Marketing mit mehr Mitteln
Branchenstudie
Gemäss einer Befragung der Fachhochschule St.Gallen gehen Deutschschweizer Energieversorgungsunternehmen davon aus, dass in Zukunft mehr personelle und finanzielle Ressourcen in die Bereiche Marketing und Kommunikation investiert werden müssen.
Das Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft der FHS St.Gallen führte im Frühjahr 2019 im Auftrag der St.Galler Stadtwerke eine Befragung bei Deutschschweizer Energieversorgungsunternehmen durch. Im Rahmen dieser Erhebung wurden die aktuellen und zukünftigen Marketingaktivitäten der EVUs untersucht und im Sinne eines Benchmarks aufbereitet. Die Studienergebnisse der insgesamt 64 Teilnehmenden liefern spannende Erkenntnisse zur aktuellen Situation sowie zu möglichen Trends und Entwicklungen.
Steigende Budgets für Marketing und Kommunikation
Aktuell verfügen 58% der Teilnehmenden über eine eigene Abteilung für Marketing und Kommunikation. 54% der Befragten erwarten in den nächsten drei Jahren eine Zunahme ihrer Budgets für Marketing-/Kommunikationsmassnahmen. Die restlichen Energieversorgungsunternehmen rechnen grossmehrheitlich mit einem etwa gleichbleibenden Budget. Ein sinkendes Budget steht praktisch nicht zur Diskussion. Erweitert man den Zeithorizont auf sechs Jahre, so sprechen die Zahlen eine noch deutlichere Sprache (Bild unten): Zwei Drittel der Befragten erwarten in diesem Zeitraum ein steigendes Budget für Marketing und Kommunikation. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass die Branche hinsichtlich der möglichen Umstrukturierungen im Schweizer Energiemarkt mit entsprechenden Marketingmassnahmen reagieren wird.
Auswirkungen einer Liberalisierung
Dass eine allfällige Liberalisierung des Schweizer Energiemarktes Auswirkungen auf das Marketing hat, darüber sind sich die Befragten einig. Sie sind der Meinung, dass aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs Marketing und Kommunikation deutlich an Wichtigkeit gewinnen werden. Den Studienergebnissen ist zu entnehmen, dass der Ausbau der Marketingaktivitäten zu einer Zunahme der Visibilität und Präsenz von EVUs führen wird. Bei diesen zusätzlichen Massnahmen wird vor allem die Vielseitigkeit von zentraler Bedeutung sein. Die intensivierten Marketingmassnahmen müssen möglichst effizient und ohne Streuverluste platziert werden. Im Anschluss sollte zudem vermehrt eine kontinuierliche Überprüfung der Massnahmen stattfinden.
Kleine Budgets im Verhältnis zum Gesamtumsatz
Laut Berechnungen der Studienverfasser liegt der durchschnittliche Prozentsatz des Marketing-/Kommunikationsbudgets im Verhältnis zum Gesamtumsatz bei 0,68%. Dieser Wert scheint mit Blick über die Landesgrenze hinaus (noch) eher tief zu sein. Eine Studienerhebung des in Köln ansässigen Centers für kommunale Energiewirtschaft aus dem Jahr 2014 zeigt, dass die Budgets für Marketing und Kommunikation bei deutschen EVUs in Relation zum Gesamtumsatz deutlich höher sind. Bei der Hälfte der Befragten liegt das Marketingbudget im Verhältnis zum Gesamtumsatz bei 2%, bei der anderen Hälfte beträgt dieser Wert sogar 4%. Wichtig ist hierbei im Vergleich zum Schweizer Markt zu erwähnen, dass die Energiekunden in Deutschland seit 1998 über eine freie Wahl des Stromanbieters verfügen.
Sponsoring als beliebter Marketingkanal
Eine eigene Website sowie Broschüren und Flyer werden als Marketingkanal von nahezu allen befragten Energieversorgungsunternehmen genutzt. Auf der anderen Seite verwenden die Befragten Stand heute praktisch kein Affiliate und Mobile Marketing. Stark genutzt werden hingegen Sponsoring-Aktivitäten. 84% der Befragten gaben an, dass Sie Sponsoring als Marketingkanal nutzen. Gemäss den Studienresultaten sind dabei 74% der Sponsoringausgaben reine Geldleistungen. Die kostenlosen (18%) oder vergünstigten (6%) Sachleistungen machen hingegen einen kleineren Teil aus. Die Höhe des Sponsoringbudgets macht rund 34% des gesamten Marketing- und Kommunikationsbudgets aus. Das heisst, dass jeder dritte Franken für Sponsoring ausgegeben wird. Dieser Prozentsatz symbolisiert den hohen Stellenwert des Sponsorings in der Energiebranche.
Ausbaufähiges Controlling
Marketingaktivitäten werden sowohl mit strategischen, operativen als auch finanziellen Instrumenten überprüft. Bei der Nutzung von Marketing-Controlling-Instrumenten ist den Studienergebnissen zu entnehmen, dass Energieversorgungsunternehmen bei diversen Instrumenten über Ausbaupotenzial verfügen. Bei den operativen Instrumenten erstaunt, dass von einem Viertel der Befragten keine Analyse der Werbemassnahmen durchgeführt wird. Preisanalysen finden hingegen bei 65% einmal pro Jahr oder häufiger statt. Zudem führt gut ein Drittel der Befragten einmal im Monat eine Verkaufserfolgsanalyse durch. Auf der strategischen Ebene fällt auf, dass das Gros der untersuchten EVUs Kundenzufriedenheitsmessungen oder Analysen des Markenimages beziehungsweise der Markenstärke nicht einmal jährlich durchführt.
Wird der Energiemarkt in Zukunft wie geplant liberalisiert, kommen grosse Herausforderungen im Bereich Marketing/Kommunikation auf die Schweizer EVUs zu. Sie werden gezwungen sein, ihr Budget anzupassen respektive zu erhöhen. Die Marketing- und Kommunikationsmassnahmen müssen angesichts des zunehmenden Profilierungsdrucks noch zielgerichteter, strukturierter und mit fortlaufender Überprüfung platziert werden. Nur so kann eine erfolgreiche Positionierung im Markt sichergestellt werden.
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