Keine Liberalisierung im Bereich des Messwesens
Interview mit Christian Petit, CEO Romande Energie, zum Thema Messwesen
Das neue «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» soll die Ziele von EnG und StromVG koordinieren. Es sieht die vollständige Liberalisierung des Messsystems vor. Die Strombranche stellt sich vehement dagegen. Christian Petit, CEO von Romande Energie, beantwortet Fragen dazu und reagiert auf einige Vorwürfe an die Branche.
Bulletin: Weshalb ist die Liberalisierung des Messsystems aus Ihrer Sicht eine schlechte Idee?
Christian Petit: Eine vollständige Liberalisierung des Messsystems würde zu einem beträchtlichen Mehraufwand führen, der in Anbetracht des potenziellen Marktvolumens unverhältnismässig wäre. Die makroökonomischen Kosten wären grösser als das Einsparpotenzial für die Kunden, wie die Erfahrungen in anderen Ländern und die Ergebnisse von Studien des BFE zeigen. Das perfekt in das Verteilnetz integrierte bestehende Messsystem ist in sich kohärent, effizient, ziemlich wirtschaftlich und entspricht den regulatorischen Anforderungen. Im Übrigen wäre der staatliche Eingriff bei einer Teilliberalisierung im Vergleich zum geringen Nutzen für die Wirtschaft ebenfalls unverhältnismässig.
Was verstehen Sie unter einem beträchtlichen Zusatzaufwand?
Ein Aufwand, der aus der äusserst aufwendigen Festlegung neuer Prozesse und Kontrollverfahren resultiert, um die künftig heterogenen Messsysteme in ein kohärentes Verteilnetz zu integrieren.
Stellt diese Liberalisierung hinsichtlich des Marktvolumens denn keine Chance dar?
Das Beispiel Deutschland lässt nicht auf Preissenkungen schliessen und zeigt, dass ein aufwendiges Splitting von Kosten sowie von technischen und kommerziellen Prozessen notwendig ist. Da in der Schweiz die Volumen zudem geringer sind als in Deutschland, kann man davon ausgehen, dass sich diese Massnahme nicht für unser Land eignet.
Inwiefern verletzt eine Liberalisierung das Prinzip der Rechtssicherheit und des Schutzes von Investitionen?
Die Energiestrategie 2050 verpflichtet die Netzbetreiber, intelligente Messsysteme einzuführen, indem mindestens 80 Prozent der bestehenden Zähler bis Ende 2027 migriert werden. Gleichzeitig wurden die entsprechenden hohen Beträge auf Verordnungs- und Gesetzesstufe den Netzkosten zugeordnet, also dem Monopol. Die Netzbetreiber, die den gesetzlichen Auftrag nach Treu und Glauben ausführen, gehen also das Risiko ein, bei einer Liberalisierung auf nicht amortisierbaren Kosten sitzen zu bleiben. Für eine Liberalisierung des Messsystems, während die Einführung der Smart Meter voll im Gang ist, ist jetzt ein schlechter Zeitpunkt. Auch für die Stromproduzenten würde die Liberalisierung das Prinzip der Rechtssicherheit verletzen, da die Energiestrategie 2050 die Stromproduzenten von den Messkosten befreit hatte. Jetzt könnten ihnen diese Kosten wieder auferlegt werden. Das kann die Rendite der Investitionen beträchtlich schmälern und letztlich die Entwicklung erneuerbarer Energien bremsen.
Profitieren die VNB zuungunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Investitionen in die elektrischen Installationen vom heutigen System?
Einige werfen den VNB vor, vom heutigen Markt der Messsysteme zu profitieren, weil dies den Verteilern die interessante Möglichkeit eröffne, die vermieteten Apparate mehrfach zu amortisieren, zuungunsten der Endverbraucherinnen und Endverbraucher und der Investitionen in elektrische Installationen. Zunächst ist es falsch zu sagen, dass die Zähler vermietet werden. Sie werden, genauso wie andere Netzkomponenten wie beispielsweise Kabel oder Freileitungen, verbucht und abgeschrieben. Es ist daher verfehlt zu sagen, dass die VNB die Zähler mehrmals amortisierten. Ganz im Gegenteil: Da die Zähler nach ihrer Amortisation nicht mehr in der Buchhaltung enthalten sind, verringern sich tendenziell die gesamthaft angerechneten Messkosten für sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher.
Gibt es eine Möglichkeit, allfällige Missbräuche aufzudecken?
Die ElCom stellt die Preis- und die Qualitätsüberwachung sicher; diese Vorwürfe rechtfertigen daher keine Liberalisierung und keine Ausdehnung des Marktes. Die ElCom kann den Netzbetreibern, die sich nicht an diese Regeln halten und die nicht in der Lage sind, die Messdaten in der erforderlichen Qualität und Verfügbarkeit zu angemessenen Kosten bereitzustellen, Korrekturmassnahmen auferlegen.
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Zur Person
Christian Petit ist seit 2019 CEO der Gruppe Romande Energie.
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