Massnahmen gegen PV-Blendung
Reflexionsarme Solaranlagen
Fast alle PV-Anlagen werden heute «reflexionsarm nach dem Stand der Technik» gebaut. Manchmal können jedoch auch solche Anlagen blenden, besonders wenn sie auf Norddächern installiert sind. Seit einigen Jahren gibt es PV-Module, die nicht oder weniger blenden sowie seit gut einem Jahr Folien für die Blendsanierung im Nachhinein. Eine Übersicht.
Die zur Beurteilung einer Blendung relevante Grösse ist die Leuchtdichte in Candela pro Quadratmeter (cd/m²). Die Leuchtdichte gibt an, wie hell eine Oberfläche aus einem bestimmten Beobachtungspunkt erscheint. Die Spannweite der Leuchtdichten ist gross: Die Sehschwelle liegt im Bereich von 10-6 cd/m², die Sonnenscheibe hat eine Helligkeit von 1,6 • 109 cd/m². Eine weisse, von der Sonne angestrahlte Wand liegt bei 30’000 cd/m² [1].
Wann tritt eine Blendung auf?
Blendungen treten dann auf, wenn ein PV-Modul die Sonnenstrahlen wie ein Spiegel nach dem Gesetz Einfallswinkel = Ausfallswinkel auf einen Beobachtungspunkt wirft. Um dies zu berechnen, müssen die Position der Sonne, die Ausrichtung und Neigung der PV-Anlage sowie die Standorte von PV-Anlage und Beobachtungspunkt bekannt sein. Auf www.blendtool.ch betreibt Meteotest ein im Auftrag vom Kanton Bern, dem Bundesamt für Energie und Swissolar erstelltes Online-Tool zur Berechnung dieser geometrischen Blendung.
Je besser die PV-Module zur Sonne (also nach Süden) ausgerichtet sind, desto unwahrscheinlicher ist eine Blendung. Meist sind es deshalb Norddächer, die störende Blendungen verursachen. Aber auch wenn Anwohnende von oben auf ein Dach schauen können, insbesondere an einem Südhang, besteht ein Risiko für Blendungen. Mit dem benutzerfreundlichen Tool blendtool.ch ist es heute möglich, bereits vor dem Bau einer Anlage zu prüfen, ob eine Blendung der Nachbarschaft auftreten könnte. Wenige Minuten Blendung kurz vor Sonnenuntergang sind dabei kaum als kritisch einzustufen – mehrere Stunden Blendung um die Mittagszeit im Sommer hingegen schon.
Bündelaufweitung
Die extrem helle Oberfläche der Sonne führt dazu, dass praktisch jede ausreichend glatte Oberfläche blendet. Selbst wenn nur 1% des Sonnenlichts parallel reflektiert würde, liegt die Leuchtdichte immer noch im zweistelligen Millionenbereich. Wirklich reduzieren lässt sich die Leuchtdichte deshalb nur, wenn das Licht an der Oberfläche gestreut wird. Diese Streuung wird Bündelaufweitung genannt und ist in praktisch jedem Solarglas vorhanden. Dies zeigt sich an der leicht elliptischen Form des Reflexionsflecks, wie er typischerweise zu beobachten ist.
Die Grösse dieses elliptischen Blendpunktes ist winkelabhängig: Bei senkrechter Betrachtung (Einfallswinkel = Ausfallswinkel = 0°) ist es bei einem typischen, exemplarischen PV-Modul ein kreisförmiger Kegel mit etwa 5° Öffnungswinkel. Je flacher die Oberfläche betrachtet wird, desto mehr zieht sich die Ellipse in die Länge. Bei einem sehr flachen Ausfallswinkel von ca. 80° zeigt sich eine längliche, schmale Ellipse mit einer Hauptachse von rund 10° und einer Nebenachse von etwa 3° [2].
Die Blendung ist winkelabhängig
Nicht nur die Form, sondern auch die Leuchtdichte des Blendflecks ist winkelabhängig. Diese Winkelabhängigkeit bringt in der Praxis einige Herausforderungen mit sich. Insbesondere die Frage, ob ein PV-Modul «ausreichend blendarm» ist, lässt sich nur im Kontext der Einbausituation bzw. des Betrachtungswinkels zwischen PV-Modul und Beobachtungspunkt (also dem «Ausfallswinkel») beantworten. Während ein Standard-PV-Modul bei allen Betrachtungswinkeln Leuchtdichten nahe dem Millionenbereich oder darüber aufweist, sind Deflect-Gläser bei steilen Winkeln (< 45°) eindeutig blendarm, bei flachen Winkeln (> 60°) hingegen nicht. Satinierte Gläser oder gute Folien können hingegen bei allen Betrachtungswinkeln blendarm sein. Gerade bei Folien ist jedoch Vorsicht geboten, da es noch keine Langzeiterfahrungen gibt. Die Hersteller geben derzeit Garantien von 10 bis 15 Jahren auf die Anti-Blend-Eigenschaften.
Bei blendarmen Oberflächen, wie beispielsweise bei satiniertem Glas, zeigt sich zudem ein weiteres Phänomen: Das optische Gesetz «Einfallswinkel = Ausfallswinkel» gilt für die Modulfläche nicht mehr. Bei gegebenem Lichteinfall befindet sich die hellste Stelle des Moduls nicht an der Stelle, an der die Blendung bei einem Spiegel auftreten würde, sondern bei einem flacheren Ausfallswinkel. Dies kann zur paradoxen Situation führen, dass satiniertes Glas an bestimmten Beobachtungspunkten störend hell erscheint, während ein Standard-Solarglas nicht blendet. Die Intensität dieser neuen Art der Blendung ist jedoch viel geringer als bei einem Standard-Solarmodul, und sie tritt nur bei einem flachen Beobachtungswinkel auf.
Winkelabhängiger Grenzwert
Je flacher das Spiegelbild der Sonne in einer Oberfläche betrachtet wird, desto heller wird die Oberfläche. Das gilt für praktisch alle Baumaterialien. Eindrücklich ist es, einen Tonziegel flach ins Sonnenlicht zu halten und eine Spiegelung zu suchen: Der Tonziegel beginnt zu blenden. Trotzdem würde niemand ein Blendgutachten für Tonziegel verlangen.
Diesen Umstand hat sich ein Projektteam aus Swissolar, Basler & Hofmann und den Fachhochschulen OST und BFH im Auftrag des Bundesamts für Energie zu Nutzen gemacht und eine Definition für blendarme Oberflächen entworfen [3]. Für die Herleitung der Definition hat die OST diverse Oberflächen hinsichtlich deren Leuchtdichten vermessen. Die Definition besagt, dass eine Oberfläche, deren Leuchtdichte tiefer ist als die Leuchtdichte von Referenzmaterialien wie Verputz, Tonziegel, Holz oder Beton, als blendarm betrachtet werden kann.
Entsprechend muss diese Definition winkelabhängig sein. Je flacher eine Oberfläche betrachtet wird, desto höher ist die akzeptierte Leuchtdichte. Auch das wird von der Realität widerspiegelt: Je flacher eine Oberfläche betrachtet wird, desto stärker geht der Blick Richtung Sonne. Bei einem Betrachtungswinkel von 80° blickt man schon beinahe gerade in die Sonne. Entsprechend stark schützt man das Auge vor der Blendung der Sonne, und entsprechend hoch ist die Toleranz für helle Oberflächen im Sichtfeld in unmittelbarer Nähe der Sonne. Der entsprechende Grenzwert wird in Bild 1 gezeigt.

Doppelblendung
Betrachtet man dieses Phänomen im Grenzfall, so blickt man direkt in die Sonne. Man spricht dann auch von «Doppelblendung» oder engl. «Sun Masking», weil die Blendung der Oberfläche von der Sonnenblendung überstrahlt wird. Sowohl der Leitfaden zum Melde- und Bewilligungsverfahren für Solaranlagen [4] wie auch blendtool.ch sprechen bei einem Betrachtungswinkel von 80°, das heisst einer Winkeldifferenz zwischen Sonnenstrahl und Reflexionsstrahl von 2 x 10° = 20° von einer Doppelblendung (Bild 2). Doppelblendungen sind bei Blendgutachten entsprechend nicht zu berücksichtigen.

Es blendet: Wie weiter?
Ist eine Anlage erst einmal gebaut und blendet, so gab es bis vor kurzem kaum befriedigende Lösungen. Einen Baum zu pflanzen, das Sichtfeld einzuschränken oder die Anlage wieder abzubauen macht die Beteiligten selten glücklich. Seit ein paar Jahren gibt es mit satinierten Gläsern Produkte, die zuverlässig nicht blenden. Aufgrund des ökologisch kritisch zu betrachtenden Einsatzes von Flusssäure zur Herstellung dieser Gläser und der höheren Kosten sollten solche Gläser jedoch nur zum Einsatz kommen, wenn es keine andere Lösung gibt. Zudem können bei Standardmodulen nur selten dieselben Module mit satinierten Gläsern gekauft werden. Die Blendsanierung einer PV-Anlage mit Indachmodulen mit satinierten Gläsern wurde in [1] vorgestellt.
Seit gut einem Jahr werden Folien angeboten, die nachträglich auf PV-Module aufgeklebt werden können. Im Rahmen eines vom Kanton Zürich (Awel) unterstützten Pilotprojekts werden diese Folien auf einem Norddach eines Gebäudes an einer Südhanglage am nördlichen Zürichseeufer getestet (Einstiegsbild, Bild 3).

Die Ergebnisse sind vielversprechend: Die Leuchtdichte des Blendflecks der Standard-Module wird mit den Folien um über Faktor 100 auf 15’000 cd/m² bis 40’000 cd/m² reduziert. Für die Deflect-Module ist der Betrachtungswinkel jedoch zu flach: Mit rund 200’000 cd/m² sind sie bereits störend hell (Bild 4). Noch sind die Folien jedoch recht teuer und aufwendig zum Aufbringen. Im Idealfall werden sie nicht auf der Baustelle, sondern in einer entsprechend eingerichteten Werkstatt aufgebracht.

Praktische Hinweise im Umgang mit Folien
Obwohl die Folien eine Chance zur Lösung des Blendproblems bei kritischen PV-Anlagen sind, verbergen sich dahinter gewisse Herausforderungen:
- Für das Aufbringen der Folien müssen Modul und Arbeitsumgebung sehr sauber sein.
- Damit sich keine Luftblasen zwischen Modul und Folie bilden, werden Modul und Folie vor dem Aufbringen mit viel Seifenwasser benetzt. Hat die Folie einmal direkten Kontakt zum Glas, so lässt sie sich nicht mehr zerstörungsfrei verschieben oder entfernen.
- Das Aufbringen vor Ort ist möglich, aber herausfordernd. Deutlich einfacher kann die Folie in einer geschützten Umgebung aufgezogen werden.
- Die Folie lässt sich nur bei glattem Glas aufbringen. Typisches leicht modelliertes Standard-Solarglas funktioniert gut. Auf Gläsern mit einer deutlichen Oberflächenstruktur haften Folien nicht oder nicht gut.
- Hersteller und Lieferanten bieten meist einen Service zum Aufbringen der Folien mit an.
- Folien führen zu einem geringen Ertragsverlust. Am PV-Labor der BFH wurden Transmissionsverluste im Bereich von 1% bis 5% gemessen, je nach Glastyp des PV-Moduls.
Werden diese Ratschläge befolgt, können die Folien einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Blendthematik bei PV-Anlagen auf Norddächern zu entschärfen.
Fazit
PV-Anlagen wurden viele Jahre lang nur auf Süddächern installiert. Die Blendung an PV-Modulen war deshalb selten ein Thema. Günstige PV-Module und der hohe Bedarf an Solarstrom führen aber nun dazu, dass sogar Norddächer mit PV-Modulen bestückt werden. Damit rücken unerwünschte Blendwirkungen stärker in den Fokus. Norddächer sollten deshalb vor dem Bau einer Anlage beispielsweise mit dem blendtool.ch hinsichtlich ihres Blendpotenzials untersucht werden. Nebst blendarmen Modulen gibt es heute Folien, die nachträglich zur Reduktion der Blendung auf die Module geklebt werden können.
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