertragsgleichen Dachanlage. Dies, weil insbesondere die Anlagenteile an der Nordfassade vergleichsweise wenig Sonnenlicht, dafür konzentriert auf die Abendstunden, erhalten und weil im städtischen Umfeld Fassadenanteile immer wieder beschattet sind. Jedoch konnten bereits ohne Batterie ein hoher Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad erreicht werden. Diese überdurchschnittlichen Werte für eine Anlage dieser Grösse sind auf die Neigung und Ausrichtung der Fassadenanlage in vier Himmelsrichtungen sowie die Regelung der Wärmepumpen zurückzuführen.

Aufgrund der Neigung und Ausrichtung der Fassadenanlagen liegen die maximale Produktions- und Rücklie­ferleistung deutlich tiefer als die eigentliche Anlagenleistung. Allerdings ist die maximale Rücklieferleistung immer noch grösser als die Bezugsleistung ab Netz und bestimmt somit die Grösse des Hausanschlusses. Im Vergleich zu einer ertragsgleichen Dachanlage hat die Fassadenanlage im Jahr 2017 5,2 % (normalisiert 7,0 %) der Sommerproduktion in das Winterhalbjahr verlagert. Zum Vergleich: Die Schweizer Wasserkraftwerke haben 2017 rund 30 % der Sommerzuflüsse für das Winterhalbjahr in Speicherseen zwischengelagert. Obschon die verlagerte Solarproduktion nicht abrufbar ist, wird der saisonale Ausgleich spürbar unterstützt.

Gleichmässigere Produktion als eine ertragsgleiche Dachanlage

Obenstehendes Bild zeigt gut, dass die Fassadenanlage im Jahresverlauf im Vergleich zur Dachanlage einen gleichmässigeren Ertrag bereitstellt. In den Grafiken rechts wird die Fassadenanlage mit einer ertragsgleichen Dachanlage verglichen. Die Normalisierung auf ein mittleres Jahr erfolgte auf der Basis der jährlichen Sonnenstunden.

Auch in den Tagesprofilen (untenstehende Slide-Show) ist grafisch gut erkennbar, dass die Fassadenanlage im Tagesverlauf einen gleichmässigen Ertrag bereitstellt. In den Grafiken rechts wird wiederum die Fassadenanlage mit einer ertragsgleichen Dachanlage verglichen.

Wärmepumpenanlage auf PV-Produktion abgestimmt

Zur Optimierung des Eigenverbrauchs spielt der Energiebedarf der Wärmepumpenanlage eine Hauptrolle, da diese mit grossen Speichern für Warmwasser und für die Heizung ausgerüstet ist. Die Steuerung wurde so eingerichtet, dass sie möglichst nur dann läuft, wenn die Photovoltaikanlagen Strom produzieren. Da die Wärmepumpen bis auf 10 % der Nennleistung reduziert werden können, war die Anpassung der Bezugsleistung der Wärmepumpe an die Produktionsleistung der PV-Anlage nahezu stufenlos möglich. Für die Wärmepumpenanlage hat EWZ folgende Erkenntnisse aus dem ersten Betriebsjahr gewonnen:

  • Die Gleichzeitigkeit des Wärmepumpenbetriebs mit ausreichender Photovoltaikproduktion lag im Jahr 2017 zwischen 10 % und 63 % und im Zeitraum von März bis Oktober 2017 immer über 43 %. Die Gleichzeitigkeit wird dabei als Anteil der 15-Minuten-Zeitintervalle ausgedrückt, in denen die Photovoltaikproduktion grösser als der Wärmepumpenbedarf war.
  • Unterschätzt wurde der Warmwasserbedarf, namentlich in den Nachtstunden, was wiederholt zum Anlaufen der Wärmepumpe in der Nacht geführt hat.
  • Es besteht ein punktueller Konflikt zwischen Eigenverbrauchsoptimierung und Effizienz der Wärmepumpenanlage. Zur Erreichung eines möglichst hohen Eigenverbrauchs müssen die Wärmespeicher geladen sein und dies bei Temperaturen, welche leicht höher liegen als die effektiv benötigten. Diese Temperaturvorhaltung wirkt sich effizienzmindernd auf den Wärmepumpenbetrieb aus, insbesondere bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe.

Batterie erhöht Eigenverbrauch

EWZ hat im Mehrfamilienhaus einen Batteriespeicher installiert und am 1. April 2018 in Betrieb genommen. Bereits der erste Betriebsmonat zeigt, dass die Batterie einen grossen Einfluss auf Eigenverbrauch und Autarkie hat. Insbesondere der unterschätzte Warmwasserbedarf und als Folge der erhöhte Strombezug ab Netz in den Nachtstunden können damit reduziert werden. Bis Ende 2022 werden neben der Optimierung des Eigenverbrauchs auch die Auswirkungen der Batterie auf die Netzstabilität innerhalb des Quartiers untersucht. Ein einzelnes Gebäude, welches als Sonnenkraftwerk Strom ins Netz liefert, kann die Netzstabilität nicht gefährden. Sollten allerdings mehrere solche Gebäude im gleichen Quartier entstehen, können Spannungs- und Überlastungsprobleme auftreten. Für solche Situationen kann ein Batteriespeicher die Lösung sein, und dies will EWZ in diesem Leuchtturmprojekt prüfen.

Preisgekrönte Fassade

Die Sanierung des Mehrfamilienhauses hat den Schweizer Solarpreis 2017 und den Publikumspreis des Fassaden-Award PrixForix 2018 erhalten. Der spezifische Ertrag der Fassadenanlage im Vergleich zu einer Dachanlage ist tiefer. Damit sind sowohl die Kosten als auch die Umweltbelastung höher. Längerfristig erwartet EWZ, dass sowohl die Kosten als auch die Umweltbelastung bis 2050 auf einen Drittel bis einen Viertel  der heutigen Werte sinken werden.[1] Die neuen Gestaltungsmöglichkeiten und die anhaltend sinkenden Kosten der Photovoltaikmodule lassen erwarten, dass künftig vermehrt Fassadenanlagen realisiert werden.

Referenz

[1]   Treeze (im Auftrag von EWZ), «Ökobilanzdaten für die Szenarien der Energiezukunft 2050», 2015.

Autor
Gerhard Emch

ist Leiter operative Nachhaltigkeit bei EWZ.

  • EWZ – Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, 8050 Zürich

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