Mit IT nachhaltigere Energiesysteme schaffen
Energieinformatik und Nachhaltigkeit
Es gibt diverse Möglichkeiten, um mittels Informatik die Nachhaltigkeit von Energiesystemen zu steigern. Welche neuen Ansätze dabei in der Forschung gerade diskutiert werden, schildert Astrid Niesse im Interview. Selbstorganisierende Systeme stellen ihre persönliche Präferenz dar.
Bulletin: Die Energieinformatik ist ein breites Feld. Wo sehen Sie vielversprechende Ansätze, die eine Transition zu einem nachhaltigen Energiesystem beschleunigen könnten?
Astrid Niesse: Überall da, wo wir mit informatischen Methoden die Entwicklung cyber-physischer, sicherer und nachhaltiger Energiesysteme voranbringen können. Nachhaltigkeit beschränkt sich hier aber nicht auf die technischen Beiträge zur optimierten Abstimmung von regenerativer Erzeugung und steuerbarer Lasten. Für die Transition erarbeiten wir mittlerweile auch disziplinübergreifend Ansätze, die Bürgerinnen und Bürger in diesen Prozess einbeziehen, und dort eine vollständige Automatisierung einbringen, wo es nicht nur technisch sinnvoll, sondern auch gewünscht ist.
Ein grosser Beitrag der Energieinformatik zur Nachhaltigkeit besteht darin, nachhaltige Geschäftsmodelle möglich zu machen – wenn wir z. B. einem Betreiber von Energiespeichern mit unserer Schwarmspeicher-Technologie ermöglichen, Batteriespeicher besser zu nutzen, ist das auch ein Beitrag zur Ressourceneffizienz.
Gibt es neue Forschungstrends in der Energieinformatik?
Wir sehen gleichzeitig eine Verbreiterung und Konsolidierung der Energieinformatik. Im deutschsprachigen Raum spielt die jährliche Konferenz DACH+ Energy Informatics, die seit 2012 im Wechsel zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgerichtet wird, eine wichtige Rolle. Hier werden neue Forschungstrends vorgestellt und diskutiert. In diesem Jahr findet die Konferenz endlich wieder in Präsenz in Freiburg, unter der Leitung von Prof. Anke Weidlich statt. Da gibt es zwei prominente Trends: Die digitale Transformation der Energiesysteme, die von Prof. Verena Tiefenbeck diskutiert wird – übrigens eine Kollegin mit Vergangenheit an der ETH Zürich – sowie die Verschränkung von marktbasierten Ansätzen in Energiesystemen mit Methoden der Spieltheorie und Simulation. Als weiteren Trend in der Forschung sehe ich die Übertragung von Ansätzen aus dem Bereich selbstorganisierender Systeme auf die Anforderungen sicherheitskritischer cyber-physischer Energiesysteme – ein Thema, das meine Arbeitsgruppe in Oldenburg und mich besonders umtreibt.
Ein weiterer Trend zeigt sich im Paradigma der Open Science: Oft suchen wir nach Daten, Simulationsmodellen oder Software, und greifen auf Ergebnisse aus eigenen Projekten zurück, die andernorts ggf. viel passender für unsere Forschungsfrage in der Schublade liegen. Die FAIR-Prinzipien sollen dabei helfen, die Ergebnisse auffindbar (findable), erreichbar (accessible), interoperabel und wiederverwendbar (reusable) zu gestalten. Wir digitalisieren also nicht nur die Energiesysteme, sondern auch die Energiesystemforschung.
Welche Rolle spielt dabei das IoT?
Die technologischen Grundlagen in diesem Bereich wachsen deutlich seit Beginn dieser Forschungsrichtung: Im Energiebereich beschäftigt uns z. B. die Authentizität der beteiligten Komponenten sowie die Absicherung der Kommunikation. Und die Datensparsamkeit: Welche Komponenten dürfen, können und sollten miteinander in welchem Detailgrad kommunizieren? Können wir Anomalien z. B. mit Mitteln der KI rechtzeitig bestimmen, und steht das im Gegensatz zur Datensparsamkeit?
Welche Technologien finden Sie persönlich am spannendsten?
Ich bin begeistert von selbstorganisierenden Systemen. Ob es nun um die Entwicklung von Edge-basierten KI-Verfahren geht, oder um Schwarmspeicher – wir benötigen eine zunehmende Flexibilisierung in Energiesystemen, um unsere Klimaziele erreichbar zu machen. Dass wir dabei einen resilienten Betrieb dieser stark verteilten Systeme erreichen, ist mein Kernanliegen.
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Astrid Niesse leitet die Arbeitsgruppe «Digitalisierte Energiesysteme» an der Universität Oldenburg und ist Mitglied des Bereichsvorstands Energie im OFFIS. Sie ist u. a. auch Sprecherin der Fachgruppe Energieinformatik der Deutschen Gesellschaft für Informatik.
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