Fachartikel Infrastruktur , Installationstechnik

Leitungen richtig planen und verlegen

Was gilt es zu berücksichtigen?

24.04.2017

Elektrische Leitungen richtig zu planen und zu verlegen, ist oft eine Herausforderung, bei der es viele Parameter gleichzeitig zu berücksichtigen gilt. Dabei geht es nicht nur um die Strom­belastbarkeit und den Spannungsfall, sondern auch um magnetische Wirkungen, Oberschwingungsanteile, den Schutz von mehrfach verlegten Leitern und vieles mehr.

Abgesehen von speziellen Anwendungen (z.B. Sektorkabel), bei denen Aluminium oder Aluminiumlegierungen eingesetzt werden, wird in der Schweiz meist Kupfer als Leitermaterial eingesetzt. Beim Isolations­material hingegen besteht eine sehr grosse Vielfalt an Werkstoffen. Diese breite Auswahl hat viele Gründe. Je nach Installations­zweck und -umgebung müssen die Isolations­mate­rialien unterschied­lichen Kriterien genügen. Zu beachten sind Temperatur, Sonnen­einstrahlung, mechanische Beanspruchung, Ver­schmutzungen, Alterung etc., aber auch Klassifizierungen wie Brandverhalten, Flamm­ausbreitung, Qualm­bildung, brennendes Abtropfen, korrosive Rauchgase. Nicht zuletzt dürfen in diesem Zusammenhang die ökologischen und ökono­mischen Aspekte nicht vernachlässigt werden.

Wirtschaftlichkeit

Dank dem Einsatz von Leitungen mit grösseren Querschnitten lassen sich Betriebs­kosten einsparen. In vielen Fällen – besonders bei langen Betriebszeiten wie in einem Zwei- oder Dreischicht­betrieb – amortisieren sich die höheren Beschaffungskosten innerhalb von nur einigen Monaten bzw. innert weniger Jahre. Dabei werden einerseits Energiekosten eingespart und andererseits verzögert sich die Alterung des Isolationsmaterials aufgrund der tieferen Leitertemperaturen. Zudem wird der Spannungsfall entlang der Leitung reduziert, was zu einer konstanteren Spannung am Leitungsende führt.

Leitungs- und Personenschutz

An jedem Leitungsende, somit an jedem Verbrauchsmittel und an jeder Steckdose, sind nach NIN 4.3.3 und 4.3.4 die Bedingungen des Überlast- und des Kurzschluss-Schutzes einzuhalten.

Leitungen werden bei unbekannten Verbrauchern und bei Steckdosen nach der vorgeschal­teten Überstrom-Schutz­einrichtung dimensioniert (NIN 5.2.4 Mindest­querschnitte von Leitern, NIN B+E 5.2.3.1.1.14 Bestimmung der Querschnitte der Leitungen und NIN 4.3.3.2 Schutz der Leiter «im Zuge der Leitung»). Ist der Betriebsstrom des Verbrauchers bekannt, oder kann der Verbraucher keine Überlast erzeugen, kann der Leitungsquerschnitt anhand des Betriebsstroms des festangeschlossenen Betriebsmittels dimensioniert werden. In diesem Fall kann die Überstrom-Schutz­einrichtung unter gewissen Voraussetzungen «im Zuge der Leitung» angeordnet werden. Dabei befindet sich die Kurzschluss-Schutzeinrichtung immer am Anfang der Leitung.

Um die Anforderungen an den Personen­schutz einzuhalten, muss im TN-System der «Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung» angewendet werden (NIN 4.1.1.3.2). Somit gelten die maximalen Abschalt­zeiten von 0,4 bzw. 5 s.

Parallel geschaltete Leiter

Die Strombelastbarkeit einer Leitung wird hauptsächlich durch den Leiter­quer­schnitt bestimmt. In elektrischen Anlagen, in denen grosse Ströme übertragen werden, braucht es einen Leiter mit einem sehr grossen Querschnitt.

Ein solch starrer Leiter führt möglicher­weise zu Schwierig­keiten bei der Verlegung. Deshalb werden mehrere parallel geschaltete mehradrige Kabel oder Einzelleiter verlegt, d.h., die erforderlichen Querschnitte werden auf mehrere Leiter pro Pol aufgeteilt. Das Aufteilen auf mehrere Leiter bzw. eine parallele Schaltung der Leiter ist jedoch erst ab einem Querschnitt von ≥70 mm2 (2 x 35 mm2) Cu zulässig (NIN 5.2.3.5.1).

Magnetische Wirkungen

Jeder stromdurchflossene Leiter erzeugt ein Magnetfeld (Bild 1). Bei belasteten Leitungen führt dies zu verschiedenen elektromagnetischen Wirkungen. So wirken strom­durch­flossene Leiter auf «benachbarte» metallene Teile, andere Leiter – auch in derselben Leitung (Bild 2) – sowie auf metallene Abschirmungen und Tragsysteme. Die magnetischen Felder haben Einfluss auf Teile um die Leitung (radial) und entlang einer Leitung (axial).

In parallel (axial) verlegten Leitern, wie z.B. zwei Neutralleitern, die eine Schleife bilden, werden Ströme induziert. Durch diese elektromagnetische Wirkung werden auch im Schutzleiter Ströme hervorgerufen, weil über mehrere Verbindungen wie Potenzialausgleichsleitungen, metallene Teile der Gebäudekonstruktion, Blitzschutz-Fang und -Ableitungen und dgl. Schleifen bestehen (Bild 2).

Wirkungen bei radial angeordneten Leitern sind vor allem von der Stromstärke im Leiter und vom Abstand der Leiter abhängig. Je nach Leiteranordnung (Hinleiter und/oder Rückleiter, Drehstromsysteme) verhält sich das gegenseitige Aufheben unterschiedlich und das resultierende Magnetfeld ändert sich unterschiedlich (proportional/quadratisch) im Verhältnis zum Abstand zu den Leitern.

Die Einflüsse auf benachbarte Leiter führen jedoch meist erst bei grösseren Strömen (typischerweise über 100 A) zu Problemen. Diesen ist jedoch gemäss NIN, EMV-Richtlinie und NISV grosse Beachtung zu schenken.

Die NIN fordert unter 1.3.1.6 «Massnahmen gegen elektromagnetische Einflüsse», um Menschen und Tiere ausreichend schützen zu können. Die Einflüsse sind möglichst zu begrenzen, besonders im Schlafbereich.

Betriebsmittel müssen nach NIN 1.3.1.6.4 und Anhang I Abs. 1 EMV- Richtlinie eine ausreichende elektromagnetische Verträglichkeit aufweisen, d.h., allfällige elektromagnetische Felder dürfen nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen. Zudem dürfen sie keine elektromagnetischen Störungen verursachen, welche andere Betriebsmittel in ihrer Funktion beeinträchtigen könnten.

Art. 1 NISV fordert den Schutz der Menschen vor «schädlicher oder lästiger nichtionisierender Strahlung». Mit nichtionisierender Strahlung (NIS) werden elektrische und magnetische Felder bezeichnet, die aufgrund ihrer geringen Energie keine Veränderungen an Lebewesen und Materie bewirken.

Schutz von parallel geschalteten Leitungen

Werden zwei oder mehrere Leiter pro Pol parallel geschaltet, müssen nach NIN 5.2.3.5 Massnahmen zur «gleichmässigen Aufteilung des Belastungsstromes auf die einzelnen Leiter» getroffen werden. Neben der Verwendung derselben ohmschen Widerstände bedingt dies besondere Verlegemassnahmen, welche sich bei Einzelleitern insbesondere auf die räumliche Anordnung beziehen (NIN 5.2.3.5.1.2).

Als Teil einer elektrischen Anlage müssen parallel geschaltete Leitungen nach NIN 1.3.1.3.1 vor «thermischen Auswirkungen» geschützt werden. Gefährliche Erwärmungen können bei Überlast (1.3.1.4.1) und bei Kurzschluss (1.3.1.5.1) entstehen. Werden mehrere Leiter parallel geschaltet, können zusätzliche Erwärmungen durch ungleichmässige Stromverteilung auf die Leiter auftreten.

Bei der Anordnung der Überstrom-Schutzeinrichtungen wird grundsätzlich zwischen «einzeln geschützten» und «gemeinsam geschützten» Leitungen unterschieden (NIN B+E 5.2.3.5.2). «Absolute Voraussetzung» für eine gemeinsame Überstrom-Schutz­einrichtung ist eine «ausgeglichene Stromführung der einzelnen Leiter» (NIN B+E 5.2.3.5.2.2).

Besondere Aufmerksamkeit ist Kurzschlüssen innerhalb von gemeinsam geschützten Leitungen zu schenken. Dabei kann die «Fehlerstelle» über mehrere Leiter gespeist werden (Bild 3).

Fazit

Die richtige Planung und Verlegung von Leitungen ist ein komplexes Thema. Es geht dabei neben der zulässigen Strombelastbarkeit um viele weitere Aspekte wie magnetische Wirkungen um und entlang von Leitungen, Wirtschaftlichkeit, Verhalten im Brandfall, Personen- und Leitungsschutz usw.

Literatur

  • SN 411000:2015 Niederspannungs-Installationsnorm (NIN 2015).
  • SR 814.710 Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV).
  • EMV:2014-02-26 Richtlinie 2014/30/EU über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV-Richtlinie).

 

Autor
Josef Schmucki

ist Projektleiter im Bereich Weiterbildung und Mitglied des TK 64.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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