Fachartikel Messtechnik

Mehrwert dank weiterer Spartenzähler

Smart Metering

24.10.2019

Smart-Meter-Rollouts bieten grosse Chancen, um Mehrwert zu generieren. Dabei hat die Einbindung von weiteren Spartenzählern ein grosses Potenzial, das sich insbesondere für Mess- und Energiedienstleister sowie Querverbunds-Unternehmen abzuholen lohnt. Ein Überblick über technische Lösungsvarianten und darüber, worauf bei deren Auswahl und Umsetzung zu achten ist.

Die Strukturen einer sicheren Energieversorgung in der Schweiz befinden sich im Wandel. Mit intelligenten Energienetzen kann dieser Paradigmenwechsel erreicht werden und auf dem Erfolgsmodell von Stabilität und Effizienz aufbauen. Die fortschreitende Digitalisierung in allen Sektoren ist abhängig von einer sicheren Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Wärme. Obwohl die Schweiz heute in den Basisinfrastrukturen der Telekommunikation international führend ist, nutzt der Energiesektor diesen Standortvorteil nur bedingt. Das wird sich in den nächsten Jahren schnell ändern. Neue Kommunikationstechnologien im Mobilfunk werden attraktive Preismodelle liefern, welche eine Automatisierung von Geschäftsprozessen einfacher und sicherer macht.

Der wirtschaftliche Nutzen durch den Einsatz «smarter» Technologien liegt insbesondere in der Automatisierung heutiger Betriebsprozesse. Mehrwerte durch verfügbare Informationen sind im Wasser- und Wärmebereich vor allem folgende:

  • Betriebskostenreduktion durch frühes Erkennen von Leckagen
  • Optimierung der Effizienz durch Analyse der Vor- und Rücklauftemperaturen in Wärmeverteilsystemen
  • Vermeidung von Verrechnungsausfall durch Interpolation sowie Manipulationserkennung
  • Transparenz über die Wassertemperaturen im Verteilsystem
  • Reduktion des Wasserverbrauchs durch transparente Darstellung der Verbrauchswerte
  • Zusatzwerte für Anschlussnehmer wie Überwachung der Hausinstallation über eine App
  • Bilanzierung der Wassernetze mittels intelligenten Ein- und Ausspeiseknoten

Eine Wasserversorgung liest die Verbrauchsdaten der Wasserzähler heute noch mehrheitlich manuell aus. In den letzten Jahren wurde der Zugang zur Messstelle immer anspruchsvoller, weil durch den Wandel der Gesellschaft viele Wohnungen und Gebäude tagsüber nicht zugänglich sind. Hinzu kommt, dass bereits seit einiger Zeit schwer zugängliche Messstellen, wie zum Beispiel Schächte, automatisiert ausgelesen werden.

Vermehrt nutzen Wasserversorgungen eine einfache mobile Auslesung mit einer Import-/Export-Schnittstelle in das Verrechnungssystem. Mit dieser Anwendung kann eine Gemeinde mit mehreren Hundert Messstellen in wenigen Stunden ausgelesen werden, wo man konventionell mit einer manuellen Auslesung bis zu zwei Wochen benötigt. Mit dem Ausbau von IoT-Netzwerken wie dem Lora-WAN und dem Roll­out von Smart Metern im Strombereich werden die Möglichkeiten zur Auslesung der Wasserzähler noch vielseitiger.

Anforderungen an Interoperabilität

Im Falle eines Smart-Meter-Rollouts von Elektrizitätszählern bei den EWs liegt es nahe, die Gas- und Wasserzähler im gleichen Zug dem Smart-Metering-System anzuschliessen. Die Betriebskosten zur Auslesung von Spartenzählern über ein Smart-Metering-System sind jedoch nicht zu unterschätzen, da in Bezug auf Lizenzkosten und Datensicherheit jährlich Kosten entstehen, welche pro Messpunkt anfallen.

Mit der Kombination von Stromzählern sowie Wasser-, Wärme- und Gaszählern entsteht ein System, bei welchem alle Komponenten miteinander interoperabel verbunden werden müssen. Diese Anforderungen betreffen einerseits den Betrieb, aber auch den Inbetriebnahme- und Zählerwechselprozess.

Für die Anbindung von Spartenzählern, welche über keine dedizierte externe Energieversorgung verfügen, sind die Anforderungen an die Kommunikationstechnologie bezüglich geringem Energiebedarf hoch. Um die Lebenszeit eines batteriebetriebenen Zählers möglichst hoch zu halten, werden infolgedessen entweder Wireless M-Bus oder bei eigenständigen Mobilfunk-Netzwerken Technologien mit geringem Energiebedarf an die Sensoren eingesetzt.

Die internationale Norm des M-Bus (EN 13757) definiert die Applikationsschicht. Dies jedoch so offen, dass nur durch Einhaltung dieser Norm noch keine Interoperabilität gewährleistet ist.

Die OMS-Gruppe (Open Metering System) spezifiziert und prüft die auf M-Bus basierende Protokollschicht mit dem Ziel, eine Norm zu schaffen, nach der die entsprechend entwickelten Zähler kompatibel und interoperabel zueinander sind. Die entwickelten Zähler werden dabei gemäss festgelegten Tests auf Einhaltung dieser Norm zertifiziert. Die neuste Version der OMS-Norm ist die frei verfügbare Version 4.

Bei der Auslesung über den Stromzähler ist darauf zu achten, dass die entsprechende M-Bus-Schnittstelle auch gemäss dieser OMS-Norm ausgeprägt ist. Die wichtigsten Stromzählerhersteller haben diesen Bedarf erkannt und spezifizieren analog zu OMS in der Idis-Association die Anforderungen an Stromzähler. Dabei sind die relevanten Zählerhersteller in diesem Verein tätig und zertifizieren ihre Zähler entsprechend diesen Anforderungen. Die nun aktuelle Version  3 der Idis-Spezifikation wurde mit der OMS-Gruppe und ihrer Spezifikationsversion  4 abgestimmt. Damit ist sichergestellt, dass sämtliche Betriebsprozesse zueinander kompatibel sind.

Neue Kommunikationsstandards

Für die Kommunikation über den Stromzähler bietet sich der nach OMS spezifizierte M-Bus an, welcher von den meisten Stromzählerherstellern sowie allen Idis-kompatiblen Zählern unterstützt wird. Wichtig ist dabei, dass der M-Bus nach OMS spezifiziert ist. Bei dieser Wahl bleiben die Optionen zur Wahl des Strom- sowie der Spartenzähler-Lieferanten offen.

Für eigenständige Netzwerke zur direkten Auslesung von batteriebetriebenen Zählern bieten sich bereits heute verfügbare Kommunikationsstandards an. Die IoT-Kommunikationstechnologien können mit teilweise geringem Energiebedarf genutzt werden und erlauben einen batteriebetriebenen Einsatz über mehrere Jahre. Die folgenden Technologien bieten sich für den Einsatz im Wasser-, Wärme und Gaszählerbereich an:

Narrowband IoT (NB‑IoT), auch bekannt unter dem Namen LTE Cat-M2 (Cat-M2) verbindet Geräte auf einfachere und effizientere Weise in bereits etablierten Mobilfunknetzwerken und verarbeitet bidirektional kleine Datenmengen (Systembandbreite von 200  kHz). Diese Technologie zeichnet sich durch hohe Verfügbarkeit und sichere Datenübertragung, gute Gebäudedurchdringung, ihre Eignung für Massen-Endgeräte sowie ihre Quality of Service aus.

LTE Cat-M1 (Cat-M1) wird oft als die zweite Generation von LTE bezeichnet, welche für IoT-Anwendungen entwickelt wurde. Durch die Begrenzung der maximalen Systembandbreite auf 1,4  MHz (im Gegensatz zu 20  MHz für Cat-0) zielt Cat-M1 vor allem auf LP-WAN-Anwendungen wie Smart Metering im Strom ab, bei denen nur eine geringe Datenübertragungsmenge erforderlich ist. Aber der wahre Vorteil von Cat-M1 gegenüber anderen Optionen ist, dass Cat-M1 mit dem bestehenden LTE-Netzwerk kompatibel ist. Diese Technologie ist auf 4G-Netzwerke skalierbar und ermöglicht auch Video-over-IP-Streaming. Ausserdem garantiert sie eine hohe Datenübertragungsrate und hohe Sicherheit.

Lora-WAN ist eine LP-WAN-Technologie für drahtlose batteriebetriebene Systeme in einem Netzwerk. Da diese Technologie unlizenzierte Frequenzbereiche und nicht verwaltete Netzwerke verwendet, fallen keine Lizenzen an. Dadurch ist die Investition in den Aufbau der eigenen Kommunikationsinfrastruktur gering. Diese Technologie zeichnet sich durch ihre schmale Bandbreite und entsprechend hohe Reichweite aus, und sie ist unabhängig vom Lebenszyklus der bekannten Mobilfunktechnologien. Die verwendeten Sensoren verfügen ausserdem über eine lange Batterielebensdauer.

Die Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen

Neue Kommunikationsstandards erhöhen die Anzahl Möglichkeiten, um Messgeräte und andere Sensoren im Versorgungsnetz zu automatisieren. Im Praxisleitfaden «Smart Energy@ICT» der asut wird ein Vorgehen zur Entscheidungsfindung beschrieben, wie im Sinne eines Top-down-Vorgehens von der Unternehmensstrategie und den Geschäftsmodellen abgeleitet die technischen und organisatorischen Anforderungen an ein Mess-, Steuer- und Regelsystem entwickelt werden.

Im einfachsten Fall entscheidet man sich für eine automatisierte Auslesung der Abrechnungsdaten. Hierzu ist eine mobile Auslesung, oder im Falle einer monatlichen Auslesung, eine der beschriebenen WAN-Technologien zu empfehlen, wobei Lora-WAN bereits heute im Einsatz ist. Mechanische Wasserzähler können dabei entweder über eine integrierte Datenschnittstelle oder über Kommunikationsmodule im Feld für solche Anwendungsfälle einfach nachgerüstet werden. Auch bietet sich der Einsatz einer Lösung mit mechanischen Zählern an, wenn man entweder eine Anbindung an ein Kommunikationsnetz vorbereiten möchte oder davon ausgeht, dass die Kommunikationstechnologie einen anderen Lebenszyklus als der Zähler hat.

Neue Generationen von Messgeräten können aber noch weitere Daten wie Wasser- und Umgebungstemperatur oder sogar Trübung messen. Damit erhält der Versorger Zugang zu einer Vielzahl an zusätzlichen Datenpunkten, deren Daten für Monitoring oder vorbeugende Instandhaltung durch Data Analytics in aussagekräftigen Cockpits aufbereitet werden können. Solche Analysen helfen dem Versorger, die Netzbewirtschaftung effizienter und effektiver zu betreiben. In solch einem Fall empfiehlt sich ein Smart-Metering-System mit der Möglichkeit einer Echtzeitauslesung der Zähler. Mit einem batteriebetriebenen Zähler kann die Messinfrastruktur bei einem Auslesezyklus von 24 Stunden oder sogar stündlich über mehrere Jahre betrieben werden. Bei permanenter Durchflussmessung empfiehlt sich jedoch eher eine verkabelte Anbindung an ein Leitsystem.

Prüfen, rechnen, entscheiden

Bei der Auswahl einer nächsten Generation des Messsystems sind eine Reihe von Kriterien zu prüfen und festzulegen. Mit der Definition der Anforderungen gilt es, auch eine Reihe von Auswahlen entsprechend der strategischen Ausrichtung vorzunehmen, und zwar punkto Betriebsführung (eigenes Netzwerk, Partnernetzwerk; Kooperation mit Elektrizitätswerk; Kooperation mit lokalem IoT-Netzwerkprovider {zum Beispiel Smart City Provider}), punkto Anwendungsbereich (Monats-, Quartals- oder Jahresrechnung; dynamische Tarife {zum Beispiel bei Wasserknappheit}); Lecküberwachung und Wasserqualität {zum Beispiel Temperaturüberwachung}) sowie punkto Betrieb der Kommunikationsinfrastruktur (eigenes Netzwerk; Kommunikationsnetzbetrieb {Wartung, Betrieb, Störungsdienst}; Datenschutz, Datensicherheit; System­integration sowie Monitoring).

Diese Elemente formen die Strategie, welche eine zukunftssichere Wahl der Kommunikationstechnologie ermöglicht. Die etablierten Schweizer Messgerätehersteller und Systemintegratoren sind dabei mit allen Ausprägungen konfrontiert und haben zusammen mit ihren Kunden und Partnern schon viele Anwendungsfälle in der Praxis umgesetzt.

Um eine problemfreie Systemintegration von Wasserzählern und Stromzählern zu gewährleisten, ist auf die Verwendung von Wireless M-Bus EN  13757-4 nach OMS für Wasser-, Gas- und Wärmezähler und Idis-Elek­trizitätszähler zu achten. Weiter sind die Schweizer Hersteller bemüht, durch Tests mit den schweizweit gängigsten Zählertypen Interoperabilität zu gewährleisten und so einen problemfreien Rollout zu ermöglichen.

Autor
Urs Imholz

ist Geschäftsführer der GWF Schweiz der GWF Messsysteme AG.

  • GWF Messsysteme AG, 6002 Luzern
Autor
Christian Meier

ist Geschäftsleiter der Aquametro AG und der Aquametro Messtechnik GmbH.

  • Aquametro AG, 4106 Therwil

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