Fachartikel Erneuerbare Energien , Produktion

Leistungsstarke Schweizer Solarmodule

Technologische Innovation

05.04.2021

Dank einer Hybridtechnologie, die die Konzentration von direktem Licht und die Nutzung von diffusem Licht kombiniert, kann ein neuartiges PV-Modul bis zu 50% mehr Energie erzeugen als bisherige Modelle. Ein Konzept auf der Basis transparenter Module mit breit gefächerten Anwendungs­möglichkeiten, zum Beispiel in der Agri-Photovoltaik, wurde ebenfalls entwickelt.

Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich der Wirkungsgrad von handelsüblichen Solarmodulen fast verdoppelt: Von etwa 11% auf heute fast 20%. Physikalische und praktische Grenzen verhindern jedoch, dass der Wirkungsgrad auch längerfristig 25% überschreiten wird.

Um ihn weiter zu erhöhen, ist deshalb ein Paradigmenwechsel nötig. Es werden zwar mehrere Möglichkeiten erwogen, aber nur wenige haben das Potenzial, schnell und günstig vermarktet zu werden. Aufgrund der effizienten Umwandlung der direkten Sonnenstrahlung mit einer integrierten Linse, die dem Sonnenverlauf folgt, konnte die Technologie von Insolight [1] bis 2018 einen Wirkungsgrad von 29% erzielen [2] und damit einen ersten Meilenstein setzen. Damit ist sie deutlich besser als herkömmliche Technologien, die auf kristallinem Silizium beruhen.

Das Helios-Projekt

Das Streben nach höherer Effizienz ist eng mit den Energiekosten verbunden. Jedes installierte Solarmodul-Kilowatt produziert in seinem Leben eine bestimmte Menge Energie. Je mehr Energie es gibt, desto geringer sind die Kosten für den erzeugten Strom. Zu diesem Zweck können mehrere Parameter optimiert werden: die Lebensdauer der Anlage, die Rohstoffkosten, die Installationsgebühren und die Leistung der Module. Mit einem um 50% höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Module senkt die neue Technologie nicht nur die Kosten pro in­stalliertem kW, sondern amortisiert auch die bei der Herstellung der Module entstehenden CO2-Emissionen im Vergleich zu einer Standardanlage schneller. Diese Wertschöpfung ist besonders dort interessant, wo die verfügbare Dachfläche sehr begrenzt ist oder bei mehrstöckigen Gebäuden.

Das Helios-Projekt von Innosuisse setzt sich zum Ziel, den Wirkungsgrad zu erhöhen, um die Energiekosten zu senken. Vor diesem Hintergrund wandte sich das Start-up Insolight an das CSEM (Schweizerisches Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik), das für sein technologisches Know-how auf dem Gebiet der Photovoltaik sowohl auf der Zellen- als auch auf der Modul­ebene bekannt ist. Da durch die neue Technologie die Branchenstandards auf den Kopf gestellt werden, brauchte es einen dritten Partner, um die Messwerte und die Zuverlässigkeit zu validieren: Die Supsi (Fachhochschule der italienischen Schweiz) ist in der Lage, die entsprechenden Zertifikate auszustellen. Natürlich muss dafür das Konzept der Messung und Zertifizierung selbst durch Forschungsarbeiten erst definiert werden.

Direkte Sonnenstrahlung nutzen ...

Die neue Technologie basiert auf dem Prinzip des Mikro-Tracking: Die Hochleistungs-PV-Zellen werden in Bezug auf die Linsen mechanisch bewegt, damit die direkte Sonnenstrahlung stets auf die PV-Zellen (Bild 1a) fokussiert ist. Die Konzentration ist deshalb so wichtig, weil die Hochleistungszellen, die aufgrund ihrer Kosten normalerweise auf Anwendungen der Raumfahrttechnik beschränkt sind, einen sehr hohen Wirkungsgrad besitzen, meistens mehr als 42% mit dem in diesem Projekt verwendeten Konzentra­tionsfaktor (200 x). Weiterer Vorteil: Die mit diesen Zellen bestückte Fläche entspricht nur einem winzigen Teil, d. h. einem Zweihundertstel der Gesamtfläche des Moduls, was ebenfalls zur Kostenreduzierung beiträgt. Dank dieses Konzepts konnte man bereits mit der ersten Architektur einen Wirkungsgrad von 29% erzielen. [2]

... ohne die diffuse Strahlung zu vergessen

Das Mikro-Tracking-System erfasst jedoch nur die direkte Sonnenstrahlung. Diffuses Licht wird nicht auf die PV-Zellen gebündelt und daher nicht in Energie umgewandelt. Hier liegt die wesentliche Innovation des Helios-­Projekts. Dieses nicht in Strom umgewandelte Licht macht je nach Wolken­bedeckung zwischen 10 und 40% der Lichtintensität aus. Durch die Nutzung dieser Komponente kann die Energieeffizienz weiter gesteigert werden.

Das CSEM hat mehrere Ansätze getestet, um Streulicht mit kristallinen Siliziumzellen effizient umzuwandeln. Zuerst wurden kleine Öffnungen in die Siliziumplatten geschnitten, um die Fläche rund um die Stapelsolarzellen komplett abzudecken. Dieser Ansatz hat sich jedoch als nicht zuverlässig erwiesen. Letztlich wurden die Hochleistungszellen auf einer transparenten Leiterplatte montiert. Diese wird dann auf ein kristallines Siliziummodul aufgebracht (Bilder 1b und 2). Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die beiden Zellen­ebenen vertikal getrennt sind, wodurch die einzelnen Zellen­arten bei technologischen Fortschritten leicht durch andere ersetzt werden können. Zudem gewährleistet diese Trennung die Zuverlässigkeit der Baugruppe, da das kristalline Modul wie bei einem Standardmodul eingekapselt ist.

Dieser Ansatz brachte jedoch erhebliche technologische Herausforderungen mit sich. Zuerst musste ein sehr präziser Schaltkreis gedruckt werden, der eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweist, feuchtigkeitsbeständig ist und Temperatursprünge aushält (von – 40°C bis + 85°C). Dann musste ein Fertigungsverfahren für das gesamte Modul entwickelt werden, das auf gros­sen Entfernungen sehr kleine Toleranzgrenzen ermöglicht (unter 50 μm auf 1 m), sonst würde die Wirksamkeit der Stapelzellen stark eingeschränkt. Diese beiden Herausforderungen wurden im Rahmen des Helios-Projekts gemeistert. Danach wurden Dutzende Hybridmodule hergestellt, von denen einige derzeit in Pilotanlagen in der Schweiz, Spanien und Deutschland im Einsatz sind.

Von einem Projekt zum nächsten

Die Begeisterung für diese Hybrid­architektur führte zur Gründung eines grossen europäischen Konsortiums. Es umfasst 16 Partner aus zehn Ländern, vier Forschungszentren und Universitäten, sechs Industriepartner, drei Solarinstallateure und zwei Unternehmen, die im Bereich Management und Kommunikation rund um Insolight tätig sind. Aus diesem Konsortium entstand das europäische Hipe­rion-Projekt1), das vom CSEM vier Jahre lang mit einem Budget von 10,6 Mio. Euro koordiniert wird. Ziel der europaweiten Ausschreibung war es, die Wettbewerbsfähigkeit der Photovoltaik-Industrie in Europa durch innovative Lösungen zu steigern. Hiperion soll die im Helios-Projekt initiierte und erprobte Hybridtechnologie zur Reife bringen. Endgültiges Ziel ist es, ein industrielles Potenzial von bis zu 1 GW Jahreskapazität zu erreichen. Zu diesem Zweck wird in Neuenburg eine Pilotfertigungsanlage gebaut, in der die von den Partnern entwickelten Hightech-Maschinen Verwendung finden. Die Hybridmodule werden dort hergestellt und dann an mehreren Standorten in Frankreich, Belgien, Portugal, Deutschland, Spanien und der Schweiz installiert. Sie sollen unter den unterschiedlichen Klimabedingungen bis zu 50% mehr Energie erzeugen als herkömmliche Module.

Natürlich sind noch einige Herausforderungen zu meistern, bevor wir diese Module auf unseren Dächern sehen. Das Hiperion-Projekt versucht seit einem Jahr, alle Probleme zu lösen. Für diese Module ist eine Lebensdauer von 25 Jahren zu gewährleisten, um das Risiko bei der Implementierung solcher disruptiven Produkte zu senken. Da diese Module nicht mit anderen vergleichbar sind, wird die Arbeit einige Zeit in Anspruch nehmen, weil jede einzelne Komponente zu überprüfen ist. Danach muss die Wirksamkeit der Module gemessen werden, was nicht einfach ist, existieren derzeit doch weder entsprechende Messwerkzeuge noch Standards. In der Tat bestehen keine Normen für Module, die sich je nach Menge des direkten und ­diffusen Lichts unterschiedlich verhalten. Deshalb ist geplant, Messinstrumente zu entwickeln und die internationalen metrologischen Normen zu aktualisieren. Schliesslich muss Hiperion nachweisen, dass die Energiekosten im Vergleich zu bestehenden Lösungen wettbewerbsfähig sind.

Neue Anwendungsbereiche als Bonus

Neben der Fertigung von Hybridmodulen ermöglichten die im Rahmen des Helios-Projekts entwickelten transparenten Leiterplatten der Firma neue kommerzielle Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Agri-Photovoltaik. Die Primärzellen wirken wie ein Filter, der unter idealen Betriebsbedingungen das direkte Licht absorbiert und nur diffuses Licht auf die nächste Ebene durchlässt. Statt das übertragene Licht in Energie umzuwandeln, kann es für andere Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel für Pflanzungen in Gewächshäusern, auf dem Feld oder für diffuses, schatten- und blendfreies Tageslicht in Bahnhöfen oder Einkaufszentren (Bild 3).

Die Landwirtschaft zeigt grosses Interesse an dieser Technologie, denn sie erzeugt nicht nur Energie, sondern reguliert auch die Lichtmenge, welche die Pflanzen erhalten, indem sie auf die Primärzellen fokussiert oder nicht, je nachdem, ob die Strom­erzeugung oder der Pflanzenanbau optimiert werden soll. Diese Idee stammt aus dem Helios-Projekt, das die Herstellung der ersten Freiflächen-Anlagen ermöglichte. Sie veranlasste Insolight die Entwicklung von Theia (Translucency & High Efficiency In Agrivoltaics), dessen Ziel es ist, optimalen landwirtschaftlichen Ertrag und eine Stromerzeugung zu kombinieren, die den herkömmlichen PV-Modulen in Gewächshäusern und im Freiland überlegen ist.

Da es derzeit keine andere Technologie gibt, die diese Flexibilität zwischen Transparenz und Stromerzeugung verbindet, stossen diese Module bei Landwirten auf grosses Interesse. Diese Begeisterung ermöglichte es Insolight, 5 Mio. Franken aufzubringen, um diese Module schon bald zu entwickeln und herzustellen.

Referenzen

[1] Mathieu Ackermann, «La technologie spatiale enfin à portée de toit», Bulletin SEV/VSE 10/2018, S. 18-20, 2018.

[2] S.A. Askins, N. Jost, A.F. Aguilar, L. Anglade, G. Nardin, M. Duchemin, F. Gerlich, M. Ackerman, L. Coulot, D. Petri, J. Levrat, A. Faes, J. Champliaud, M. Despeisse, C. Domínguez Domínguez and I. Antón Hernández, «Performance of Hybrid Micro-­Concentrator Module with Integrated Planar Tracking and Diffuse Light Collection», Proc. of the 46th IEEE Photovoltaic Specialists Conference (PVSC), Chicago, Illinois, 2019.

Fussnote

1) Hiperion-Projekt, gefördert durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU (Grant Agreement No 857775).

Über Innosuisse

Innosuisse, die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung, ermöglicht Unternehmen und Forschenden die Zusammenarbeit bei der Entwicklung innovativer Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Unternehmen erhalten Zugang zu wissenschaftlichem Know-how, während Forschende von betriebswirtschaftlicher Expertise und der Kundenperspektive profitieren. Innosuisse unterstützt jährlich mehr als 400 Innovationsprojekte, insbesondere in den Bereichen Energie, Umwelt, Mobilität und Nachhaltigkeit. So wurde das Helios-Projekt von Innosuisse 24 Monate lang mit rund 550'000 CHF unterstützt.

Weitere Informationen: www.innosuisse.ch

 

Autor
Dr Jacques Levrat

ist Projektleiter am CSEM.

  • CSEM SA
    2002 Neuenburg
Autorin
Delphine Petri

ist F&E-Ingenieurin am CSEM.

  • CSEM SA
    2002 Neuenburg
Autor
Dr Matthieu Despeisse

ist Sektorleiter am CSEM.

  • CSEM SA
    2002 Neuenburg
Autor
Laurent Coulot

ist CEO von Insolight.

  • Insolight SA
    1024 Ecublens
Autor
Mathieu Ackermann

ist CTO von Insolight.

  • Insolight SA
    1024 Ecublens

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