Fachartikel Infrastruktur

Isolierte Tragabspannketten

Wirtschaftliche Lösung für den Umbau von Leitungen

28.04.2021

Spannungserhöhungen können langwierige Plangenehmigungsverfahren und Investitionen nach sich ziehen, wenn die Masten verändert werden. Mit isolierten Tragabspannketten bleiben Masten und Aufhängepunkte dieselben.

Das 50-kV-Verteilnetz der Axpo wird seit den 1980er-Jahren kontinuierlich auf 110 kV ausgebaut, um auf den bestehenden Leitungen mehr Leistung übertragen und Verluste reduzieren zu können. Mittlerweile sind drei Viertel des Netzes umgerüstet. In vielen Fällen erlaubt die Mastkonstruktion nicht, die Spannung ohne Anpassungen zu erhöhen. Wenn die Mastausleger zu schmal sind oder zu nah beieinanderliegen, reichen die Abstände für die Spannung von 110 kV nicht. Der Mast muss ersetzt, eventuell müssen Ausleger verschoben oder er muss zumindest mit neuen Auslegern bestückt werden. Das ist nicht nur teuer, sondern kann auch zu langwierigen Plangenehmigungsverfahren führen, wenn Anwohner Einsprachen einreichen.

Kurze Bewilligungsverfahren

Axpo hat eine isolierte Tragabspannkette entwickelt, womit die Spannung bei Leitungen auf 110 kV erhöht werden kann, ohne die Mastkonstruktion oder die Aufhängepunkte zu verändern. Damit kann die bestehende In­­frastruktur so weit wie möglich weiter genutzt werden. Und die Leitung gilt gemäss NISV als «alte Anlage». Sie kann vielfach mit einem verkürzten Plangenehmigungsverfahren bewilligt werden.

Die isolierte Tragabspannkette besteht aus drei Isolatoren in Y-Form und einer isolierten Schlaufe. Die auf den ersten Blick etwas aufwendige Konstruktion ist nötig, damit die Aufhängepunkte und die statischen Kräfte auf den Mast gleichbleiben.

Nutzung der bestehenden Infrastruktur

Das 50-kV-Verteilnetz der Axpo besteht aus zahlreichen Masten, unter anderem mit einer Auslegerbreite von 1,4 m und einem vertikalen Auslegerabstand von 2,5 m. Würde hier der bestehende Isolator (50 kV) durch den Standardisolator für 110 kV ersetzt, verringerte sich der Bodenabstand durch den längeren Isolator. Ebenso würde sich der Abstand zum unteren Ausleger verkleinern und die Leitung könnte durch starken Wind seitlich zu nahe an den Masten ausgelenkt werden. Auf jeden Fall käme es zu einem aufwendigen Plangenehmigungsverfahren, da sich der Aufhängepunkt verändert.

Nun könnten anstelle eines einzelnen Isolators deren zwei in Längsrichtung der Leitung eingesetzt werden. Eine Leiterschlaufe verbindet die beiden Enden der Isolatoren (Bild unten). Die Leitung würde nun höher hängen und der Abstand der Leiterschlaufe zum unteren Ausleger wäre gross genug; ebenso der Abstand zum Mast. Aber die horizontalen Kräfte der Leitung würden direkt am Ausleger angreifen. Für diese Kräfte sind die Masten nicht ausgelegt.

Horizontale Kräfte

Um die horizontalen Kräfte zu entschärfen, wird ein dritter Isolator ergänzt, der als Aufhängepunkt für die beiden Isolatoren in Längsrichtung dient. So liegen die horizontalen Kräfte, die zusammen mit Sacac für alle Masttypen im Detail überprüft wurden, im Auslegungsbereich der Masten. Die Leiterschlaufe hängt nun allerdings wieder weiter unten – zu nah am unteren Ausleger und bei starkem Querwind zu nah am Mast. Axpo entwickelte deshalb eine isolierte Lei­ter­schlaufe. Das verhindert Überschläge auf den Mast und den unteren Ausleger. Die Isolation schützt auch grosse Vögel, die sich auf den Masten elektrisieren könnten.

So besteht die nun genutzte isolierte Tragabspannkette aus drei in Y-Form angeordneten Isolatoren und einer isolierten Leiterschlaufe. Sie erfüllt alle elektrischen und statischen Anforderungen.

Typentest bei der FKH

Die isolierte Tragabspannkette wurde bei der Fachkommission für Hochspannungsfragen (FKH) in Dänikon typengeprüft. Sie erfüllt die Tests für Blitzhaltestossspannungen (BIL) von 550 kV (positiv/negativ) und die massgebende Prüfspannung AC von 230 kV sowohl bei trockener als auch nasser Witterung.

Bei Überspannungen treten die Überschläge an den dafür installierten Gabelringen auf. Die Gabelringe sind so justiert, dass die Überschläge bei den oberen Gabelringen erfolgen und nicht unten bei der Leiterschlaufe. Eine Stehspannung von +/-550 kV wird sicher gehalten. Auch bei der auf dem Testgelände maximalen Stossspannung von +742 kV sind nur Überschläge an den oberen Gabelringen aufgetreten.

Bei einer für Vögel typischen Situation auf Hochspannungsmasten [1] wurden Entladungen von 2 pC gemessen, die für Vögel ungefährlich sind. Die isolierte Leiterschlaufe ermöglicht daher eine Annäherung an Erdpotenzial unter den bisher gängigen Abständen und kann im Rahmen der Anpassungen des Art. 30 der Lei­tungs­verordnung zum Vogelschutz eine mögliche Lösungsvariante darstellen.

Anwendung im Axpo-Verteilnetz

2020 wurden die isolierten Tragabspannketten erfolgreich in einer Pilot­installation getestet. Die involvierten Monteure sprachen sich positiv aus. Die Tragabspannketten seien einfach und rasch zu montieren. Ein Mast war typischerweise in einem halben Tag umgerüstet. Weitere, längere Leitungen mit rund 110 Masten werden im Axpo-Netz im Laufe des Jahres 2021 mit den isolierten Tragabspannketten umgerüstet.

Die Isolatoren der Tragabspannketten können sowohl mit Porzellan- als auch mit Silikon-Isolatoren ausgeführt werden. Die Isolation der Leiterschlaufe besteht aus langlebigem, vernetztem Polyethylen. Die Lebenserwartung liegt bei den üblichen 40 bis 50 Jahren.

Für andere Netzbetreiber

Axpo bietet die isolierten Tragabspannketten auch anderen Netzbetreibern an. Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 zeigt das Interesse an der innovativen Lösung. So etwa bei Spannungserhöhungen oder um Abstandsprobleme zu lösen mit gleichbleibendem Aufhängepunkt. Weitere Anwendungen sind bei hohen thermischen Belastungen möglich, bei denen die Leiterseile den minimalen Bodenabstand nicht einhalten. Mit der isolierten Trag­abspannkette können die Aufhängepunkte angehoben werden.

Mit den isolierten Tragabspannketten hat Axpo eine wirtschaftliche, effiziente und umweltschonende Lösung zur Optimierung der bestehenden Netz­anlagen entwickelt. Die Mastgeometrie kann unter Einhaltung der gesetzlichen Abstände beibehalten werden. Somit können teure Umbauten der Mastinfrastruktur und umfangreiche Genehmigungsverfahren vermieden werden. Die patentierte Lösung von Axpo ist für diverse Spannungs­ebenen einsetzbar, wie Machbarkeitsstudien gezeigt haben. Sie wird bei Bedarf den spezifischen Bedürfnissen angepasst.

Referenz

[1]   «Schutz in elektrischen Anlagen, Band 1: Gefahren durch den elektrischen Strom», Biegelmeier, Kieback, Kiefer und Krefter, 2. Auflage 2003, VDE Verlag.

Autor
Toni Wunderlin

ist Leiter Technik bei Axpo Grid AG.

  • Axpo Grid AG, 5400 Baden
Autor
Adrian Oostlander

war bis Dezember 2021 Leiter Geschäftsentwicklung bei Axpo Grid AG.

  • Axpo Grid AG, 5400 Baden
Autor
Thomas Leimgruber

ist Leiter Verkauf & Projektmanagement bei Axpo Grid AG.

  • Axpo Grid AG, 5400 Baden

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