Fachartikel Energienetze

Messung von Netzimpedanzen

Auswertungen

26.04.2019

Um eine realitätsnahe Datengrundlage für die dritte Ausgabe der DACHCZ-Regeln in Bezug auf die Beurteilung von Oberschwingungsströmen zu gewinnen, haben drei Hochschulen gemeinsam in verschiedenen Regionen der Schweiz an unterschiedlichen Netzpunkten die frequenzabhängige Netzimpedanz gemessen.

Die frequenzabhängige Netzimpedanz wird benötigt, um die Rückwirkung der emittierten Oberschwingungsströme auf die harmonischen Netzspannungen erklären zu können. Sie ist somit eine wichtige Grundlage, um Oberschwingungsspannungen in entsprechende Ströme umzurechnen. Die Auswertung zeigt, dass weder die Geografie noch die Art des Netzes (städtisch/ländlich) einen direkten Einfluss auf die Netzimpedanz haben. Die an den Verteilkabinen und Trafo­stationen gemessenen Verläufe unterscheiden sich zwar stark in ihrer Lage, weisen aber in ihrem Verlauf sehr ähnliche Muster auf.

Wo wurde gemessen?

Die Gruppe Elektrizitätsnetze der Berner Fachhochschule (BFH) hat im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) eine Messkampagne zur frequenzabhängigen Netzimpedanz (FNI) organisiert. Mit diesen Messungen und mit ähnlichen Messkampagnen in drei weiteren Ländern hat die Arbeitsgruppe TR EMV&PQ DACHCZ für die dritte Ausgabe der «Technischen Regeln zur Beurteilung von Netzrückwirkungen» eine einheitliche umfassende Datenbasis aus der Praxis geschaffen.

Die Messungen wurden in vier verschiedenen Regionen der Schweiz, in den Verteilnetzen des Energie Service Biel/Bienne (ESB), der Aziende Industriali di Lugano (AIL), von Repower und dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) durchgeführt. Pro Region wurde jeweils in städtischen sowie ländlichen Trafostationen und Verteilkabinen die frequenzabhängige Netzimpedanz erfasst. Die Kurzschlussleistungen an den verschiedenen Messorten waren sehr unterschiedlich und reichten von wenigen MVA bis in den zweistelligen MVA-Bereich. Ein Messpunkt in einem städtischen Gebiet hatte eine Kurzschlussleistung von über 30??MVA. Für einen umfassenden Ländervergleich hat die AG Power Quality an der Professur für Elektroenergieversorgung der Technischen Universität Dresden (TUD) pa­rallel Messungen in Österreich und Tschechien durchgeführt und ihre bereits vorhandenen Messungen aus Deutschland in den Ländervergleich aufgenommen. Die Kurzschlussleistungen lagen in diesen Ländern im Mittel tiefer als in der Schweiz, wobei dennoch eine deutliche Überlappung der Bereiche vorhanden war.

Wer hat gemessen?

Um einen möglichst grossen Frequenzbereich abzudecken, wurden parallel verschiedene Messeinrichtungen eingesetzt. Dabei konnten die speziellen Kompetenzen von zwei schweizerischen und zwei ausländischen Hochschulen genutzt werden. Die BFH spezialisiert sich mittels digitalem Spannungsanalysator auf den zur Erfüllung der Norm EN 50160 beziehungsweises EN 61000-2-2 (Harmonische) wichtigen Bereich unterhalb von 2,5 kHz. Die Fachhochschule Westschweiz in Sion (HES-SO) fokussiert sich mit ihrem selbst entwickelten Messgerät auf den Frequenzbereich zwischen 10 und 500 kHz, welcher den Bereich der EN 61000-2-2 (150 kHz) vollständig abdeckt. Die Netz­impedanzen in diesem Frequenzbereich dienen unter anderem der Analyse von Störungen von Schmalband-PLC-Systemen.

Das Messsystem, welches die TUD entwickelt hat, deckt den Frequenzbereich zwischen 25 Hz und 150 kHz ab. Die Messergebnisse der TU Dresden eignen sich somit hervorragend für einen Vergleich mit den beiden anderen Systemen. An den Messpunkten in den Netzen von EWZ- und Repower wurden zudem begleitende Messungen durch Vertreter der Universität des Baskenlandes durchgeführt.

Wie wird gemessen?

Zur Messung der Netzimpedanz sind diverse Verfahren bekannt. Die Netz­impedanzmessungen in dieser Messkampagne basierten auf dem invasiven Verfahren. Dies bedeutet, dass durch eine geeignete Quelle entweder ein Sinusstrom mit einer variablen Frequenz oder ein Stromsignal mit unterschiedlichen Frequenzen im zu untersuchenden Frequenzbereich eingekoppelt und die Spannungsantwort erfasst und ausgewertet wird. Meistens erfolgt die Messung einphasig. Dies bedeutet, dass die resultierende Schleifenimpedanz sowohl den Phasenleiter als auch den Neutralleiter beziehungsweise die Rückleitung über Erde berücksichtigt.

Kurzschlussimpedanz vs. Frequenzabhängigkeit

Die Kurzschlussimpedanz (Impedanz bei Netzfrequenz) am betrachteten Netzpunkt ist die Basis für die Berechnung der Kurzschlussleistung. Sie ist nur für die Grundschwingungsfrequenz gültig. Sie wird im Wesentlichen durch die Längsimpedanzen der Netz­elemente zwischen Netzpunkt und Transformation zum überlagerten Netz bestimmt. Die Kurzschlussimpedanz gilt für dreiphasig symmetrische Bedingungen und spiegelt deshalb ausschliesslich die Längsimpedanz des Phasenleiters wider. Der Neutralleiter beziehungsweise die Erdungsverhältnisse haben keinen Einfluss. Grundsätzlich ist die Schleifenimpedanz bei Netzfrequenz ungefähr doppelt so hoch wie oder etwas geringer als die Kurzschlussimpedanz.

Die Impedanzen bei Frequenzen oberhalb der Netzfrequenz werden zusätzlich durch die Leitungskapazitäten und durch elektrisch nahe dem Messpunkt angeschlossenen Geräte bestimmt. Das obenstehende Bild zeigt die Komplexität der Situation auf. Bei der Ausprägung der frequenzabhängigen Netz­impedanz werden mit zunehmender Frequenz lokale Einflüsse wesentlich wichtiger. Bei Frequenzen im kHz-Bereich gelten also grundsätzlich andere Mechanismen und folglich auch Werte als im Hz-Bereich.

Die frequenzabhängige Netzimpedanz weist fast immer mehrere Resonanzstellen auf. Resonanzfrequenz und Gütefaktor der Resonanzstellen sind in starkem Masse vom Aufbau des Netzes, dem aktuellen Schaltzustand des Netzes, vom Typ und Betriebspunkt der angeschlossenen Anlagen der Netzbenutzer und unter Umständen auch vom Schaltzustand des übergeordneten Netzes sowie der Netzbelastung abhängig.

Je nach Schaltungstopologie, Eingangsfilter und internen Steuer- beziehungsweise Regelkreisen ist der Einfluss von an das Netz angeschlossenen Geräten auf die frequenzabhängige Netzimpedanz sehr unterschiedlich. Eingangsseitige Kapazitäten von Geräten in den Anlagen der Netzbenutzer können den Betrag der frequenzabhängigen Netzimpedanz derart beeinflussen, dass ihr induktiver Phasenwinkel bedingt durch die Längselemente des Netzes bei höheren Frequenzen wieder abnimmt und die resultierende frequenzabhängige Netzimpedanz in grösseren Bereichen kapazitiv werden kann. Im obenstehenden Bild ist die Vielfalt der möglichen Wirkungen von Geräten auf die frequenzabhängige Netzimpedanz schematisch veranschaulicht. Der Verlauf der frequenzabhängigen Netz­impedanz (Betrag und Phasenlage) ist deshalb in hohem Masse orts- und zeitabhängig.

Feldmessungen im Niederspannungsnetz an Anschlusspunkten mit einzelnen Umrichtern grösserer Leistung oder mit einer Vielzahl von Umrichtern kleiner Leistung zeigen sehr deutlich, dass der Verlauf der frequenzabhängigen Netzimpedanz durch Bemessungsleistung und Modell der Umrichter entscheidend beeinflusst werden kann (Bild oben). Dieses Verhalten ist mit den Unterschieden in Bezug auf die Schaltungstopologie sowie in der Auslegung der Filterkreise zu erklären. Weisen die Geräte höhere Stromharmonische im Bereich der Resonanzstellen der Netz­impedanz auf, treten vermehrt Spannungsverzerrungen auf, welche wiederum das Verhalten anderer Geräte der Netzbenutzer beeinflussen können. Werden schwingungsfähige Systeme im Bereich ihrer Resonanz angeregt, können im Fall einer geringen Dämpfung angeschlossene Geräte instabil werden, was normalerweise zu einer Netztrennung führt. Besonders gefährdet sind dabei jene Umrichter, deren Leistungs- beziehungsweise Stromregelung mit der Resonanzstelle eine starke Wechselwirkung aufweisen.

Die Netzimpedanz bis 2,5 kHz – Messungen der BFH

Die Auswertung der Messungen der BFH mit dem digitalen Spannungsanalysator spiegelt den grossen Unterschied bei den Kurzschlussleistungen der Messorte wieder (Bilder oben und unten). Die Werte bei Netzfrequenz liegen um mehr als eine Dekade auseinander. Zudem sind die Impedanzen bei den Messungen an den Verteilkabinen bis zu einer Frequenz von 1,5 kHz grundsätzlich höher als jene direkt an den Transformatorenstationen.

Es sind Resonanzstellen bei unterschiedlichen Frequenzen sichtbar, welche sich aus der Wechselwirkung der lokalen Einflüsse in Kombination mit den Leitungsparametern ergeben. Der Impedanzwinkel wechselt an einigen Messpunkten ab einer Frequenz von zirka 800 Hz von induktiv (positiver Winkel) auf kapazitiv (negativer Winkel). Der wellenförmige Verlauf der FNI kann wohl zum Teil auch durch Messungenauigkeiten respektive durch das Messverfahren begründet werden.

Die Ausprägung der Netzimpedanz bis 500 kHz

Die Messungen der HES-SO im Frequenzbereich bis 500 kHz zeigen von 2,5 bis 100 kHz ein sehr einheitliches Bild (siehe unten). Bis auf eine Messung (VK4) ergibt sich eindeutig eine lineare Abhängigkeit der Amplitude von der Frequenz. Unterhalb von 2,5 kHz und oberhalb von 100 kHz ist eine starke Streuung der Messwerte feststellbar, was auf mögliche Genauigkeitsgrenzen des Messkonzepts schlies­sen lässt.

Messkampagnen DACHCZ

Die EN 61000-4-7 beschreibt für Niederspannungsnetze einen Verlauf der frequenzabhängigen Netzimpedanz bis 9 kHz, welcher den zunehmenden Einfluss der angeschlossenen Geräte berücksichtigt. Diese Impedanz ist in der Anwendung mit der Referenzimpedanz nach IEC 60725 vergleichbar und dementsprechend konservativ. Da die Kurzschlussleistung an den meisten Messorten teils erheblich grösser als die dem Verlauf nach EN 61000-4-7 zugrundeliegende Kurzschlussleistung ist, sind entsprechend auch die tatsächlichen frequenzabhängigen Netzimpedanzen an der grossen Mehrheit aller Anschlusspunkte niedriger. Das untenstehende Bild stellt die Grenzkurven aus den relevanten Normen mit den Messungen der frequenzabhängigen Netz­impedanz für repräsentativ ausgewählte Punkte in öffentlichen Niederspannungsnetzen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Tschechischen Republik in direkten Zusammenhang. Die Messungen weisen in den meisten Fällen mindestens eine ausgeprägte Resonanzstelle auf und variieren im Bereich von ungefähr zwei Dekaden.

In Niederspannungsnetzen werden ausgeprägte Resonanzen zunehmend bei niedrigen Frequenzen im Bereich einiger Hundert Hertz beobachtet, was auf die steigende Anzahl von netzseitigen Filterkapazitäten in modernen leistungselektronischen Geräten zurückzuführen ist.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Messungen zeigen deutlich, dass die frequenzabhängige Netzimpedanz in allen Regionen der Schweiz sowie in den untersuchten Ländern ähnliche Verläufe aufweist. Die wesentlichen Unterschiede liegen in den Amplituden, die insbesondere im Frequenzbereich <2 kHz umgekehrt propor­tional von den jeweiligen Kurzschlussleistungen abhängen. Im Bereich oberhalb von 2 kHz ist durch den steigenden Einfluss der lokal angeschlossenen Geräte und Anlagen eine immer geringere Abhängigkeit der frequenzabhängigen Netz­impedanz von der Kurzschlussleistung zu beobachten. FNI-Messungen sind heute noch sehr aufwendig. Die richtige Interpretation benötigt hohe Kompetenzen. Es ist davon auszugehen, dass die FNI zur Beurteilung von ungünstigen Netzsituationen immer wichtiger wird.

An den Messkampagnen und Auswertungen haben auch Lukas Heiniger (BFH), Stefan Schori (BFH), Robert Stiegler (TUD), Lino Capponi (HES-SO) und Dominique Roggo (HES-SO) mitgearbeitet. Die Autoren danken den Partnern VSE, AIL, Repower, EWZ, ESB für die speditive Zusammenarbeit und die wertvolle Unterstützung.

Autor
Prof. Michael Höckel

ist Dozent für Energiesysteme an der BFH.

Autor
Jan Meyer

leitet die Arbeitsgruppe Power Quality an der Professur für Elektroenergieversorgung am Institut für elektrische Energieversorgung und Hochspannungstechnick (IEEH) an der Technischen Universität Dresden.

  • Technische Universität Dresden, Professur für Elektroenergieversorgung, D–01062 Dresden

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