Interview Energieeffizienz , Hardware , Internet of Things

Mit ICT klima­freundlicher werden und bleiben

Nachhaltigkeit

26.04.2022

Der Einsatz von ICT ermöglicht in gewissen Bereichen eine Steigerung der Umweltfreundlichkeit. Dabei sollte auch darauf geachtet werden, dass allfällige Rebound-Effekte möglichst minimiert werden. Im Interview geht Jan Bieser auf aktuelle Entwicklungen ein.

Jan Bieser
Jan Bieser
Bulletin: Über welche Entwicklungen beim Einsatz von ICT für Nachhaltig­keits­ziele sind Sie besonders erfreut?

Jan Bieser: Ein derzeit prominentes Beispiel ist natürlich das Homeoffice. Hätten wir nicht die Möglichkeit, von zu Hause aus Videokonferenzen durchzuführen und Daten auszutauschen, dann hätte Social Distancing die Schweizer Wirt­schaft vor noch grössere Herausforderungen gestellt. Zudem ist Homeoffice gut für die Umwelt, weil so weniger gependelt wird. Und es spart uns wertvolle Zeit.
Eine andere erfreuliche Entwicklung ist, dass wir Endgeräte wie Smartphones immer länger nutzen; in Europa mittlerweile einen Viertel länger als noch 2016. Das senkt die Umweltbelastung, weil weniger neue Geräte hergestellt werden müssen, deren Produktion sehr energie- und materialintensiv ist. Zusätzlich gibt es immer mehr Anbieter, die Smartphones vermieten, anstatt sie zu verkaufen. Dadurch werden Anreize für Anbieter geschaffen, die Geräte möglichst lange im Umlauf zu halten, weil deren Umsatz von den monatlichen Mietgebühren abhängt und nicht vom einmaligen Verkaufspreis.

In welchen Bereichen könnte man mit ICT noch deutlich mehr erreichen?

Der Transportsektor verursacht weiterhin die meisten Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz, was vor allem daran liegt, dass wir hauptsächlich mit dem Auto unterwegs sind. ICT bietet Möglichkeiten, klimafreundlichen Verkehr wie den ÖV oder das Fahrrad attraktiver zu machen. So könnten mit Mobility-as-a-Service mehrere klimafreundliche Transportformen wie ÖV, Fahr­gemein­schaf­ten, Bike- und Scooter-Sharing in ein Mobilitätsabo integriert werden. Mit einer App könnten wir dann alle unsere alltäglichen Mobilitäts­bedürf­nisse abdecken.
ICT ermöglicht es aber auch, den Verkehr zu reduzieren – Stichwort: Home­office. Wie wäre es denn, wenn wir auch nach Corona weiterhin zwei bis vier Tage die Woche von zu Hause oder aus einem Co-Working-Space in der Nähe von zu Hause arbeiten würden? Dann würden wir längere Strecken nur noch dann zurücklegen, wenn wir wollen, und nicht, wenn wir müssen.

Sind Rebound-Effekte ein Problem? Wie kann man sie reduzieren?

Ja, das sind sie. Nehmen wir das Beispiel der selbstfahrenden Autos. Sollte in Zukunft jeder statt eines normalen Autos ein selbstfahrendes besitzen, dann ist damit zu rechnen, dass der Autoverkehr stark zunimmt. Beispielsweise weil es bequemer ist, mit einem selbstfahrenden Auto zu fahren als mit dem ÖV: Wir könnten nämlich wie im Zug andere Dinge nebenher machen, aber ohne erst zum Bahnhof fahren zu müssen.
Wenn wir die Technik selbstfahrender Fahrzeuge hingegen für autonome Ruf­busse einsetzen, also Busse, die ihre Route automatisch gemäss der Nach­frage anpassen, können wir den ÖV attraktiver machen. Dies wird auch öffentlicher Individualverkehr genannt.
Rebound-Effekte kann man reduzieren, wenn man es schafft, die Auslastung von Infrastrukturen zu erhöhen, z. B. über das Teilen von Fahrzeugen, und gleich­zeitig Anreize für Mehrkonsum vermeidet, beispielsweise durch verursachungs­gerechte Bepreisung anstelle von Flatrates und durch die Internalisierung externer Umweltkosten. Das gilt für Gebäude übrigens genauso wie für den Verkehr.

Auf welche Forschungsaspekte konzentriert sich Ihre Arbeit heute?

Am Gottlieb-Duttweiler-Institut untersuche ich derzeit, welche Rolle neue Technologien in der Gesellschaft und Wirtschaft spielen werden. Neben künstlicher Intelligenz untersuchen wir auch Blockchain, also die Technologie, welche Kryptowährungen erst ermöglicht. Allerdings nicht für den Einsatz bei Währungen, sondern in anderen Bereichen wie dem Energiesektor oder dem Gesundheitswesen, unter anderem für sicheres und transparentes Daten­management.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

Zur Person

Dr. Jan Bieser ist Senior Researcher am Gottlieb Duttweiler Institut und Postdoc in der Forschungsgruppe Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich.

  • Gottlieb Duttweiler Institut, 8803 Rüschlikon

  • E-Mail

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