Licht aus Halbleitern
Glühdrähte und Leuchtstoffröhren weichen Halbleiterchips
LED-Leuchten sind so effizient, dass sie andere Technologien verdrängen. Architekten schätzen die kleinen Halbleiterchips, weil sie neue gestalterische Möglichkeiten bieten.
Mario Rechsteiner veranschaulicht seine Arbeit als Lichtgestalter so: «Mit Licht gestalten wir Räume für Menschen. Licht ist unser Baustoff, wie Holz oder Beton für den Architekten.» Zur LED-Technologie, welche die konventionellen Leuchtmittel wie Glühlampe und Leuchtstoffröhre mehr und mehr verdrängt, sagt er: «Mit den LED-Leuchten haben wir einen vielfältigen Baukasten mit neuen gestalterischen Möglichkeiten bekommen.»
Seine Firma Art Light GmbH gründete er 1997 zu einer Zeit, als LEDs noch als rote und grüne Lämpchen an Elektronikgeräten leuchteten. Die blaue LED, die als Grundlage für die weisse LED dient, wurde damals in den 1990er-Jahren in japanischen Forschungslabors entwickelt. Bis die weissen LEDs konkurrenzfähig waren, dauerte es noch eine Weile. 2006 erreichte die Firma Nichia im Labor mit 150 lm/W einen theoretischen Wirkungsgrad von 22%, was der Effizienz von Natriumdampflampen entspricht. Ab dann begann der Einzug in der Beleuchtungsbranche.
Zunächst nur kaltes Licht
Die Informationstechnische Gesellschaft ITG von Electrosuisse führte 2010 erstmals das LED-Forum durch. Wer damals durch die Ausstellung lief, konnte sich vor allem Prototypen anschauen. Das Statistik-Portal statistica.com schätzt den Marktanteil von LED-Leuchten im Jahr 2010 auf 0,3% weltweit. Erste Pilotprojekte wurden hauptsächlich in der Strassenbeleuchtung durchgeführt. Das sei die naheliegendste Anwendung gewesen, sagt Rechsteiner. Die weissen LEDs hatten zu dieser Zeit noch sehr kalte Farbtemperaturen – es war ein Kompromiss zwischen Effizienz und angenehmem Licht. Das Licht wird durch die blaue LED erzeugt, die mit einer Phosphorschicht bedeckt ist. Der Begriff Phosphor wird hier missverständlich genutzt, da es sich nicht um das chemische Element Phosphor handelt, sondern um eine fluoreszierende Schicht aus Oxiden oder Sulfiden. Diese Schicht wird durch das blaue Licht angeregt und gibt dann ihrerseits gelbes Licht ab, das in der Mischung mit dem blauen Licht weiss ergibt. Erst mit der Zeit konnten die Hersteller effiziente weisse LEDs herstellen, bei denen nicht das Blau dominierte. Da die verbreiteten Quecksilberdampflampen in der Strassenbeleuchtung ebenfalls ein kühles Licht bei rund 4200 K abgeben, war es naheliegend, zuerst diese mit den effizienteren LEDs zu ersetzen.
Deutscher Lichtdesign-Preis für Schalterhalle
Heute, nicht einmal zehn Jahre später, gibt es LED-Leuchten in allen Farbtemperaturen. Wir stehen mit Mario Rechsteiner in der kürzlich renovierten Schalterhalle der Acrevis Bank in St. Gallen. Das Licht kommt ausschliesslich aus LED-Leuchten. Selbst die in der Decke eingelassenen Spots, die auf den ersten Blick wie Halogenleuchten aussehen, sind LED-Strahler.
«Die Architekten wollen am liebsten gar keine Leuchten sehen. Die Flächen sollen ungestört wirken», sagt Rechsteiner. «Die LED-Leuchten können wir viel dezenter platzieren – in Schlitzen und Nischen, wo sie kaum auffallen.» Die Beleuchtung in der Schalterhalle überzeugte auch die Jury des Deutschen Lichtdesign-Preises und verlieh dem Team von Rechsteiner im Mai dieses Jahres den Preis für das beste Projekt in der Sparte «Öffentliche Bereiche/Innenraum».
Rechsteiner betont, dass nicht nur die künstliche Beleuchtung für die angenehme Atmosphäre in der Schalterhalle sorgt, sondern auch das Tageslicht, das gezielt in den Raum scheint: «Der Mensch will aus den Fenstern rausschauen können und die Sonne in den Raum scheinen sehen – fühlt sich im Sonnenlicht mit Licht und Schatten am wohlsten.» Entsprechend skeptisch steht er der OLED-Technologie gegenüber, die mit grossen Flächen arbeitet, die aber nur schwach leuchten: Eine diffus leuchtende Wand sei wie ein Tag mit Nieselregen, ohne klare Schatten.
50'000 Stunden Lebensdauer
Als die LED eingeführt wurde, waren neben den Farbtemperaturen die Lebensdauer und die Blendung Themen. Die Lebensdauer von 50'000 Stunden, die damals diskutiert wurde, schätzt Rechsteiner als realistisch ein, wenn er seine bestehenden Anlagen anschaut. «Eine LED ist ein elektronisches Bauteil. Die Wärme muss richtig abgeführt und die Feuchtigkeit abgehalten werden, dann arbeiten die LED sehr zuverlässig.» Auch Anlagen, die nun seit zehn Jahren liefen, seien nach wie vor zuverlässig.
Die Blendung hingegen müsse man beachten. LEDs seien sehr helle, punktförmige Lichtquellen. Das gelte für die heutigen, noch effizienteren Leuchtquellen umso mehr. «Rund um die Entwicklung von LED-Leuchten ist eine neue Disziplin der Optik entstanden. In guten Leuchten leiten Linsen das Licht, ohne dass allzu helle Punkte entstehen», sagt Rechsteiner. Wer auf die LED-Spots an der Decke im Schalterraum in St. Gallen hochschaut, sieht zwar eine helle, punktförmige Leuchte, aber nicht die typischen kleinen Hotspots, die sich in die Netzhaut des Auges einbrennen.
Charakteristik wie die IT-Branche
Farbtemperatur, Lebensdauer und Blendung hätten die Hersteller heute gut im Griff, sagt Rechsteiner. Es sei natürlich so, dass es Qualitätsunterschiede gäbe bei den Produkten. «Qualität hat seinen Preis», schliesst er. Zudem sei der Leuchtenmarkt heute mit dem IT-Markt zu vergleichen: mit kurzen Entwicklungszyklen und raschen Innovationen. «Die Kennwerte eines Produkts im Katalog können sich innerhalb eines halben Jahres verändern.» Und da im Konverter, im Vorschaltgerät der LED-Leuchte, bereits Elektronik drin ist, liegt der Schritt nahe, noch mehr Funktionen einzubauen. «Es gibt bereits LED-Leuchten, die mit Kamerasensoren ausgestattet sind, um den Raum zu überwachen.»
Durch die raschen Entwicklungszyklen und die zusätzlichen Funktionen steigt die Gefahr, dass die Geräte untereinander nicht kompatibel sind. Bei Projekten schreibt Rechsteiner deshalb Konverter und Leuchten immer zusammen als Paket aus. Die Anbindung an die Steuerung sei bei Standardanwendungen hingegen selten ein Problem: «Der Dali-Bus hat sich durchgesetzt.» In Kombination mit den verbreiteten KNX-Installationen sei die Kommunikation meist ohne Schwierigkeit. Bei komplexeren Anlagen mit unterschiedlichen Fabrikaten und Funktionen sei eine frühzeitige Planung und eine Prüfung der Kompatibilität aber unumgänglich.
Dimmen mit Bauherrn besprechen
Dass es beim Dimmen häufig Diskussionen gibt, liege daran, dass zu Projektbeginn sauber definiert werden müsse, wie weit man die Leuchten herunterdimmen können soll. «10% der Leuchtstärke ist bei LEDs immer noch sehr hell, und wenn man auf 1% oder 0,1% dimmen will, muss man bessere Konverter und Leuchten einsetzen.»
Bei Retrofits wiederum müsse man darauf achten, dass die in den Lichtschaltern integrierten Dimmer mit Phasenanschnittsteuerung häufig eine Feinsicherung enthalten, die durch die hohen Anlaufströme der LED-Leuchten ausgelöst werden können. Bei neuen Installationen seien die Anlaufströme hingegen kaum mehr ein Problem.
Human Centric Lighting
Ein neues Thema, das Rechsteiner bei Projekten immer häufiger antrifft, ist Human Centric Lighting. «In vielen Neubauprojekten wird dies diskutiert. Aber die Industrie ist schneller als die Forschung. Man weiss noch gar nicht genau, wie der Mensch auf die verschiedenen Lichttemperaturen reagiert.» HCL sei ein typisches Thema aus einer Industrie, die gesättigt sei und nun neue Themen brauche, um ihre Produkte zu verkaufen. Technisch sei die Umsetzung von HCL in einem Gebäude wie einem Altersheim anspruchsvoll: «Es gibt gute Insellösungen, beispielsweise Stehleuchten. Aber wenn die Farbtemperatur in einem ganzen Gebäude bis zur hinterletzten Leuchte übereinstimmen soll, wird die Steuerung sehr komplex.»
Für Rechsteiner ist klar, dass die LEDs immer mehr bestehende Leuchtmittel ersetzen, bis hin zur Leuchtstoffröhre. Seit dem 1. September 2018 ist das Inverkehrbringen von Halogenleuchten – abgesehen von wenigen Ausnahmen – verboten. Auch bei der Strassenbeleuchtung, in Fussballstadien und Turnhallen geht er davon aus, dass Hochdruckentladungslampen durch LED-Leuchten ersetzt werden. «Selbst bei der Sanierung der SBB-Züge spricht man von LED-Röhren anstelle von Leuchtstoffröhren.» Hier müsse man die Abstrahlung beachten, die bei den LED-Röhren nur 120° bis 140° betrage, während Leuchtstoffröhren um 360° abstrahlen würden. Die Kombination mit den Reflektoren müsse stimmen, sei aber meist machbar. «In Industrieanlagen mit hohen Räumen kann es sogar ein Vorteil sein, wenn das Licht gerichtet von der Decke auf den Boden gestrahlt wird.»
Arbeit des Lichtplaners honorieren
Das Sortiment an Leuchten wird immer breiter und die Technik, Kunstlicht zu erzeugen, immer ausgefeilter. Für Mario Rechsteiner ist es deshalb wichtig, das Thema Licht unabhängig von Produkten als Ganzes zu betrachten und die Architekten zu sensibilisieren.
Zum Licht gehöre nicht nur das Kunstlicht, sondern auch das Tageslicht, das gezielt eingesetzt werden könne. Und nicht überall, wo es hell ist, sei das Licht auch angenehm: «In Bürogebäuden mit Glasfassade ist der Farbwiedergabeindex oft sehr schlecht, weil die beschichteten Gläser nur wenig vom Spektrum des Sonnenlichts durchlassen.» So setzt er sich als Vizepräsident bei der Schweizerischen Lichtgesellschaft (SLG) ein, dass das Berufsbild der Lichtplaner klar definiert und von der Baubranche honoriert wird.
Auf der technischen Seite ist er mit dem Werkzeugkasten der bestehenden Beleuchtungstechnologien zufrieden: «Wir haben heute wesentlich mehr Möglichkeiten, können das Licht präzise platzieren, um es in die Architektur zu integrieren.» Nur etwas vermisst er: «Die Glühlampe hatte als Temperaturstrahler eine ganz spezielle, natürliche Charakteristik. Die Farbtemperatur wurde wärmer, je stärker sie gedimmt wurde – wie bei einem Sonnenuntergang. Dieser Ersatz der guten alten Glühlampe fehlt mir.» Als das elektrische Licht eingeführt wurde, sei die Kerze auch nicht verboten worden.
Die Filament-Leuchten wurden den Glühlampen nachempfunden und werden gerne im dekorativen Bereich eingesetzt. Die Farbtemperatur bleibt aber immer gleich und Rechsteiner weist darauf hin, dass sie mit steigender Effizienz auch immer stärker blenden würden. «Heute sieht man sie vor allem auf Möbelmessen als dekoratives Element.»
Verbot von Halogenleuchten
Seit Anfang September 2018 sind die Temperaturstrahler aus den Regalen der Lieferanten verschwunden – als letzte Stufe der ErP-Verordnung 244/2009 der EU, die von der Schweiz übernommen wurde. Damit verschwinden auch Halogenlampen, die in der Regel der Effizienzklasse C oder D entsprechen, bis auf wenige Ausnahmen. Lediglich für R7s und G9-Fassungen im Hochvoltbereich sowie die Reflektor- und Stiftsockelhalogenglühlampen im Niedervoltbereich, für die es noch keine Alternativen mit LED-Leuchten gibt, sind Halogenleuchtmittel noch erhältlich.
Mit dem Verbot wird der Marktanteil der LED-Leuchten einen weiteren Sprung machen. Bereits 2016 lag der Anteil LED-Leuchten laut einer Studie der SLG im Innenbereich bei 63% (Schweizer Markt). Bei der Aussenbeleuchtung lag der LED-Anteil sogar bei 73%, bei der Strassenbeleuchtung bei 84%. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die LED-Technologie im Beleuchtungsmarkt durchgesetzt.
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