«Laden ist nicht Tanken»
Ladeinfrastruktur und Verteilnetz
Die Elektrifizierung des Individualverkehrs ist ebenso unabdingbar wie herausfordernd. Krispin Romang, Geschäftsführer des Schweizerischen Elektromobilitätsverbands («Swiss eMobility»), erklärt im Interview, warum diese Aufgabe nur gemeinsam gelöst werden kann.
Bulletin: Krispin Romang, wieso gibt es in der Schweiz nicht schon viel mehr Ladestationen? Wo hakt es?
Krispin Romang: In der Schweiz haben wir ein sehr gutes öffentliches Ladenetz. Bei unseren Nachbaren gab oder gibt es immer noch nationale Aufbauprogramme, trotzdem haben wir eine höhere Dichte an öffentlichen Ladestationen und insgesamt einen der höchsten Ausbaustandards überhaupt. Aber grundsätzlich gehört zu jedem Elektroauto eine Heimladestation. Und dort hakt es. Mit dem hohen Anteil an Mietern und Stockwerkeigentümern haben wir die schwierigste Ausgangslage in ganz Europa. Deshalb wurden wir im letzten Quartal von Österreich und Deutschland beim Marktanteil der Steckerautos überholt.
Warum sollte nicht einfach jeder Mieter selbst eine Ladestation installieren?
Das erste Problem beginnt bereits vor der Installation bei der Bewilligung. Es braucht das Einverständnis des Vermieters. Und das Bewilligungsverfahren ist in Mehrparteiengebäude bereits ein schlechtes Zeichen, denn der Treiber bei der Elektrifizierung sollte der Vermieter sein. Dieser sollte den Mietern ein durchdachtes Ladesystem anbieten. Ansonsten entstehen Insellösungen, welche nicht miteinander kommunizieren können und nicht steuerbar sind. Zudem sind solche Individuallösungen oftmals überdimensioniert. Spätestens wenn weitere Elektroautos am gleichen Standort dazukommen, was in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich der Fall sein wird, werden diese Insellösungen zu Fremdkörpern.
Was sind die grössten Herausforderungen für die Elektromobilität in Bezug auf den Netzanschluss?
Wir müssen die Elektromobilität als Gesamtsystem betrachten, welches die Stromproduktion, die Verteilung und die Nutzung von Steckerfahrzeugen beinhaltet. Weder die Fahrzeuganbieter noch die Energieversorger oder Netzbetreiber können die Herausforderungen der Elektrifizierung allein und ausschliesslich aus der jeweiligen Perspektive lösen. Unsere grösste Aufgabe besteht wohl darin, alle Akteure zusammenzubringen und gemeinsam sinnvolle und zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Dies trifft insbesondere für die Netzintegration von Ladestationen zu.
Wie sollten die Verteilnetzbetreiber den Ladevorgang beeinflussen, um Überlastungen im Verteilnetz zu verhindern?
Wie gesagt, die Verteilnetzbetreiber sollten dieses Problem nicht allein angehen. Dies kann zu Restriktionen oder Diskriminierung für die Elektromobilität führen. Von zentraler Bedeutung sind insbesondere die Langsamladevorgänge. Ein Auto in der Schweiz steht deutlich über 23 Stunden am Tag. Ist es möglichst immer mit dem Netz verbunden, kann die Netzbelastung besser verteilt werden, und das Problem des gleichzeitigen Ladens am Abend entfällt. Ein Teil der Lösung sind aber auch Schnelllader. Deren Nutzungsprofil ist quasi identisch mit der Produktionskurve von Solarstrom. Und wer am Tag schnell lädt, braucht weniger Strom am Abend. Laden ist vielfältig und vor allem: Laden ist nicht Tanken. Dieser Kulturwandel benötigt viel Sensibilisierung und Information, bereits vor dem Autokauf.
Diese Verhaltensänderungen werden wohl kaum ausreichen?
Ein grosses Potenzial der Einflussnahme stellen die Tarife dar. Es stellt sich die Frage, ob bestehende (Nieder-)Tarifmodelle durch die Marktentwicklung der Elektromobilität überdacht werden müssen. Und natürlich müssen möglichst viele Ladevorgänge intelligent gesteuert werden können.
Zur Person
Krispin Romang ist Geschäftsführer des Schweizerischen Elektromobilitätsverbands («Swiss eMobility»).
Kommentare
Peter Schumacher,
Es müssen unbedingt die Autohändler aufgeklärt werden. Die verkaufen Ladestationen zum Fahrzeug hinzu. Besser wäre es, mit dem Verteilnetzbetreiber in Kontakt zu treten, damit in Mehrfamilienhäusern gemanagte Systeme installiert werden. Im Normalfall wie bei mir genügt die Steckdose 230 V seit 10 Jahren,weil eben die normale tägliche Stecke besagte 25 bis 40 km beträgt.