Maximalimmission von 5G-Stationen erfassen
Sicherheit von 5G Massive-MIMO-Basisstationen
Mit der Mobilfunkgeneration 5G wurde hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Flexibilität der Mobilfunknetze durch den Einsatz von Massive-MIMO-Antennen eine neue Stufe erreicht. Die Nutzung dieser Antennen erhöht allerdings die Komplexität der Immissionsbestimmung einer Anlage bei höchster betrieblicher Auslastung.
Um dem steigenden Bedarf an höheren Datenübertragungsraten und -mengen gerecht zu werden, erweitern Mobilfunknetzbetreiber und Systemtechnikhersteller ihre Netze mit fortschrittlichen Technologien. Die Standardisierung von 5G New Radio (NR) markiert eine neue Ära für die Leistungsfähigkeit und Flexibilität der Mobilfunknetze. Zu den Verbesserungen gehören höhere Datenübertragungskapazitäten durch zusätzliche Frequenzressourcen sowie niedrige Latenzen durch eine optimierte Netzwerkarchitektur. Das Gremium 3GPP (3rd Generation Partnership Project), das für die Standardisierung im Mobilfunk verantwortlich ist, hat drei typische Use Cases für 5G definiert: «massive Machine Type Communications» (mMTC) und «Ultra-Reliable and Low Latency Communications» (URLLC) für Bereiche wie das Internet der Dinge (IoT), Industrie 4.0 und autonomes Fahren, sowie «enhanced Mobile Broadband» (eMBB), das vor allem für den konventionellen Nutzer relevant ist. Bei eMBB liegt der Fokus auf der Bereitstellung höchster Datenraten bis an den Rand der Mobilfunkzelle. Um die begrenzten Frequenzressourcen effizienter zu nutzen, wird bei 5G im Bereich von 3,4 GHz bis 3,8 GHz zusätzlich Beamforming durch sogenannte Massive-MIMO-Antennen eingesetzt. Dadurch können Basisstationsantennen Signale gezielt in bestimmte Richtungen der Zelle abstrahlen, in denen sich aktive Nutzer befinden. Diese dynamische Anpassung an sich ändernde Übertragungsbedingungen ermöglicht niedrige Latenzen und eine effiziente Ressourcennutzung.
In Deutschland wird 5G derzeit in den Frequenzbändern bei 700 MHz, 1,8 GHz und 2 GHz (ehemals für UMTS [3G] verwendet) sowie im Frequenzbereich zwischen 3,4 GHz und 3,7 GHz betrieben. Massive-MIMO wird aufgrund der kürzeren Wellenlängen vorwiegend um 3,55 GHz eingesetzt. Wie bei den Vorgängertechnologien werden in den anderen Frequenzbändern passive Antennen benutzt. Das 2-GHz-Band wird derzeit parallel für 4G und 5G genutzt. Unter dem Begriff Dynamic Shared Spectrum (DSS) wird die verfügbare Bandbreite zwischen 4G und 5G dynamisch aufgeteilt. DSS ist flächendeckend am besten ausgebaut, da bestehende Anlagen verwendet werden können.
Neben dem Band unter 6 GHz (auch Frequency Range 1, FR1, genannt) definiert die 3GPP auch FR2 von 24,25 bis 52,60 GHz (sogenannte mm-Wellen). In FR2 sind Kanalbandbreiten zwischen 50 MHz und 400 MHz möglich, während in FR1 nur 5 MHz – 100 MHz möglich sind. Aktuell wird in Deutschland jedoch noch kein FR2 ausgebaut.
Was sind Beamforming-Antennen?
Beamforming-Antennen, auch bekannt als Massive-MIMO, bestehen aus horizontal und vertikal angeordneten Einzelantennen. Dadurch wird das Abstrahlverhalten stark gebündelt. Im Gegensatz zur häufigen Annahme entspricht die Abstrahlung nicht einem dünnen Strahl, sondern einem Kegel mit einem bestimmten Öffnungswinkel. Die Schnittfläche des Kegels mit dem Boden ergibt den versorgten Bereich. Dieser fällt umso grösser aus, je weiter der Zielpunkt von der Antenne entfernt ist. Diese abgestrahlten Kegel werden im Folgenden als «Beams» bezeichnet. Massive-MIMO-Antennen sind technisch erst bei höheren Frequenzen bzw. kürzeren Wellenlängen sinnvoll einzusetzen, da die Antennengrösse von der Frequenz abhängt. Das Schwenken des Beams erfolgt durch geschickte Speisung der Einzelantennen mit demselben, zeitlich leicht versetzten Signal. Dadurch entsteht ein Laufzeitunterschied zwischen den abgestrahlten Signalen. Dies führt zu einer Überlagerung der Leistung in die gewünschte Richtung und reduziert die Leistung in andere Richtungen. Die Abstrahlrichtung des Beams kann sowohl horizontal als auch vertikal verändert werden.
Abschätzung der maximal möglichen Immission
Nach Inbetriebnahme einer Basisstation müssen in Deutschland in allen öffentlich zugänglichen Bereichen die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) eingehalten werden. Dabei dürfen die erzeugten Immissionen gemittelt über einen beliebigen Zeitraum der Dauer sechs Minuten bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung die Grenzwerte nicht überschreiten.
Die Maximalimmission, der ungünstigste Fall aus Immissionsschutzsicht, tritt bei den bisherigen Mobilfunkgenerationen 2G, 3G und 4G auf, wenn alle zur Verfügung stehenden Ressourcen mit maximaler Sendeleistung abgestrahlt werden. Da bei 5G im Gegensatz zu den bisherigen Mobilfunkgenerationen nun Massive-MIMO-Antennen eingesetzt werden und damit die Möglichkeit zur Ausbildung und Schwenkung eines oder mehrerer Beams hinzukommt, muss für die Abschätzung einer Maximalimmission der Fall betrachtet werden, wenn ein einzelner Beam mit maximaler Sendeleistung auf einen Ort einwirkt und den Messpunkt über einen Line-of-Sight (LOS) Pfad erreicht. Dieser Betriebszustand ist in der Praxis unwahrscheinlich, da er erfordert, dass ein einzelnes 5G-Endgerät über sechs Minuten mit Datenraten von bis zu einigen Gbit/s einen Download durchführt und während dieser Zeit kein anderes 5G-Endgerät in der Zelle aktiv ist. Gemäss der 26. BImSchV muss dieser Fall jedoch für einen sicheren Betrieb berücksichtigt werden.
Eine messtechnische Überprüfung der Einhaltung der Grenzwerte erfolgt normalerweise während des regulären Betriebs der Mobilfunknetze. Es ist schwierig, den Zustand höchster betrieblicher Anlagenauslastung zu generieren, da in der Mobilfunkzelle normalerweise auch andere aktive Endgeräte die zur Verfügung stehenden Ressourcen beanspruchen. Eine Anlage kann üblicherweise nicht künstlich (ohne das Eingreifen des Netzbetreibers) in den Zustand maximaler Anlagenauslastung versetzt werden. Zur Bestimmung der Maximalimmission wird unabhängig von der Mobilfunkgeneration folgendes Vorgehen verfolgt:
Zunächst wird die Immission eines mit konstanter Leistung abgestrahlten Signalisierungssignals gemessen. Diese Signale dienen unter anderem dazu, dass Endgeräte die Mobilfunkzelle als solche erkennen und den Prozess zum Einbuchen starten können. Für 5G eignet sich der sogenannte SS/PBCH-Block (Synchronization Signal and Physical Broadcast Channel Block/SSB), da er unabhängig von der aktuellen Verkehrsauslastung in der Mobilfunkzelle periodisch (üblicherweise alle 20 ms) und mit konstanter Sendeleistung abgestrahlt wird. Ausserdem kann er über einen oder mehrere Broadcast-Beams (max. acht Beams) abgestrahlt werden, die sequenziell in verschiedene Raumbereiche der Zelle gesendet werden. Die Erfassung des SSBs erfolgt entweder frequenz- oder codeselektiv mit einem portablen Spektrumanalysator.
Die unterschiedlichen Erfassungsweisen haben jeweils Vor- und Nachteile. Bei der frequenzselektiven Erfassung wird eine spektrale Messung im SSB-Spektrum durchgeführt, wobei dieser durch den eigentlichen Datenverkehr (Traffic/Physical Data Shared Channel, PDSCH) oder durch den SSB einer Nachbarzelle überlagert werden kann. Dem steht die codeselektive Erfassung gegenüber. Hierbei wird das Secondary Synchronization Signal (SSS) dekodiert und erfasst. Es ist möglich, zwischen verschiedenen Zellen und den Immissionen der unterschiedlichen Broadcast-Beams zu unterscheiden. Auch ist der Wert unabhängig von der aktuellen Verkehrslast. Ein Nachteil besteht darin, dass diese Messungen nicht mit einem herkömmlichen Spektrumanalysator durchführbar sind.
Basierend auf der Immission des Signalisierungssignals wird eine Extrapolation auf die Maximalimmission durchgeführt. Der SSB belegt lediglich einen Teil der verfügbaren Frequenzressourcen. Die Extrapolation berücksichtigt daher die spektralen Unterschiede zwischen den gesamten durch den eigentlichen Datenverkehr belegbaren Frequenzressourcen und den durch den SSB belegten Frequenzen. Bei der Messung von 5G in einem niedrigeren Frequenzband, also bei einer passiven Antenne, ist damit die maximal mögliche Immission bereits bestimmt. Bei 5G-Massive-MIMO-Anlagen muss zusätzlich das Beamforming berücksichtigt werden.
Da die 26. BImSchV fordert, dass Messungen der Immission am Ort mit der höchsten Immission durchgeführt werden, muss bei der Messung auch das räumliche Maximum bestimmt werden. Dies kann mithilfe der Schwenkmethode erreicht werden, bei der die Messantenne durch ein Volumen bewegt wird und das auftretende Maximum mit dem Messgerät erfasst wird. Basierend auf der maximalen räumlichen Immission des Signalisierungssignals wird im Anschluss eine Hochrechnung auf die höchste betriebliche Anlagenauslastung durchgeführt. Die Durchführung einer solchen Messung ist im Einstiegsbild dargestellt. Hierbei wird ein tragbarer Spektrumanalysator (hier: SRM-3006 von Narda Safety Test Solutions) mit isotroper Messsonde verwendet.
Höhere Komplexität der Immissionsbestimmung
In den vorherigen Mobilfunkgenerationen 2G, 3G und 4G sowie bei 5G in den niedrigeren Frequenzbändern werden das Signalisierungssignal und der eigentliche Verkehr mit demselben Abstrahlverhalten der Antenne ausgesendet. Wenn jedoch Massive-MIMO-Antennen verwendet werden, erfolgt die Abstrahlung von Signalisierung und Verkehr in Form von Broadcast-Beams (SSB) und Traffic-Beams über unterschiedliche Richtcharakteristika. Im Frequenzband um 3,55 GHz können bis zu acht SSB-Beams sequenziell in unterschiedliche Richtungen in der Zelle abgestrahlt werden, wie oben beschrieben. Im Gegensatz dazu können die Traffic-Beams mit einer deutlich feineren Winkelauflösung ausgerichtet werden. Daraus ergibt sich eine Einhüllende, die glatter ist als bei den Broadcast-Beams und einen grösseren Winkelbereich umfasst. Bild 1 veranschaulicht die unterschiedlichen Richtcharakteristika des Broadcast- und Traffic-Beams.
Das unterschiedliche Abstrahlverhalten von Broadcast- und Traffic-Beams hat weitreichende Folgen für die Bestimmung der Maximalimmission bei Massive-MIMO-Antennen. Hier muss nun zusätzlich der Gewinnunterschied zwischen Traffic- und SSB-Beams berücksichtigt werden. Da dieser Unterschied aufgrund der verschiedenen Ausrichtungsmöglichkeiten der Beams stark davon abhängt, in welchem Winkel der Immissionsort zur Basisstationsantenne liegt, muss dieser für jeden Messpunkt individuell bestimmt werden. Die prinzipielle Berechnung des messpunktabhängigen Gewinnunterschieds ist in Bild 2 dargestellt.
Neben der frequenz- oder codeselektiven Erfassung der SSB-Immission, der spektralen Hochrechnung dieser Immission auf die gesamte Bandbreite und des messpunktabhängigen Gewinnunterschieds ist ein weiterer zu berücksichtigender Faktor der Downlink Duty Cycle bei der Nutzung von TDD (Time Division Duplex), welches im Band um 3,55 GHz vorgeschrieben ist. Das bedeutet, dass bei 5G um 3,55 GHz der Down- und Uplink nicht wie bei früheren Mobilfunkgenerationen auf unterschiedlichen Frequenzen stattfinden, sondern auf derselben Frequenz in unterschiedlichen Zeitschlitzen durch periodisches Umschalten getrennt gesendet werden. Theoretisch können die Anteile von Uplink und Downlink von Slot zu Slot flexibel angepasst werden. In der Praxis ist der Anteil der Belegung von Uplink und Downlink fix. Da bei der Immissionserfassung an Mobilfunkbasisstationen nur der Downlink betrachtet wird, müssen diese Uplink-Lücken adäquat durch einen Faktor berücksichtigt werden.
Validierung des Mess- und Hochrechnungsverfahrens
Dieses Verfahren wurde im Rahmen eines gemeinsamen Projekts des Instituts für Hochfrequenztechnik der RWTH Aachen mit der TU Ilmenau und dem EM-Institut für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entwickelt und validiert. Bei der Validierung wurde zunächst messtechnisch eine Referenz für die Maximalimmission ermittelt. Dafür wurde die Ausrichtung eines Traffic-Beams auf den Messpunkt durch ein aktives 5G-fähiges Endgerät provoziert, welches mittels eines FTP-Downloads diesen Worst-Case aus Immissionssicht generierte. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Übereinstimmung zwischen der Hochrechnung und dem Referenzwert. Es zeigt sich jedoch auch, dass der Aufwand für die Erfassung der Maximalimmission deutlich höher ist als bei den Vorgängermobilfunktechnologien, da beispielsweise die Antennendiagramme vorliegen müssen. Als Alternative bietet sich aktuell die direkte Bestimmung der Maximalimmission bei provozierter Vollauslastung durch ein 5G-fähiges Endgerät an, da hier keine Anlagendaten benötigt werden. Allerdings greift dieses Verfahren stark in den Wirkbetrieb der Basisstation ein und es ist unklar, ob das Messverfahren bei höheren Netzauslastungen weiterhin verlässlich funktionieren wird.
5G in der Schweiz
Frequenzen und Grenzwerte
Da die Konzessionen technologieneutral sind, können die Betreiber von Basisstationen ihre Standorte beliebig konfigurieren. Sie nutzen aktuell gemäss dem Bundesamt für Kommunikation die Bänder 700 bis 900 MHz, 1400 MHz, 1800 MHz, 2100 MHz, 2600 MHz und 3,5 bis 3,8 GHz, wobei adaptive Antennen im Bereich von 3,5 bis 3,8 GHz eingesetzt werden.
In der Schweiz wird der Schutz der Bevölkerung vor der Strahlung von Mobilfunkantennen gemäss dem Bundesamt für Umwelt durch das Umweltschutzgesetz (USG) und die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) geregelt. In der NISV sind für Mobilfunkstrahlung zwei Arten von Grenzwerten festgelegt: die Immissions- und die Anlagegrenzwerte.
Zum Schutz vor thermischen Effekten auf den Menschen müssen sämtliche Mobilfunkanlagen sogenannte Immissionsgrenzwerte (IGW) einhalten. Die IGW der NISV sind die gleichen Grenzwerte, wie sie auch im umliegenden Ausland mehrheitlich angewendet werden. Im Bereich der Mobilfunkfrequenzen liegen die IGW zwischen 41 bis 61 V/m. Sie müssen überall eingehalten werden, wo sich Menschen aufhalten können, und schützen vor den wissenschaftlich gesicherten Gesundheitsauswirkungen.
Weil aus der Forschung unterschiedlich gut abgestützte Beobachtungen vorliegen, wonach es auch noch andere als die thermischen Effekte gibt, legt die NISV zusätzlich Vorsorgewerte fest. Diese sogenannten Anlagegrenzwerte (AGW) sind für Mobilfunkstrahlung rund zehnmal tiefer als die Immissionsgrenzwerte und betragen 4 bis 6 V/m. Sie müssen nicht überall, sondern nur an Orten mit empfindlicher Nutzung (Wohnungen, Schulen, Kindergärten, Spitäler usw.) eingehalten werden.
Kommentare