Metalle als Energiespeicher
Kreislaufsysteme
Künftig könnten gewisse Metalle das Energiesystem dekarbonisieren, indem sie zur Energiespeicherung eingesetzt werden. Um Wärme freizusetzen, lassen sie sich statt fossiler Energieträger verbrennen oder mit Wasser oxidieren.
In unserer Alltagserfahrung ist das Verbrennen von Metallen kaum präsent. Dies könnte zur Schlussfolgerung verleiten, dass Metalle unbrennbar sind. In pulverförmigem Zustand brennen aber gewisse Metalle gut, ja manchmal sogar explosionsartig. Neu ist dies nicht, denn schon seit dem Mittelalter wird Metallpulver in der Pyrotechnik verbrannt, um farbiges Licht zu erzeugen. Beispielsweise färbt das chemische Element Barium die Flamme grün, Natrium gelb und Lithium rot.
Mit Metallen, die im Wasser oxidieren, sind wir eher vertraut – und denken dabei beispielsweise an alte Schiffe oder Hafenanlagen, deren Rostschutz in die Tage gekommen ist. Oder, was dem hier vorgestellten Prinzip näher kommt, an Natriumklümpchen, die der Chemielehrer auf der Wasseroberfläche in einer Glasschale tanzen liess. Dabei entstand auch Wasserstoff, der sich manchmal entzündete. Mit diesem Redox-Prozess kann neben dem Wasserstoff auch Wärme erzeugt werden, denn die chemische Reaktion ist exotherm. Auch diese Art der chemischen Reaktion ist nicht neu, denn sie wurde beispielsweise bereits genutzt, um den Wasserstoff für den ersten bemannten Gasballonflug am 1. Dezember 1783 in Paris zu liefern. Dazu wurden Eisenspäne in Schwefelsäure aufgelöst. Drei Tage dauerte damals das Auffüllen des Ballons.
Neues Einsatzgebiet für die Energiespeicherung
Diese beiden schon länger bekannten chemischen Reaktionen, bei denen das Metall entweder an der Luft verbrannt oder in Wasser oxidiert wird, sind kürzlich ins Blickfeld der Energieforschung gerückt, weil sie eine elegante Lösung für die Langzeit-Energiespeicherung darstellen. Diese gewinnt mit dem Wandel des Energiesystems von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern zunehmend an Bedeutung.
Um die chemisch gebundene Energie gewisser Metalle zu nutzen, können diese durch Oxidation mit Luft, Dampf oder Wasser in Metalloxide überführt werden («Entladen»). Diese lassen sich anschliessend wieder reduzieren, d. h. in die metallische Form zurückführen, womit erneuerbare Energie gespeichert wird («Laden»).
In Metalloxiden ist der Sauerstoff fest gebunden. Die Oxide können im Prozess eingesammelt und rezykliert werden. Dadurch ist die Materialeffizienz hoch, denn im Unterschied zum Verbrennen fossiler Brennstoffe, bei denen die Verbrennungsgase wie CO2 in die Luft entweichen und wegen der Verdünnung nur mit hohem Aufwand wieder eingesammelt werden können, ist hier das Einsammeln viel einfacher.
Bei metallbasierten Energiespeichern kommt auch Wasserstoff vor, einerseits zum Reduzieren von Metalloxiden und andererseits als Produkt, wenn die Metalle mit Wasser bzw. Wasserdampf oxidiert werden. Der bei der Oxidation entstehende entzündliche und extrem flüchtige Wasserstoff muss dabei nicht langfristig in Druckbehältern gespeichert oder über grosse Distanzen transportiert und verteilt werden, denn er kann direkt vor Ort genutzt werden. Metalle als Energiespeicher ermöglichen somit eine vorteilhafte Nutzung von Wasserstoff, denn sie lassen sich einfach lagern und über die bestehende Strassen- bzw. Bahninfrastruktur transportieren. Der aufwendige Bau neuer Pipelines erübrigt sich.
Die Nutzung von Metallen wurde in diesem Kontext zwar beispielsweise schon in den 1970er-Jahren erforscht, als die Herstellung von Wasserstoff mit dem Oxidieren von Aluminium in Wasser untersucht wurde [1]. In den 1980er-Jahren wurde am Paul-Scherrer-Institut mit der Verbrennung von Aluminium zur Wärmegewinnung experimentiert [2]. Aber erst etwa vor einem Jahrzehnt nahm mit dem intensiveren Ausbau der erneuerbaren Energien das Interesse an sogenannten «Metal Fuels» als Energiespeicher zu, weil erneuerbar erzeugter Strom eine nachhaltige Herstellung der benötigten Metalle ermöglicht. Eigentlich zieht die Forschungsgemeinschaft gemäss Yvonne Bäuerle, Projektleiterin in diesem Bereich an der OST in Rapperswil, für diese Metalle den Begriff «Renewable Metal Energy Carrier» vor, da Fuel bei Nichtfachleuten mit Verbrennungsprozessen assoziiert wird, was bei der Metalloxidation nur eine der vielen Optionen zur Freisetzung der Energie ist.
Bei konventionellen Prozessen zur Herstellung reiner Metalle – sei es in Hochöfen oder durch Elektrolyse – entsteht CO2, da Kohlenstoff als Reduktionsmittel eingesetzt wird. Solche Verfahren lassen sich somit nicht nutzen, um Metalle für die dekarbonisierte Energiespeicherung zu produzieren.
Welche Metalle?
Um geeignete Metalle für die Energiespeicherung zu finden, müssen bestimmte Kriterien berücksichtigt werden: Die chemischen Elemente sollten eine hohe Energiedichte aufweisen, nicht giftig und ausreichend reaktiv sein, aber nicht so reaktiv, dass sie ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zudem müssen sie in grossen Mengen verfügbar sein, damit das neue Prinzip skalierbar und somit für die Energiewende geeignet ist. Mögliche Kandidaten sind Silizium, Eisen, Zink, Magnesium, Lithium, Bor und Aluminium.
Die wichtigsten Kandidaten für die Energiespeicherung sind Eisen und Aluminium. Die Herstellung von «grünem» Eisen geschieht in einem Ofen, in den von oben Eisenoxid-Pellets eingebracht und bei hohen Temperaturen mit Wasserstoff reduziert werden. Dabei entsteht Eisenschwamm (sponge iron). «Grünes» Aluminium wird hingegen mit einer Schmelzflusselektrolyse hergestellt. Dazu müssen erneuerbar erzeugter Strom und inerte Anoden, bei denen kein CO2 frei wird, statt den im Hall-Héroult-Prozess üblichen Kohleanoden verwendet werden. Inerte Anoden haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie einen weitgehend unterbrechungsfreien Prozess ermöglichen, da sie bei Weitem nicht so schnell wie Kohleanoden abgebaut werden. Die neuen Elektrolysezellen sind zudem wesentlich kleiner als bisherige, und der Prozess ist insgesamt effizienter.
Aluminium in Rapperswil
Hierzulande wird Aluminium in einer Forschungsanlage an der OST in Rapperswil genutzt. Dort wird Aluminiumgranulat in Wasser oxidiert, um Wärme und Wasserstoff zu erzeugen [3, 4]. Das vom EU Horizon Europe Projekt Reveal unterstützte System hat eine Leistung von 4 kW: 1 kW elektrisch und 3 kW thermisch. Es ist somit leistungsfähig genug, um ein Einfamilienhaus im Winter mit der nötigen Energie zu versorgen.
Im Zentrum der Anlage steht der Hauptreaktionsbehälter, der unter einem leichten Überdruck von 2 bar steht und Natronlauge enthält. Diese entfernt die Oxidschicht vom zugeführten Aluminiumgranulat, damit das Aluminium mit dem Wasser reagieren kann. Das bei der Reaktion von Aluminium mit dem Wasser entstehende Aluminiumhydroxid setzt sich als Schlamm im Sedimentationsbehälter ab und kann künftig bei der Anlieferung des Granulats für die Aufbereitung abtransportiert werden.
Mit dem entstehenden Wasserstoff wird in einer Brennstoffzelle vor Ort Strom erzeugt. Die bei der exothermen Reaktion im Reaktionsbehälter entstehende Wärme von 65 bis 70°C und die Wärme der Brennstoffzellenreaktion können ausgekoppelt und genutzt werden. Um den Speicherkreislauf zu schliessen, muss Aluminiumhydroxyd zu Aluminiumoxid gebrannt werden, aus dem anschliessend in einer Schmelzflusselektrolyse Aluminium gewonnen werden kann.
Aus diesem Forschungsprojekt der OST ist das Start-up Apricot366 hervorgegangen, das nun daran arbeitet, eine grössere Anlage mit 10 kW Leistung für Mehrfamilienhäuser auf den Markt zu bringen.
Eisen am Hönggerberg
Bei einem Pilotprojekt der ETH am Campus Hönggerberg wird statt Aluminium Eisen als Energiespeicher eingesetzt – in einem Eisen-Dampf-Verfahren, das bereits im 19. Jahrhundert bekannt war [5]. Der gesamte Prozess von Strom zu Strom kann hier vor Ort stattfinden. Im Prozess wird Wasserstoff aus einem vor Ort installierten Elektrolyseur in die Kessel geführt, um das Eisenerz zu Eisen zu reduzieren. Bei Bedarf lässt sich das Eisen wieder oxidieren, indem heisser Wasserdampf in die Kessel geleitet wird. Dabei entstehen Eisenoxid und Wasserstoff. Letzterer lässt sich anschliessend mit einer Gasturbine oder einer Brennstoffzelle zu elektrischer Energie umwandeln. Dabei wird der Wasserdampf mit der Abwärme der Entladereaktion erzeugt.
Langfristig kann diese Pilotanlage rund 10 MWh Wasserstoff speichern. Wird das Gas später verstromt, erhält man je nach Verfahren und Wärmedämmung 4 bis 6 MWh zurück. Den Technologiereifegrad gibt der am Projekt beteiligte ETH-Wissenschaftler Samuel Heiniger mit 6 bis 7 an.
Dieses Prinzip, das nun vom Start-up IronEnergy weiterentwickelt wird, unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht vom Rapperswiler Verfahren: Der Prozess findet in grossen Edelstahlkesseln unter deutlich höherer Temperatur (400 bis 500°C) statt, und das Eisenerz kann für viele Zyklen genutzt werden, ohne ausgetauscht zu werden. Regelmässige Materialtransporte zu einer grossen Schmelzanlage wie beim Aluminium erübrigen sich. Zudem kann das Eisenerz relativ einfach beschafft und muss nicht vorher aufbereitet werden. Die Speicherkapazität lässt sich mit grösseren Kesseln und zusätzlichem Eisenoxid erhöhen.
Offene Fragen
Der Ansatz, Metalle zur Speicherung von grünem Wasserstoff zu nutzen, hat zahlreiche Vorteile, birgt aber auch Herausforderungen, die je nach Verfahren – Verbrennung oder Oxidation mit Wasser oder Wasserdampf – in einem anderen Bereich liegen. Da solche saisonalen Energiespeichersysteme skalierbar sind, sind sie auf grosse Mengen an Rohstoffen angewiesen, die erneuerbar produziert werden müssen, damit eine Dekarbonisierung möglich ist. Auch die erforderliche Transportlogistik muss möglichst ohne CO2-Emissionen auskommen. Es gibt also noch zahlreiche Herausforderungen, die parallel gelöst werden müssen, um das Gesamtsystem nachhaltig zu gestalten und im Markt einführen zu können.
Diese Fragen haben einerseits das grosse Ganze im Blick, unter anderem die nachhaltige Herstellung und den emissionsfreien Transport der benötigten Metalle. Andererseits wird auch an zahlreichen Detailfragen geforscht, beispielsweise im Kontext der kontinuierlichen Verbrennung von Metallpulver. Eine Einführung solcher Systeme in der Praxis wird nur möglich sein, wenn die entsprechenden Antworten gefunden werden.
Es lohnt sich, diese Antworten zu finden, denn das Potenzial für kohlenstofffreie Energie- und Materialkreisläufe ist beträchtlich. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche dieser Verfahren den Weg ins künftige Energiesystem finden werden.
Referenzen
[1] D. Belitskus, «Reaction of Aluminum with Sodium Hydroxide Solution as a Source of Hydrogen», J. Electrochem. Soc. 117, 1097, 1970; I. E. Smith, «Hydrogen generation by means of the aluminum/water reaction», Journal of Hydronautics, April 1972.
[2] J. Wochele, Chr. Ludwig, «Aluminium als Brennstoff und Speicher», BFE-Schlussbericht, Juni 2004.
[3] M. Y. Haller et al., «Combined heat and power production based on renewable aluminium-water reaction», Renewable Energy 174, 879–893, 2021.
[4] Y. I. Baeuerle et al., «PeakMetal – Covering Winter Peaks of Heat and Electricity Demand by ‹Renewable Metal Fuels›», BFE-Schlussbericht SI/502545-01, 2024.
[5] Christoph Elhardt, «Eisen als günstiger Wasserstoffspeicher», ETH Zürich, 28.8.2024.
Links