LED-Leuchten entwickeln
Eine Synthese aus Erfahrungen und Erfolgsfaktoren
Wie die meisten kreativen Prozesse ist auch die Entwicklung einer designorientierten Leuchte selten linear. Je mehr Faktoren dieser Entwicklung man selber kennt und beeinflussen kann, desto klarer lässt sich ein solcher Prozess strukturieren und desto überzeugender wird das Endprodukt.
Jeder Designer wird sagen, dass er seine Stärken umso besser einbringen kann, je früher er an einer Entwicklung beteiligt ist, denn das ganze Potenzial der kreativen Herangehensweise beschränkt sich nicht nur auf die Gestaltung des Äusseren, sondern setzt mit einem anderen Blick viel früher und hoffentlich grundlegender an. Erfahrung und Wissen sind hier zwar wichtig, aber wenn sie nur konservativ eingesetzt werden, entsteht selten Neues. Denn Innovation entsteht am Schnittpunkt zweier Ebenen, von denen man vielleicht gar nicht erwartete, dass sie miteinander zu tun haben.
Die Entwicklung einer Leuchte ist aus verschiedenen Gründen interessant. Einerseits, weil man vor der Herausforderung steht, dass der Kunde zunächst einfach Licht für eine bestimmte Situation möchte – und nicht wirklich eine Leuchte, die relativ präsent in Räumen steht oder hängt. Andererseits muss die Leuchte relativ komplexe technische Anforderungen erfüllen. Ein gutes Ergebnis erreicht man nur durch eine Integration von Gestaltung mit lichttechnischen, elektrischen und mechanischen Lösungen. Da «verschmelzen» alle Aspekte zu einem überzeugenden Ganzen.
Lichtvorstellungen umsetzen
Wie bei anderen Produkten gibt es bei der Entwicklung einer Leuchte zahlreiche Herangehensweisen. Manchmal sind die Vorstellungen vom neuen Licht schon am Anfang klar definiert, als Lumenpaket mit einer spezifischen Abstrahlcharakteristik und Lichtfarbe, manchmal sind sie aber nur durch einen emotionalen Anspruch an das Raumerlebnis umschrieben. Natürlich kommen zwischen diesen beiden extremen Positionen alle möglichen Schattierungen vor. Ab und zu ist die Leuchte nur für einen spezifischen Raum oder eine konkrete Arbeitssituation bestimmt. Oft wird ein Leuchtenkopf entwickelt, der u.a. aus wirtschaftlichen Gründen seine Wirkung in unterschiedlichen Anordnungen entfalten soll, zum Beispiel als Tisch-, Steh- oder Deckenleuchte, einzeln oder als multiple.
Technische Entwicklungen
Im Gegensatz zu den Standardfassungen – der immer noch übliche E27-Sockel geht auf das Jahr 1881 und Thomas Alva Edison zurück – wurden Lampen und Leuchtmittel kontinuierlich weiterentwickelt. Mittlerweile werden sogenannte Retrofit-LED-Lampen für E27 entwickelt.
Mit der LED kamen aber Hersteller aus einem völlig andern Markt, der Halbleiterindustrie, ins Spiel. Diese Industrie und die herkömmlichen Lampenhersteller funktionieren jedoch in vielerlei Hinsicht anders, denn die Entwicklungszyklen der Elektronikhersteller sind viel kürzer, die Preise dynamischer, Standards volatiler. Aber nicht alle LED-Hersteller haben sich das über Jahrzehnte erarbeitete lichttechnische Wissen und das Gespür traditioneller Lampenhersteller angeeignet. Durch dieses Aufeinandertreffen zweier «Welten» entstehen sowohl Chancen wie auch Gefahren.
Die am häufigsten für weisses Licht eingesetzte lichtemittierende Diode emittiert eigentlich blaues Licht. Die davor platzierte gelbliche lumineszierende Schicht (oft auch als Phosphorschicht bezeichnet) dient als Wellenlängenkonverter und führt zu weissem Licht. Je dicker diese gelbliche Lumineszenzschicht ist, desto «wärmer» und angenehmer wird das Licht. Gleichzeitig nimmt aber die Lichtausbeute ab. Anfänglich wurden diese gelblichen Schichten möglichst dünn gewählt, um hohe Lumenausbeuten zu erreichen. Bei einer rein numerischen lm/W-Kalkulation macht dies natürlich Sinn, aber die Reaktionen der Anwender auf diese ersten bläulichen LED-Generationen waren so negativ, dass das Image dieses Leuchtmittels für längere Zeit Schaden nahm. Wahrscheinlich haben traditionelle Leuchtmittel- und auch Leuchtenhersteller diese Gefahr schon früher antizipiert und waren deshalb zurückhaltend mit der Einführung solcher nicht ausgereifter Produkte.
Neue Möglichkeiten
Aber nicht nur der anfängliche Blaustich schreckte die Leuchtenhersteller ab, sondern auch die Tatsache, dass nun plötzlich die quasi ewiggültigen Fassungsstandards ihre Bedeutung verloren haben. Die LED verweigerte sich der Standardisierung zu Beginn komplett. Die Standardisierungsbestrebungen der Zhaga-Organisation (www.zhagastandard.org) sind der wohl erfolgreichste Versuch einer LED-spezifischen Standardisierung. Die Organisation hat zahlreiche Spezifikationen («Books») herausgegeben, die sich mit Komponenten von LED-Leuchten befassen, beispielsweise mit Light Engines, Modulen, Arrays und Anschlusssystemen. Die Entwicklung ist aber so dynamisch und die Anwendungen so unterschiedlich, dass die früher um die Standards herrschende Ruhe wohl nie mehr einkehren wird. Und das auch zu Recht, wenn man das Potenzial der neuen Lichtquelle umfassend optimieren und nutzen will. Leuchtenherstellern wurde klar, dass die Zeit der Leuchtmittel, die einfach in bestehende Sockel eingeschraubt werden, langsam zu Ende geht.
Das ganze Potenzial der LED zeigt sich erst bei einem gezielten Einsatz, der immer öfter eine speziell angefertigte Platine erfordert, die mit gezielt ausgesuchten LEDs bestückt wird. Manchmal kann diese Platine auch mit einer auf die LED abgestimmten Konstantstromquelle bestückt werden. Schalter, Taster oder andere Bedienelemente bieten sich auch zur Bestückung an und können wegen den kleineren Spannungen günstiger und kleiner werden. Bei einer selbst entwickelten Elektronik kann man natürlich auch weitere Aspekte definieren, beispielsweise, ob nach einem Stromunterbruch, sei es netzseitig oder durch den Schalter, wieder auf die vorherige Dimmstufe geschaltet werden soll, und ob der Dimmvorgang in Stufen oder linear erfolgen soll (Flackergefahr durch das Takten). Manchmal ist auch ein Soft-Start oder eine Wärmeüberwachung erwünscht.
Wahl der Lichtquelle
Bei konventionellen Leuchtmitteln war die Auswahl beschränkt. Die Selektion der LED ist hingegen deutlich aufwendiger, denn sowohl die Angebotsvielfalt als auch das Kriterienspektrum sind grösser geworden. Ein solches Kriterium ist die u.a. in Datenblättern aufgeführte Lichtausbeute. Die Schwierigkeit bei der Auswahl besteht nun darin, dass kalte LEDs mehr Licht als warme emittieren. Da aber die Temperatur auf dem Chip nach dem Einschalten sehr schnell ansteigt, kommt es darauf an, wann die Lichtausbeute gemessen wird. Temperaturabhängig ist aber nicht nur die Lichtausbeute, sondern auch der Farbort der LED. Solange Hersteller ihre Messungen nicht unter den gleichen Bedingungen ausführen, lassen sich ihre Angaben nur schwer vergleichen.
Ausserdem ist der Wafer, aus dem die LED-Chips gemacht werden, nicht überall gleich dotiert, was für leicht divergierende Farben bei den einzelnen LEDs sorgt. Gewisse Hersteller gleichen diese Farbschwankungen mit unterschiedlich kalibrierten Phosphorschichten aus. Man kommt aber nicht darum herum, alle LEDs individuell auszumessen und zu beschreiben, d.h. ein sogenanntes Binning durchzuführen. Dieses beschreibt für jede LED eine Position im CIE RGB-Farbraum, idealerweise auf der Kurve eines Schwarzkörperstrahlers. Dabei definieren die MacAdam-Ellipsen Farbraumorte, innerhalb derer das menschliche Auge die Unterschiede nicht mehr wahrnimmt.
Der Preis einer LED hängt von diversen Faktoren ab: vom Lichtstrom, von der Genauigkeit des Binning, von der Ähnlichkeit mit der Schwarzkörperstrahlung und von der Popularität der Farbtemperatur.
Alle diese Faktoren, inklusive dem Preis, dem Abstrahlwinkel, der Fläche, der Lieferbarkeit und wie lange diese LED noch produziert werden mag, können bei der Evaluation der gewünschten LED berücksichtigt werden. Aber diese Kriterien genügen noch nicht für eine gute Leuchte, denn bei der Evaluierung des passenden Leuchtmittels muss die gesamte Leuchtenkonstruktion miteinbezogen werden.
Gesamtperspektive
Da die LED eine praktisch punktförmige Lichtquelle ist, müssen bei der Leuchtenentwicklung zwei weitere Aspekte zwingend berücksichtigt werden: die Blendproblematik und die Wärmeabführung.
Ersterer kann man mit Optiken begegnen. Viele LEDs verfügen bereits über eine primäre Optik, die ihre Abstrahlcharakteristik beeinflusst. Eine sekundäre Optik kann den Lichtaustritt weiter bündeln oder lenken. Zudem können Diffusoren, Louvre- oder Lochraster bzw. andere Flächen als Reflektor, deren Oberfläche das Licht wieder beeinflusst, eingesetzt werden.
Auch die Letztere ist zentral: das Wärmemanagement der nahezu punktförmigen LED, die auf kleinstem Raum viel Wärme erzeugt. Je heisser die LED wird, desto schneller altert sie. Werden LEDs mit der richtigen Temperatur betrieben, halten sie normalerweise extrem lange. Da machen sich Alterungserscheinungen dann eher bei den Betriebsgeräten bemerkbar.
Die Wahl des Platinenmaterials ist der erste Schritt zu einem guten Thermomanagement. Bei Low-Power-LED mag FR4 genügen, bei Mid-und High-Power-LEDs bieten sich Aluminium- oder Kupferkern-Platinen an. Diese Platinen sollten mit einem Kühlkörper ausgestattet werden, der mit einem möglichst geringen Wärmeübergangskoeffizienten montiert wird. Dazu kann man manchmal auf doppelseitiges, wärmeleitendes Klebeband zurückgreifen, wobei ein zerstörungsfreies Entfernen aber schwierig wird, Schrauben und Wärmeleitpaste (besser nicht im Sichtbereich, da eine nicht sauber aufgetragene Paste den hochwertigen Eindruck stört) oder auf eine andere Art spannen. Beim Kühlkörper ist ein möglichst guter Wärmefluss nötig (durch Querschnitte und Material vorgegeben), eine gute Abgabe der Wärme an die Umgebungsluft (Fläche und Strömungsverhalten der Luft) und eine möglichst gute Wärmeabstrahlung (keine verspiegelten Oberflächen).
Die LEDs mögen klein sein, aber die Grösse des benötigten Kühlkörpers hängt proportional von ihrem Energieverbrauch ab, und wird darum schnell zum dominanten Teil einer Leuchte. Eine geschickte Gestaltung spielt hier eine zentrale Rolle. Der Kühlkörper muss ja nicht wie ein Kühlkörper aussehen – vielleicht mutiert er einfach zum Lampenschirm und erfüllt seinen Zweck auf unauffällige Weise.
Die Beweglichkeit einer Leuchte ist auch sehr wichtig, denn eine bewegliche Leuchte lässt sich flexibler einsetzen. Auch als Verkaufsargument lässt sich diese Einstellbarkeit nutzen, denn im Ladenlokal oder auf einer Messe zeigen sich die Leute sehr interessiert, sobald man etwas bewegen kann. Sie kann zudem als Abgrenzung zu Billigherstellern dienen, denn eine Bewegung, die längerfristig gut und gleichmässig funktioniert, kann nur mit Präzision, hochwertigem Material und technischem Aufwand erreicht werden.
Bei der Entwicklung kann man auch auf praktische Produktionseinheiten achten wie Sockel mit Trafo, Gestänge, Leuchtenkopf, die einzeln hergestellt und gelagert werden können, und erst am Schluss oder sogar durch den Händler oder Endkunden zusammengebaut werden – wenn möglich ohne Werkzeuge. Gängige Verpackungsgrössen oder Versandbestimmungen spielen auch eine Rolle. Werden diese zahlreichen Faktoren berücksichtigt und mit einem guten Marketing und aktiven Händlern kombiniert, sind die Aussichten auf Erfolg hoch.
Kommentare
Roman Rieger,
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Insbesondere die Gegenüberstellung zwischen Leuchtmitteln E27/ E14 und den in der Leuchtenkonstruktion integrierten LEDs lohnt weitere Überlegungen. Auch die Wärmeproblematik wurde interessant dargestellt. Unberücksichtigt bleibt die Beeinflussung der Netzspannung durch den nicht sinusförmigen Betriebsstrom (Oberschwingungen).