Kompatibilität von kabellosen E-Auto-Ladestationen mit dem Amateurfunk
Messungen des Störpotenzials
Im August und September 2020 wurden in Ersigen Messungen des Störpotenzials von kabellosen Elektroauto-Ladestationen (WPT-EV, Wireless Power Transfer for Electric Vehicles) auf den Amateurfunk durchgeführt. An diesem Standort betreibt Prof. em. Dr. Heinrich Häberlin schon seit 37 Jahren eine Amateurfunkstation mit dem Rufzeichen HB9AZO.
Kabellose Ladegeräte für EV arbeiten im Grundfrequenzbereich von 79 bis 90 kHz, im Unterschied zu den Drahtlos-Ladern für Mobiltelefone, die meistens den Frequenzbereich 100 kHz bis 200 kHz (Qi-Standard) nutzen.
Ein Team mit Vertretern aus dem Bakom (Bundesamt für Kommunikation), Electrosuisse (Sekretariat CES/Normen), dem Hersteller Brusa Elektronik und der USKA (Union Schweiz. Kurzwellen-Amateure) hatte sich im Rahmen der aktuell laufenden Normierung solcher Systeme dafür interessiert, wie ein WPT-EV-Ladesystem in der Praxis auf den Amateurfunkbändern «hörbar» ist.
Testanordnung und Standort
Dazu stand die Station von HB9AZO, mit einem Funkgerät ICOM IC-7600 und einer Multiband-Richtantenne FB-DX-660 (mit 6 Elementen) auf 17 m Höhe, ein Plug-in-Hybridfahrzeug mit einem 3,7 kW WPT-EV Ladegerät, ein Starkstromanschluss auf der gegenüberliegenden Strassenseite, sowie weiteres Messequipment wie Spektrumanalyzer, Aktivloop-Antenne und ein Funkgerät ICOM IC-705 zur Verfügung. Ein Messfahrzeug des Bakom, wie es auch bei Störungsmeldungen eingesetzt wird, komplettierte den Messaufbau.
Der Standort von HB9AZO liegt in einem Wohngebiet, das an eine Landwirtschaftszone angrenzt. Bei den Messungen konnten die Oberwellen des WPT-EV-Systems auf den Amateurfunk-Bändern 1,8 MHz (1,8 bis 2 MHz) und 28 MHz (28,0 bis 29,7 MHz) klar erkannt werden. Dabei waren hauptsächlich die ungeraden Harmonischen der Grundfrequenz erkennbar. Auf den übrigen Bändern (3,5 MHz bis 24,9 MHz) waren keine Oberwellen zu sehen, die höher als der am Standort vorhandene Störpegel der Umgebung waren. Auf den Bändern zwischen 21 und 29,7 MHz konnten die Notches (Pegelabsenkungen) durch VDSL2-und PLC-Anschlüsse der in den umgebenden Häusern klar erkannt werden. VDSL2 resp. PLC sind Verfahren zur schnellen Datenübertragung auf herkömmlichen Telefon- (VDSL2) bzw. Niederspannungsleitungen (Inhouse-PLC), die ebenfalls zu Funkstörungen in der Umgebung führen können.
Die magnetischen Feldstärken, die in 10 m Distanz zum WPT durch das Bakom gemessen wurden, erreichten im 28-MHz-Band keinen Wert höher als -32 dBμA/m, was einem äquivalenten elektrischen Feld von 19 dBμV/m entspricht. Diese Werte liegen nur 1 bis 2 dB über der unteren Messgrenze der Messausrüstung des Bakom.
Das CISPR-11-Normengremium, zuständig für ISM-Applikationen (Industrial, Scientific and Medical), zu der auch das WPT für EV gehört, sieht im aktuellen Stand der Arbeiten Grenzwerte vor, die mehr als 20 dB höher als die gemessenen Werte sind. Diese hohen Grenzwerte würden den Amateurfunk auch in einem durchschnittlichen Wohngebiet deutlich beeinträchtigen und werden deshalb von der IARU (International Amateur Radio Union) bekämpft.
Neue «grüne» Technik sollte auch bezüglich Störungen auf andere, nach internationalen Verträgen zugelassene Funkdienste umweltverträglich sein, d. h. sie darf nur möglichst kleine Störemissionen abstrahlen. Solche Störungen sind eine Art Umweltverschmutzung des nutzbaren Funkspektrums durch elektromagnetische Wellen, analog zu Umweltverschmutzungen durch chemische Stoffe.
Messresultate
Die Messungen bei HB9AZO zeigen, dass es erfahrenen Herstellern technisch möglich ist, WPT-EV-Ladegeräte mit tiefem Störpegel zu bauen. Würden alle kabellosen Ladegeräte auf der gleichen, hochstabilen fixen Frequenz arbeiten, wäre das Störpotenzial weiter begrenzt, weil die Harmonischen dann nicht über alle Frequenzen verteilt wären.
Besonders interessant wären weitere Messungen an einem sehr störarmen Standort der ITU-Kategorie «ländlich» (rural). Wegen der Corona-Pandemie haben sich in Deutschland geplante Messungen leider verzögert.
Der ausführliche Messbericht kann in Englisch auf der USKA-Homepage unter der Rubrik EMV oder am Schluss dieses Artikels heruntergeladen werden. Bei Fragen kann im CES-Sekretariat Carlo Compare kontaktiert werden.
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