«Man muss zu den Menschen rausgehen»
Berufsbildung Netzelektriker
Nach fast 26 Jahren beim VSE geht Toni Biser Ende Juli in Pension. In all den Jahren hat er viele Veränderungen und neue Entwicklungen erlebt und mitgemacht. Eines hat sich für Toni Biser aber auch nach über einem Vierteljahrhundert beim VSE nicht geändert: «Das Wichtigste ist der direkte Kontakt zu den Menschen.» Ein Blick zurück – und einer voraus.
Angefangen hatte alles 1994. Der gelernte Autoingenieur arbeitete damals als Planer für Photovoltaikanlagen, war aber auf der Suche nach einer neuen Betätigung. Dann entdeckte er die Ausschreibung für die Stelle beim VSE. «Der VSE war mir durch meine Arbeit mit Photovoltaik-Anlagen schon ein Begriff, und der Stellenbeschrieb hörte sich sehr interessant an», erzählt Toni Biser, der als Senior Experte Berufsbildung nicht bloss den Netzelektrikern ein Begriff ist.
Strom und Elektrizität hatten ihn schon immer fasziniert. Daher versuchte er sein Glück … und wurde prompt beim VSE angestellt. Offiziell nahm Toni Biser seine Arbeit im September 1994 auf, effektiv war er aber schon im Juli für den VSE unterwegs. Dieser Umstand erklärt sich aus der Organisation des VSE respektive der diversen Fachkommissionen, welche der Verband unterhält. Ein wichtiger Teil der Arbeit der Fachexperten und -expertinnen beim VSE ist die administrative Organisation ebendieser Fachkommissionen. Seine Funktion sah vor, dass Toni Biser 1994 die Funktion als Sekretär für vier solcher Fachkommissionen übernehmen sollte. Die Präsidenten von drei dieser vier Kommissionen bildeten das Gremium, welches Toni Biser wählen sollte.
«Einer dieser drei Kommissionspräsidenten, Pierre Prior, wollte die französischsprachige Schweiz stärker integrieren, weil ihm das sehr wichtig war», sagt Toni Biser. Zu diesem Zweck sollte Toni Biser bereits im Juli 1994 einen einmonatigen Stage bei den Ausbildungsbetrieben in der Westschweiz absolvieren. Im Nachhinein betrachtet Toni Biser diese Massnahme als immensen Vorteil für seine spätere Tätigkeit: «Ich lernte so gleichzeitig den Beruf des Netzelektrikers und auch die Menschen, welche ihn ausüben, schon vor meinem Stellenantritt kennen. Das war eine super Erfahrung.» Und auch sein Französisch habe er bei dieser Gelegenheit wieder auffrischen können.
«Vorkurs» und Vorkenntnisse
Neben diesem «Vorkurs» habe ihm auch die Tatsache, dass alles perfekt funktionierte, den Einstieg in die Welt der Netzelektriker massiv erleichtert: «Ich übernahm von meinem Vorgänger Rudolf Keiser einen Bereich, der tipptopp aufgestellt war und in dem alles reibungslos funktionierte.» Allerdings seien mehrheitlich Prozesse und Abläufe noch auf manuelle Ausführung ausgelegt gewesen. Toni Biser hat nach seinem Antritt von Anfang an auf die Digitalisierung dieser Prozesse hingewirkt. Diese Transformation dauert auch heute noch an. So soll vor allem die Digitalisierung der Lehrmittel in der Grundbildung für Netzelektriker vorangetrieben werden. Das könne er noch anstossen, solange er noch beim VSE aktiv sei, sagt Toni Biser. Umsetzen werde diese Aufgabe aber seine Nachfolgerin Barbara Brun (vgl. Kasten unten) müssen.
Als einen wichtigen Teil seiner Arbeit verstand Toni Biser stets, dass er für alle ein offenes Ohr hatte, und zwar sprachenübergreifend: «Es war mir immer ein Anliegen, die ganze Schweiz anzuhören. Das war nicht immer so einfach, wie es sich jetzt anhört, und wir hatten beileibe nicht immer alle im gleichen Boot.» Aber dann habe man sich halt jeweils zusammenraufen und einen Konsens finden müssen. Auch heute sei dieses verbindende Element seiner Funktion nach wie vor wichtig, damit alle Involvierten mit einer geeinten und entsprechend starken Stimme sprächen, ist Toni Biser überzeugt.
Administrativer Aufwand sollte wieder kleiner werden
Verändert habe sich in den vergangenen 26 Jahren aber der administrative Aufwand, und zwar sowohl für den Verband als auch die Betreuer in den Ausbildungsunternehmen. «Früher konnte bei kleineren Betrieben die Funktion des Berufsbildners im Nebenamt, quasi als Zusatzaufgabe, ausgeübt werden. Das ist heute aufgrund der vielen Regeln und Vorgaben vor allem vom Bund nicht mehr möglich.» Zwar sei die Grundbildung als solche sicher ausgefeilter und professioneller geworden, aber punkto administrativen Aufwands seien die letzten Reformen eher nicht so gelungen gewesen, findet Toni Biser. Er hofft darum, dass sich die Beteiligten im Zuge der aktuell laufenden Fünf-Jahres-Überprüfung der Grundbildung wieder der alten Stärken besännen und den administrativen Aufwand wieder etwas verringern werden. Dass der VSE die Ausbildung zum Netzelektriker nicht alleine anbietet, sondern als Trägerschaft gemeinsam mit der VFFK (Vereinigung von Firmen für Freileitungs- und Kabelanlagen), dem VÖV (Verband öffentlicher Verkehr) sowie dem Sniv (Schweizer Netzinfrastrukturverband) verantwortet, ist gegenüber dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), welches diese hohen administrativen Anforderungen stellt, sicher kein Nachteil. So erhalten die Anliegen der Trägerschaft deutlich mehr Gewicht.
Mehr Mittel für Berufsmarketing
Toni Biser betont, dass die bestehende Ausbildungslösung aus inhaltlicher und fachlicher Sicht aber sehr gut sei. Gerade auf den Umgang mit Gefahren und Risiken, die es im Beruf des Netzelektrikers halt einfach gebe, werde sehr grosses Augenmerk gelegt. «Das ist wichtig, denn junge Menschen müssen allmählich, aber immer wieder für diese Themen sensibilisiert werden. Das ist auch in unserem Interesse.»
Aus den vorhandenen Möglichkeiten hätten der VSE und die Trägerschaft stets sehr viel herausgeholt, sagt Toni Biser, «aber speziell beim Berufsmarketing hätte ich mir manchmal mehr Spielraum gewünscht. Doch dazu fehlten leider die Mittel aus der Branche.» Ansetzen würde Toni Biser vor allem bei den sozialen Medien: «Hier müssten wir präsent sein, um den Nachwuchs direkt ansprechen zu können.» Auch könnte man über diese Kanäle lernende Netzelektriker für diesen Beruf sprechen lassen. Gleichzeitig müssten aber auch die Eltern potenzieller Netzelektriker nach wie vor abgeholt werden: «Sowohl die Jungen als auch ihre Eltern abzuholen, ist gleich wichtig.» Nach wie vor klagt nämlich die Branche, dass es an genügend Nachwuchs bei den Netzelektrikern fehle.
Im (Un-)Ruhestand
Toni Biser freut sich auf die Zeit nach dem VSE. Auch wenn er nicht alle Projekte habe abschliessen können, so lasse er doch keine «Unvollendete» zurück: «Das ist ein System, das lebt und das sich kontinuierlich weiterentwickelt. Folglich gibt es nichts, das ich unfertig zurücklassen müsste.» Und langweilig wird ihm auch nach seinem Abschied kaum werden: Toni Biser hat sich gut auf seinen Ruhestand vorbereitet und wird diesen keinesfalls «in Ruhe» begehen. So würde er beispielsweise gerne für die französische NGO «Électriciens sans frontières», die seit mehreren Jahren Projekte zur Versorgung der Ärmsten mit Strom und Trinkwasser, unter anderem auch in Westafrika, durchführt, tätig werden.
Auf die Frage, was ihn im Rückblick auf seine Tätigkeit beim VSE besonders stolz mache, antwortet Toni Biser zufrieden, dass der VSE und die Trägerschaft über alle Sprachgrenzen hinweg auf hohe Akzeptanz stiessen. «Wir sind transparent und angesehen, in der Deutschschweiz ebenso wie in der Romandie und im Tessin.» Um ein solches Rendement zu erreichen, braucht es aber persönlichen Einsatz. «Man muss mit den Menschen reden, ihnen Dinge erklären, zu ihnen rausgehen.»
Wenn es sein muss, bis nach Afrika …
Barbara Brun folgt
Barbara Brun tritt per 1. Juli 2020 die Nachfolge Toni Bisers beim VSE an. Barbara Brun verfügt über langjährige Erfahrung in der Ausbildung von Netzelektrikerinnen und Netzelektrikern. So hat sie bei den SBB die Einführung der Grundbildung Netzelektriker/in EFZ begleitet. Ausserdem war sie verantwortlich für die berufliche Grundbildung. Aktuell arbeitet Barbara Brun bei der Cablex als Trainings-Managerin in der Konzeption von Aus- und Weiterbildung sowie der Steuerung der beruflichen Grundbildung. Gleichzeitig ist sie auch in der Projektsteuerung der 5-Jahres-Überprüfung der Ausbildung tätig.
Kommentare