Kleinster Biosuperkondensator
Stromversorgung für biomedizinische Anwendungen
Die Miniaturisierung von mikroelektronischer Sensorik, mikroelektronischen Robotern oder intravaskulären Implantaten schreitet schnell voran. Sie stellt die Forschung aber auch vor grosse Herausforderungen. Eine der grössten ist die Entwicklung winziger aber effizienter Energiespeicher, die den Betrieb autonom arbeitender Mikrosysteme ermöglichen – zum Beispiel in immer kleineren Bereichen des menschlichen Körpers. Zudem müssen diese Energiespeicher bio-kompatibel sein, um überhaupt im Körper eingesetzt werden zu können. Nun gibt es einen Prototyp, der diese Eigenschaften vereint. Der Durchbruch gelang einem internationalen Forschungsteam unter Leitung von Prof. Oliver Schmidt, Inhaber der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik an der Technischen Universität Chemnitz.
In der aktuellen Ausgabe von «Nature Communications» berichten die Forscher vom bisher kleinsten sogenannten «Biosuperkondensator», der bereits in (künstlichen) Blutbahnen funktioniert und als Energiequelle für ein winziges Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes verwendet werden kann.
Dieses Speichersystem eröffnet Möglichkeiten für intravaskuläre Implantate und mikrorobotische Systeme für die Biomedizin der nächsten Generation, die in schwer zugänglichen kleinen Räumen im menschlichen Körper agieren könnte. So kann zum Beispiel die Erfassung des pH-Wertes im Blut in Echtzeit bei der Vorhersage der frühen Tumorbildung helfen. «Es ist äusserst ermutigend zu sehen, wie eine neue, extrem flexible und adaptive Mikroelektronik in die miniaturisierte Welt der biologischen Systeme vordringt», zeigt sich Forschungsgruppen-Leiter Oliver Schmidt von diesem Forschungserfolg äusserst angetan.
Kleiner als ein Staubkorn
Immer kleinere Energiespeicher im Submillimeterbereich – sogenannte «Mikro-Superkondensatoren» – für immer kleinere mikroelektronische Bauteile stellen aber nicht nur eine grosse technische Herausforderung dar. Denn in der Regel benutzen diese Superkondensatoren keine biokompatiblen Materialien, sondern zum Beispiel korrosive Elektrolyten und entladen sich bei Defekten und Verunreinigungen schnell von selbst. Beide Aspekte machen sie für biomedizinische Anwendungen im Körper ungeeignet. Eine Lösung bieten sogenannte «Biosuperkondensatoren (BSCs)». Sie besitzen zwei herausragende Eigenschaften: Sie sind vollständig biokompatibel, das heisst, dass sie in Körperflüssigkeiten wie Blut eingesetzt und für weitere medizinische Studien genutzt werden können.
Zudem können Biosuperkondensatoren das Selbstentladungsverhalten durch bioelektrochemische Reaktionen kompensieren. Dabei profitieren sie sogar noch von körpereigenen Reaktionen. Denn zusätzlich zu typischen Ladungsspeicherreaktionen eines Superkondensators steigern Redox-Enzyme und lebende Zellen, die natürlicherweise im Blut vorhanden sind, die Leistung des Bauteils um 40%.
Die derzeit kleinsten derartigen Energiespeicher sind grösser als 3 mm³. Dem Team um Oliver Schmidt ist es nun gelungen, einen 3000 Mal kleineren röhrenförmigen Biosuperkondensator herzustellen, der mit einem Volumen von 0,001 mm³ (1 Nanoliter) weniger Raum als ein Staubkorn einnimmt und dennoch bis zu 1,6 V Versorgungsspannung für zum Beispiel mikroelektronische Sensorik im Blut liefert. Das entspricht in etwa der Spannung einer handelsüblichen AAA-Batterie, wobei der Stromfluss auf diesen kleinsten Skalen natürlich deutlich geringer ist. Die flexible röhrenförmige Geometrie des Nano-Biosuperkondensators bietet effizienten Selbstschutz gegen Deformationen, die durch pulsierendes Blut oder Muskelkontraktion entstehen. Bei voller Kapazität kann der vorgestellte Nano-Biosuperkondensator ein komplexes vollintegriertes Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes im Blut betreiben.
Flexibel, robust, winzig
Bei der Origami-Technologie setzt man die benötigten Materialien für die nBSC-Bauelemente auf einer Waferoberfläche unter hohe mechanische Verspannung. Werden die Materialschichten anschliessend kontrolliert von der Oberfläche abgelöst, wird die Verspannungsenergie freigesetzt und die Schichten wickeln sich von selbst mit hoher Genauigkeit und Ausbeute (95%) zu kompakten 3D-Bauteilen auf. Die so hergestellten Nano-Biosuperkondensatoren wurden in drei Lösungen, sogenannten Elektrolyten, getestet: Kochsalzlösung, Blutplasma und Blut. In allen drei Elektrolyten war die Energiespeicherung ausreichend erfolgreich, wenn auch mit unterschiedlicher Effizienz. Im Blut zeigte der Nano-Biosuperkondensator eine exzellente Lebensdauer und hielt bis zu 70% der anfänglichen Kapazität auch noch nach 16 h bereit. Um die schnelle Selbstentladung zu unterdrücken, wurde ein Protonenaustauschseparator (PES) eingesetzt.
Leistungsstabilität auch unter realistischen Bedingungen
Um die natürlichen Körperfunktionen in unterschiedlichen Situationen aufrechtzuerhalten, stehen die Strömungseigenschaften des Blutes und der Druck in den Gefässen unter ständiger Veränderung. Der Blutfluss pulsiert und variiert je nach Gefässdurchmesser und Blutdruck. Jedes implantierbare System innerhalb des Kreislaufsystems muss diesen physiologischen Bedingungen bei stabiler Leistung standhalten.
Das Team untersuchte daher die Leistungsfähigkeit ihrer Entwicklung – ähnlich wie in einem Windkanal – in sogenannten mikrofluidischen Kanälen mit Durchmessern von 120 bis 150 µm (0,12 bis 0,15 mm), um Blutadern verschiedener Grösse nachzuahmen. In diesen Kanälen simulierten und testeten die Forscher das Verhalten ihrer Energiespeicher unter verschiedenen Fliess- und Druckbedingungen. Sie stellten fest, dass die Nano-Biosuperkondensatoren ihre Leistung unter physiologisch relevanten Bedingungen gut und stabil bereitstellen können.
Selbstständige Sensorik kann zum Beispiel die Tumor-Diagnostik unterstützen
Das Wasserstoffpotenzial (pH) des Blutes schwankt. Eine kontinuierliche Messung des pH-Wertes kann so zum Beispiel bei der Früherkennung von Tumoren helfen. Für diesen Zweck entwickelten die Forscher einen pH-Sensor, der durch den Nano-Biosuperkondensator mit Energie versorgt wird.
Die bereits im Forschungsteam von Oliver Schmidt zuvor etablierte 5 µm thin film transistor (TFT)-Technologie konnte genutzt werden, um einen Ringoszillator mit aussergewöhnlicher mechanischer Flexibilität zu entwickeln, der bei niedriger Leistung (nW bis µW) und hohen Frequenzen (bis 100 MHz) arbeitet.
Für das aktuelle Projekt verwendete das Team einen fünfstufigen Ringoszillator. Das Team integrierte in den Ringoszillator einen pH-sensitiven BSC, so dass es zu einer Änderung der Ausgangsfrequenz in Abhängigkeit vom pH-Wert des Elektrolyten kommt. Dieser pH-sensitive Ringoszillator wurde ebenfalls mit der Swiss-Roll-Origami-Technik in eine röhrenförmige 3D-Geometrie gebracht, sodass ein vollintegriertes und ultra-kompaktes System aus Energiespeicher und Sensor geschaffen werden konnte.
Der hohle Innenkern dieses winzigen Sensorsystems dient als Kanal für das Blutplasma. Darüber hinaus ermöglichen drei mit dem Sensor in Reihe geschaltete nBSCs eine besonders effiziente und autarke pH-Messung.
Mit diesen Eigenschaften ergeben sich breite Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel in der Diagnostik und Medikation.
Kommentare