Meinung Infrastruktur , Regulierung , VSE

Mit Augenmass

Die politische Feder 11/2018

06.11.2018

«Die Strommasten treiben die Spannung hoch», titelte vor Kurzem «Le Matin Dimanche» über das Stimmungsbild im Wallis. Die Empörung in der Gesellschaft und die Diskussion auf allen politischen Ebenen über die vom Bundesgericht autorisierte Höchstspannungs-Freileitung zwischen Chamoson und Chippis zeigen, dass die Umsetzung von Leitungsprojekten auch bei klaren rechtlichen Vorgaben letztlich stark von der Akzeptanz abhängt.

Allerdings braucht es einen zeitgemässen und zeitgerechten Um- und Ausbau des Schweizer Stromnetzes. Die Strategie Stromnetze verfolgt dazu das Ziel, mit nachvollziehbaren und klaren Kriterien mehr Akzeptanz und Rechtssicherheit zu schaffen, zum Beispiel in Form des Mehrkostenfaktors. Dieser sieht vor, dass Leitungen des Verteilnetzes grundsätzlich als Kabel auszuführen sind, sofern dies technisch und betrieblich möglich ist und die Mehrkosten ein angemessenes Mass nicht übersteigen.

Ob auf dem Terrain tatsächlich Fortschritte erzielt werden, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Strategie Stromnetze ab. Mit der vorgeschlagenen Regelung des Mehrkostenfaktors auf Verordnungsstufe droht indes bereits neues Ungemach. Im urbanen Gebiet wird heute aufgrund der gesellschaftlichen und raumplanerischen Präferenzen bereits grossmehrheitlich verkabelt. Der vorgeschlagene Mehrkostenfaktor von 1,75 würde zu einer absurden Trendumkehr hin zu Freileitungen führen. Der Aufschrei der betroffenen Anwohner, Gewerbetreibenden und Behörden wäre bereits absehbar und aufreibende Auseinandersetzungen die Folge.

Statt eines solchen Rückschritts ist ein realistischer Ansatz vonnöten: Wo der Variantenentscheid heute kein Thema ist, soll dies auch so bleiben. Dazu ist der Mehrkostenfaktor im urbanen Gebiet bei 3,0 festzulegen. Zudem sind Instandhaltungsmassnahmen und der Ersatz bestehender Kabelleitungen von der Prüfung des Mehrkostenfaktors auszunehmen, ebenso wie Hausanschlüsse und Versorgungsleitungen, welche heute ohnehin meist verkabelt werden. Für diese Vorhaben systematisch zeitraubend und kostentreibend Projektvarianten ausarbeiten zu müssen, würde die Verfahren verkomplizieren statt beschleunigen, ohne die Akzeptanz auch nur einen Schritt weiterzubringen.

Damit das richtige Netz zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen kann, braucht es eine realitätsnahe Umsetzung der Strategie Stromnetze und einen Mehrkostenfaktor mit Augenmass.

Autor
Dominique Martin

ist Bereichsleiter Public Affairs des VSE.

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